Mit einer unerwarteten Wendung hatte der Prozess zur Messerattacke am Haugerkirchplatz in Würzburg in der vergangenen Woche begonnen. Einem 22-Jährigen wird vorgeworfen, einen 28-Jährigen tödlich und zwei weitere Personen schwer verletzt zu haben. Der Ablauf der Tatnacht war nach den neuen Erkenntnissen aus dem Prozess jedoch möglicherweise deutlich vielschichtiger als bisher bekannt.
Was ist im September 2023 wirklich geschehen? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum derzeitigen Stand im Prozess am Landgericht Würzburg.
Wie lautet die Anklage der Staatsanwaltschaft Würzburg im Fall der Messerattacke?
Die Staatsanwaltschaft hat einen 22-Jährigen wegen Totschlags und zweifachen versuchten Totschlags angeklagt. Er sei vom Club Studio in Würzburg abgewiesen worden und habe weibliche Gäste belästigt. Ein Türsteher habe ihm daraufhin "mehrere Ohrfeigen" gegeben.
Das Geschehen habe sich dann zum Haugerkirchplatz verlagert. Dort sei der Angeklagte vom getöteten 28-Jährigen zum Gehen aufgefordert worden und habe "völlig unvermittelt" mit einem Messer zugestochen.
Wie beschreiben die Verteidiger vor Gericht den Ablauf der Tat am Haugerkirchplatz?
Dem Angeklagten tue es "unendlich leid", dass er drei Männer mit einem Messer verletzt habe, teilten die Verteidiger mit. Er habe sich jedoch verteidigt: Ein Türsteher habe unvermittelt auf ihn eingeprügelt, nachdem er Frauen angesprochen hatte. Anschließend sei bei einem Tumult erneut auf ihn eingeprügelt worden. "Ich hatte panische Angst", ließ der Angeklagte mitteilen.
Welche Beweise liegen am Landgericht Würzburg bisher zu dem Messerangriff vor?
Es gibt Videos vom Tattag und von der Festnahme. Ein Zeuge sagt darin, dass der Angeklagte vor seinen Messerstichen zu Boden gegangen sei. Dieser Zeuge hat bisher noch nicht vor Gericht ausgesagt. In einem anderen Video sagt eine der beteiligten Frauen, dass sie jemanden "geschubst" habe.
Andere Zeugen bestätigen in Videos die Version der Anklage. Die Videos von der Festnahme in der Würzburger Rotkreuzklinik belegen: Der Angeklagte war am Kopf verletzt. Eine Krankenschwester hatte die Polizei auf seine Bitte hin gerufen.
Was ist über die Rolle des getöteten 28-Jährigen bekannt?
Ob der 28-Jährige vor der Tat schlichtend auf den Angeklagten eingewirkt, oder dessen angebliche Notwehr-Situation verschärft hat, ist offen. Er wurde im Prozess bisher als zwanghaft hilfsbereit und teilweise aufbrausend beschrieben. Offenbar hatte er einen Hang dazu, sich schlichtend in fremde Konflikte einzumischen.
Ein bisher einziger Augenzeuge hat zudem angegeben, vor den Stichen Schlagbewegungen des 28-Jährigen gesehen zu haben.
Wie haben Augenzeugen die Ereignisse vor den Messerstichen am Haugerkirchplatz beschrieben?
Hauptbelastungszeugin könnte eine junge Frau sein, die sowohl mit dem Getöteten als auch mit der Familie des Angeklagten befreundet war. Sie will direkt hinter dem Opfer gestanden haben, als der Angeklagte zustach, habe die Geschehnisse davor jedoch nicht mitbekommen. Ihr zufolge hatte der Getötete den Angeklagten vor den Stichen schlichtend zum Gehen aufgefordert.
Zwei Begleiter des Angeklagten haben ausgesagt, dass die Aggression von den angesprochenen Frauen ausgegangen sei. Einer von ihnen bestätigt, dass der Türsteher den Angeklagten geschlagen habe und dass der Angeklagte danach am Kreisverkehr verprügelt worden sei.
Der zweite Begleiter sagt, dass er am Kreisverkehr einen Tumult gegen den Angeklagten gesehen habe. Er war anschließend selbst durch einen Stich verletzt worden, kann sich an den genauen Hergang jedoch nicht mehr erinnern.
Warum steht jetzt ein Türsteher des Würzburger Clubs Studio im Fokus?
Die Ex-Freundin des Getöteten hatte über den Türsteher ausgesagt, der am Konflikt möglicherweise beteiligt war. Der Mann war demnach mit ihr und dem Getöteten befreundet. In der Vergangenheit soll er mit Kumpanen einen Mann angegriffen haben, der seine Freundin belästigt habe. Direkt nach der Tatnacht soll der Türsteher laut Ex-Freundin gesagt haben, von dem Konflikt nichts mitbekommen zu haben. Seine Aussage steht noch aus.
Wie hatten die Studio-Leute die Tatnacht bisher beschrieben?
Am Abend nach der Tat hatte ein Türsteher gegenüber der Redaktion erklärt, dass der Angeklagte bereits gegen 2.30 Uhr den Club Studio in Würzburg besuchen wollte und die Türsteher ihm wegen eines "Bauchgefühls" den Zutritt verwehrt hätten. Gegen 5.15 Uhr sei er wiedergekommen und habe Frauen angepöbelt. Die Türsteher hätten ihn zum Gehen aufgefordert, der 22-Jährige sei in Richtung Kreisverkehr am Haugerkirchplatz gegangen.
Zwei Türsteher gaben damals an, dass der 22-Jährige dort unvermittelt eine Frau angegriffen und ihr ins Gesicht geschlagen habe. Passanten und Gäste des Studios seien zur Hilfe geeilt und hätten versucht, ihn von der Frau wegzuziehen. Sie hätten beobachtet, wie der 22-Jährige ein Messer gezückt und drei Personen mit Stichen und Schnitten verletzt habe. Anschließend sei er geflohen.
Hat die Beweisaufnahme diese Darstellung bisher bestätigt?
Dass der Angeklagte im Vorfeld der Tat in den Club Studio gehen wollte, war im Prozess bislang kein Thema. Seine beiden Begleiter haben ausgesagt, im Studio gewesen zu sein. Ob der Angeklagte im Club war, wurde bislang nicht erörtert.
In der Anklage findet sich kein Hinweis darauf, dass der 22-Jährige eine Frau geschlagen habe. Bislang gab es auch keine derartigen Augenzeugenberichte im Prozess. Die Aussagen der Türsteher stehen allerdings noch aus.
Wie beurteilt das Gericht bisher die Zeugenaussagen?
"Der Ausgang dieses Verfahrens ist komplett offen", sagte der Vorsitzende Richter Thomas Schuster zu Prozessbeginn. Er kritisierte, dass ein "erheblicher Austausch" zwischen Zeuginnen und Zeugen geherrscht habe. Alle Zeuginnen und Zeugen wurden daher in ihrer Vernehmung gefragt, mit wem und wie sie über die Tatnacht gesprochen haben.
Auffällig ist, dass vor Gericht mehrere Befragte von früheren Aussagen abwichen. Sie erklärten das mit dem Schockzustand nach der Tat.
Der Prozess wird am Donnerstag, 13. Juni, um 8 Uhr fortgesetzt.
Geschehen ab, bei dem aktuell NIEMAND, weder die Polizei noch die Justiz genau weiß, wer was wann wie getan hat und wer wann wo wie auf wen reagiert hat. Halten Sie sich doch einfach mal zurück, bis das klar ist. Erst dann, wenn man die Fakten ermittelt hat, kann man die Fakten auch bewerten.