
Seit Oktober hat die WVV eine Dreier-Spitze: Dörte Schulte-Derne (44 Jahre) kümmert sich und Energie und Kundenmanagement, Ralf Willrett (54) um Mobilität und die Bäder und Armin Lewetz (59) um Technik und Immobilien. Im Gespräch mit den neuen Führungskräften geht es um die Kosten und den Nutzen der Investitionen in Energie- und Mobilitätswende, um politische Veränderungen in Berlin und Würzburg und nicht zuletzt um die Frage, warum Großprojekte so lange dauern.
Dörte Schulte-Derne: Wir haben jetzt eine breitere Spitze und eine flachere Hierarchie im Konzern. Dadurch arbeiten wir drei viel intensiver in unseren jeweiligen Bereichen. Wenn wir Energie- und Mobilitätswende gemeinsam mit der Kommune zügig zum Erfolg führen wollen, ist das anders nicht zu schaffen.
Schulte-Derne: Wir alle zusammen. Denn wir sind eine gleichberechtigte Geschäftsführung, in der jeder sein Ressort gestalten kann. Die wichtigen Entscheidungen müssen wir einstimmig treffen. Wir haben bewusst keinen Vorsitzenden. Ich bin Sprecherin, was wichtig für Situationen ist, in denen schnell ein Ansprechpartner gebraucht wird.
Ralf Willrett: Um die im bayerischen Klimaschutzgesetz bis 2040 vorgeschriebene CO2-Neutralität von Würzburg hinzubekommen, müssen wir parallel an beiden Themen arbeiten. Wir wollen die Infrastruktur für Bürgerinnen und Bürger so klug wie möglich und klimapolitisch sinnvoller gestalten.

Armin Lewetz: Die Wärmepumpe am Auslauf des Klärwerks wird eines der ersten Projekte sein, einfach weil hier die Wirtschaftlichkeit am größten ist. Parallel beginnen wir in der Umgebung das Fernwärmenetz auszubauen. Über konkrete Summen können wir reden, wenn die Planung steht, die im August 2023 beauftragte kommunale Wärmeleitplanung schließen wir gerade ab. Das Ergebnis ist ein Transformationsplan zur Umsetzung der Wärmewende in den nächsten Jahrzehnten. Allerdings werden die Ausbaupläne jedes Jahr angepasst, denn wir wissen heute nicht, wie die Welt 2040 oder 2050 ausschaut.

Schulte-Derne: Diese Frage muss letztlich die Politik beantworten. Energie- und Wärmewende dienen nicht nur dem Klima, sondern schaffen auch eine neue regionale Wertschöpfung. Zum Beispiel finanzieren Würzburgerinnen und Würzburger momentan mit jährlich dreistelligen Millionenbeträgen für Gas und Öl Staaten, die nicht immer lupenreine Demokratien sind. Mit der Wärmewende wird dieses Geld in Arbeitsplätze vor Ort investiert. Gleichzeitig minimieren sich Abhängigkeiten.
Willrett: Wir werden in der Wärmewende niemanden alleine lassen, sondern bieten auch Lösungen für Bürgerinnen und Bürger an, die keinen Fernwärmeanschluss bekommen können.
Lewetz: Kleinere PV-Anlagen auf anderen Trinkwasserhochbehältern oder Pumpwerken gibt es schon länger. Aber wir vertreiben auch viele kleine private Balkonkraftwerke. Mittlerweile haben wir im Versorgungsgebiet eine Einspeisung um die 90 Megawatt PV-Leistung im Jahr. Dreimal so viel wie 2014. Weitere größere PV-Anlagen sind im Stadtgebiet in Absprache mit Investoren in Prüfung.
Schulte-Derne: Dass Stadtwerke alles selbst besitzen müssen, ist ein veraltetes Bild. Aufgrund des hohen Bedarfs an Kapital für die Energie- und Verkehrswende wird das in ganz Deutschland nicht mehr funktionieren. Unsere neue Rolle sehen wir darin, als Dienstleister und Vermarkter die Energiewende zu gestalten. Wir helfen Investoren, PV-Anlagen zu errichten, stellen notwendige Netze zur Verfügung und vermarkten den Strom.
Willrett: Heutzutage baut man unter sehr komplexen Rahmenbedingungen. Dazu gehören zum Beispiel die zeitaufwändige Sicherstellung der Fördermittel und komplexe Erfordernisse der Planfeststellung bis zu naturschutzrechtlichen Fragen, die man lösen muss. Auch das Fachpersonal zur Vorbereitung solcher Großprojekte ist knapp. Bei der Verlängerung der Strecke in Grombühl kommt die sehr komplizierte Verzahnung mit dem laufenden Betrieb der Universitätsklinik dazu. Leider machen auch Änderungen der Rechtsvorschriften immer wieder Anpassungen der Planungen erforderlich. Wir streben trotzdem an, mit beiden Straßenbahnlinien um das Jahr 2030 in Betrieb zu gehen.
Schulte-Derne: Wir verstehen den Ärger der Bürgerinnen und Bürger und sind selbst manchmal frustriert, dass es nicht schneller vorangeht. Auch unsere Mitarbeiter beeinflusst das. Aber die Regulatorik hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Immer wieder müssen wir Projekte aufschieben, weil neue Vorgaben des Gesetzgebers unsere Kräfte binden.

Schulte-Derne: Zum Beispiel ist die 2023 eingeführte Preisbremse in der Energiekrise eine sehr gute Idee, aber kompliziert umzusetzen. Für uns bedeutet das einen hohen Mehraufwand bei der Programmierung zur Berechnung von Strom- und Gasrechnungen. Ähnliches gilt für das Deutschlandticket. Insbesondere Mitarbeitende aus dem Controlling, Abrechnungswesen oder Kundenservice sind noch immer durch diese Vorhaben gebunden und stehen für andere Projekte nicht zur Verfügung. Das führt bei uns, wie bei allen Wettbewerbern, zur Verlangsamung der Energiewende.
Schulte-Derne: Der Gesetzgeber könnte durch einfachere und klarere Vorgaben unseren Verwaltungsaufwand reduzieren. Wir üben zum Beispiel aktuell die Nachhaltigkeitsberichterstattung ein, die 2025 verpflichtend wird. Auch das wird unglaublich viele Kräfte für das Sammeln und Aufbereiten von Daten binden.
Willrett: Das gilt auch für die ÖPNV-Finanzierung. Wir hängen an vielen Förderprogrammen und schreiben mit riesigem Aufwand Anträge. Mit einer zuverlässigen Grundfinanzierung des kommunalen ÖPNV durch Bund und Länder wäre das einfacher.
Lewetz: Wir gehen nicht davon aus, dass sich die grundsätzliche Ausrichtung verändert. Die Energie- und Verkehrswende, also die Transformation, sind politisch und gesellschaftlich gewollt. Vorgaben werden sich geopolitischen Veränderungen und nationalen Entwicklungen anpassen.
Schulte-Derne: Unsere Strategie verfolgt die Dimensionen Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit sowie Akzeptanz und Teilhabe der Betroffenen. Wir sind sicher, dass wir weiterhin erfolgreich die Infrastruktur in und um Würzburg verantworten und erfolgreich weiterentwickeln.
Willrett: Die großen Treiber der Veränderungen, zum Beispiel Klimawandel, Digitalisierung und Fachkräftemangel bestehen unabhängig von der Zusammensetzung von Parlamenten und müssen gesamtgesellschaftlich bewältigt werden. Unser Ziel ist unter den jeweils gegebenen Rahmenbedingungen die für Stadt und ihre Menschen besten Lösungen zu erarbeiten.
Schulte-Derne: Natürlich können sich nun einige Aspekte in der inhaltlichen Zusammenarbeit mit der Kommune verändern. Aber wir gehen fest davon aus, dass Würzburg eine Stadt bleibt, in der man sachlich diskutieren und sehr gescheit miteinander umgehen kann. Das ist die Erfahrung, die wir bisher machen durften.