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Würzburg
Abschieds-Interview mit WVV-Chef Schäfer: "Ich hätte die Linie 6 schon gerne noch eröffnet"
Thomas Schäfer hört nach fast 20 Jahren als Chef des städtischen WVV-Konzerns auf. Was ist in dieser Zeit passiert und warum einiges nicht? 
Nach 18 Jahren hört WVV-Chef Thomas Schäfer Ende April auf. In seiner Ära hat der städtische Konzern sein Tätigkeitsfeld erweitert.   
Foto: Thomas Obermeier | Nach 18 Jahren hört WVV-Chef Thomas Schäfer Ende April auf. In seiner Ära hat der städtische Konzern sein Tätigkeitsfeld erweitert.   
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 29.04.2024 02:42 Uhr

Fast 20 Jahre lang war Thomas Schäfer Geschäftsführer der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV). In seine Zeit fallen unter anderem die Modernisierung des Heizkraftwerks an der Friedensbrücke, die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED, der Ausbau der Elektromobilität und der Bau des neuen Nautilands. Ende April wird der 61-Jährige auf eigenen Wunsch aufhören. Mit der Redaktion sprach er über große Projekte in seiner Ära und über die Frage, warum diese immer länger dauern.   

Frage: Als Sie vor 18 Jahren angefangen haben, war die Planung von 1,3 Kilometern Straßenbahn-Gleise am Uniklinikum in Grombühl bereits in Gange. Begonnen wurde damit bis heute nicht. Die Kosten haben sich inzwischen auf 53 Millionen Euro verfünffacht. Kann man das noch jemanden erklären? 

Thomas Schäfer: Dieses Projekt ist extrem teuer und extrem kompliziert. Aber ja, der Verlauf ist ein Aberwitz. Schon die Vorarbeiten der Uniklinik haben zu mehreren Jahren Verzögerung geführt. Weiter kostete es viel Zeit, den Bau so zu planen, dass er den Betrieb des Klinikums nicht beeinträchtigt. Zum Beispiel darf weder die Anfahrt der Rettungswagen noch die Funktion hochsensibler medizinischer Geräte gestört werden. Positiv ist, dass sich die Richtlinien verändert haben und wir jetzt die Chance sehen, zusätzliche Bundesfördermittel zu bekommen.

Warum dauern Großprojekte generell heute länger?

Schäfer: Schon die Planungsphase wird immer komplexer. Dann verlangt das Vergaberecht, dass Teilbereiche ausgeschrieben werden – damit auch mittelständische Unternehmen zum Zug kommen - und dass europaweit ausgeschrieben wird. Immer öfter verzögern auch Gerichtsverfahren das Ganze. 

Ist das nur bei uns so kompliziert?

Schäfer: Wie schwer sich Deutschland mit der Beschleunigung der Planfeststellung tut, sieht man am Beispiel der Stromtrassen. Obwohl diese nur durch Felder und Wälder gebaut werden, dauert es zehn Jahre – weil alle Varianten geplant, geprüft und dokumentiert werden. In anderen Ländern wird das laxer gehandhabt. Je demokratischer, desto komplizierter ist es. 

Wenn man die Planungszeit in Grombühl auf die fünf Kilometer lange Trasse der geplanten Linie 6 ins Hubland hochrechnet, würde der Bau in rund 50 Jahren beginnen ...

Schäfer: Das wohl nicht. Aber es ist schon schwierig zu planen. Wir brauchen zum Beispiel Lärmschutzgutachten für die Maschinen, die nachts arbeiten. Oder müssen nachweisen, dass trotz der neuen Trasse in der Stadt die Anforderungen des Autoverkehrs erfüllt werden. Ich bin aber hoffnungsvoll, dass die Linie 6 gebaut wird. So weit wie jetzt sind wir noch nie gewesen. 

Zu Beginn der Planung ging man von der Fertigstellung der neuen Linie bis 2018 aus. Sind Sie enttäuscht, dass es nicht in Ihrer Zeit geklappt hat? 

Schäfer: Ich fände es schade, wenn die neue Straßenbahn nicht kommen würde, weil sie ein großer Vorteil für diese Stadt wäre. Und ja, ich hätte sie schon auch gerne eröffnet. Aber man muss den Nachfolgern ja auch etwas lassen.

Auch die 18 neuen Straßenbahnzüge, die 2018 bestellt wurden und eigentlich 2022 kommen sollten, verspäten sich. 

Schäfer: Zwei Jahre Lieferverzögerung sind inzwischen Standard. Aber Ende dieses Jahres sollten die ersten beiden neuen Fahrzeuge bei uns ankommen. Dann werden einige Monate lang Praxistest wie Bergfahrten, Begegnungsverkehr oder Bremsen gemacht, bis die Fahrgäste einsteigen dürfen. 2027 sollen alle 18 Straßenbahnen in Betrieb sein.     

Sie wollten Carsharing ausbauen und Elektrobusse einführen. Hat das geklappt?

Schäfer: Beim Carsharing ist die Zahl der Nutzer seit 2017 von 500 auf 4300 gestiegen. Das ist für eine Stadt wie Würzburg schon ganz ordentlich. Die Umstellung auf Elektrobusse läuft auch. In den vergangenen drei Jahren haben wir ausgemusterte Dieselbusse mit 16 E-Fahrzeugen ersetzt.

In Ihre Zeit fallen die Auswirkungen der Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte, die Coronajahre sowie die Energiekrise, Mobilitätswende und Wärmeleitplanung. Wie hat sich der Konzern am stärksten verändert?

Schäfer: Unser Tätigkeitsfeld ist viel breiter geworden. 2012 haben wir die städtischen Bäder übernommen und sind inzwischen noch mehr als Dienstleister tätig. Uns gehört eine Reinigungsfirma mit 200 Mitarbeitern, wir bewirtschaften deutschlandweit Parkraum und sind im Immobiliengeschäft tätig – zum Beispiel mit dem Bau von Skyline Hill Center im Hubland. Von 250 Millionen Euro im Jahr 2006 hat sich der Umsatz auf 1,2 Milliarden vergrößert.

Was würden Sie rückblickend anders machen?

Schäfer: Im Nachhinein fände ich es sinnvoller, Zeithorizonte bei großen Projekten realistischer anzugeben. Ständige Verzögerungen frustrieren intern und die Öffentlichkeit. 

Dann realistisch: Wird Würzburg, wie vom Stadtrat beschlossen, bis 2040 klimaneutral heizen?

Schäfer: Wir sind für die Wärmewende wirklich gut aufgestellt. Einerseits, weil durch Investitionen der vergangenen Jahre das Heizkraftwerk an der Friedensbrücke sehr effizient arbeitet. Andererseits, weil wir ein Fernwärmenetz haben, das wir ausbauen können.  Was allerdings heißt, dass sehr viele Straßen aufgegraben werden müssen. Gleichzeitig müssen neue Wärmequellen wie Geothermie oder Main- und Abwasser dazu kommen. Das bis 2040 zu schaffen ist keine einfache Zielsetzung und setzt hohes Engagement, Toleranz und Kooperation aller Beteiligten voraus.

Welche Herausforderungen stellen sich der neuen Geschäftsführung sonst noch?

Schäfer: Um Verkehrs- und Wärmewende umzusetzen, braucht die WVV mehr Personal und große Investitionen. Wir müssen also Menschen überzeugen, bei uns mitzuarbeiten, und die Politik, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. 

WWV-Konzern

Die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH versorgt die Stadt und Randgemeinden mit Strom, Gas, Fernwärme und Trinkwasser. Der hundertprozentigen Tochter der Stadt gehören Busse und Straßenbahnen sowie einige Dienstleistungsgesellschaften. 1690 Mitarbeitende haben 2022 einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro erwirtschaftet.  Thomas Schäfer begann 2006 als einer von zwei Geschäftsführern, ab 2011 stand er alleine an der Spitze.
Nachdem 2022 entschieden wurde, dass künftig ein Dreier-Team den Konzern leiten soll, stiegen Dörte Schulte-Derne, Geschäftsführerin Energie, und Ralf Willrett, Geschäftsführer Mobilität ein. Doch wenn Schäfer Ende April ausscheidet, bleibt sein Posten unbesetzt. Denn der Stadtrat stimmte im Januar dem vom WVV-Aufsichtsrat vorgeschlagenen Nachfolger nicht zu.
Deshalb sollen Schulter-Derne und Willrett bis auf Weiteres gleichberechtigt den Konzern leiten und in den nächsten Monaten Vorschläge zur weiteren Vorgehensweise erarbeiten.  
Quelle: gam

In der früheren Version dieses Interviews stand 2045 als Termin für klimaneutrales Heizen in der Stadt. 2022 hat der Stadtrat das Ziel auf 2040 vorgezogen.

 
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Kommentare
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  • Roland Rösch
    Bei der Frage Fertigstellung der Linie 6 Herr Schäfer würde ich eher sagen hoffentlich erlebe ich das überhaupt noch. In den Artikel sieht man auch was durch unsere Bürokratie für große Schäden entstanden sind und weiter entstehen. Stillstand.kosten auf kosten für Bund und Land für nix.
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  • Günter Lutz
    Wie ist der Planungsstatus zur Linie 6? Wir haben lange nichts mehr gehört @Mainpost. Oder versucht die Stadt hier Gras über das Thema wachsen zu lassen?
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  • Manuela Göbel
    Sehr geehrter Herr Lutz, vielen Dank für Ihren Beitrag und das Interesse an unserer Berichterstattung. Wir werden demnächst wieder über die Planung der Linie 6 berichten. Mit freundlichen Grüßen Manuela Göbel
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