
Unterfrankens Schulen bereiten sich auf die Aufnahme ukrainischer Kinder vor. Gregor von Papp etwa, Rektor der Zellerauer Mittelschule in Würzburg, hat seinem Schulamt schon seine Bereitschaft zur Aufnahme signalisiert. "Wir haben genug Räume, wir haben Erfahrung", sagt er. Von Papp selbst hat als Lehrer der Würzburger Mönchbergschule während der ersten großen Flüchtlingswelle 2015/16 geflüchtete Kinder unterrichtet. Seit 2018 begleitet er als Rektor der Zellerauer Mittelschule zahlreiche Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund.
Aber wie unterrichtet man Kinder, die von heute auf morgen aus ihrem Zuhause fliehen mussten, sich plötzlich in einem fremden Land wiederfinden und kein Wort Deutsch sprechen? "Wichtig ist die Haltung", sagt von Papp. "Wir brauchen eine Haltung des Willkommenheißens." So könne etwa ein Plakat auf Ukrainisch im Eingangsbereich der Schule den neuen Kindern signalisieren, dass man sich auf sie freue.
Russischsprachige Schüler der Zellerauer Mittelschule wollen helfen
"Wir haben auch einige ukrainische Schüler, die uns als Vermittler helfen können", ergänzt von Papp. Gerade sie könnten den Neuen in den ersten Tagen etwa den Klassenraum, den Computerraum und – ganz wichtig – die Toiletten zeigen.
Auch russischsprachige Schüler der Zellerauer Mittelschule – Russisch ist vielen ukrainischen Kindern vertraut – haben ihrem Rektor schon erklärt, dass sie helfen wollen. Auf jeden Fall sei ein Tutorensystem für die ersten Tage günstig, erklärt der Rektor. Vielleicht fänden sich ja auch in der Nachbarschaft der Schule Menschen mit ukrainischen Wurzeln, die als Sprachvermittler einspringen könnten.
Gerade wenn Kinder ohne jegliche Deutschkenntnisse kommen, ist es von Papps Erfahrung nach vernünftig, die Kinder für die ersten Wochen in einer Deutschklasse zusammenzuziehen. "Am Anfang hilft es oft, zusammen zu singen", sagt von Papp. Er setzt "einige Wochen" an, um eine "Grundverständigung" zu vermitteln: Begrüßungsformeln, einfache Fragen, einfache Sätze. "Manche Kinder kommen relativ schnell dahin, dass sie in einer regulären Klasse weiterlernen können", sagt er.
Singen, Basteln, Ballspielen, Malen: Das geht auch ohne Deutschkenntnisse
Wie wichtig es für ukrainische Kinder ist, schnell in Schulen oder auch Kitas aufgenommen zu werden, betont Katharina Kitz aus Schweinfurt, die viele Jahre lang als Beraterin für Migration im Raum Schweinfurt tätig war und mittlerweile die Albert-Schweitzer-Grundschule in Schweinfurt leitet.
Kitz hat in diesen Tagen die Verzweiflung einer geflüchteten ukrainischen Mutter mitbekommen, die täglich lange am Handy hing, um ihren Mann in der Ukraine zu erreichen. "Das Kind saß daneben und hat diese Verzweiflung natürlich mitbekommen", erzählt Kitz. "Normalität und Alltag, so weit es eben geht, ist in so einer Situation für Kinder ganz wichtig." Da könne der Schulbesuch helfen.
"Auch Kinder, die noch nicht Deutsch sprechen, kann man gut am Grundschulunterricht beteiligen", sagt sie. Die Kinder könnten malen, ausschneiden, basteln, rätseln, rechnen, Ballspiele machen – dafür brauche man kein Deutsch. Als großen Vorteil wertet es die Schweinfurter Rektorin, dass die ukrainischen Kinder "schulisch sozialisiert" seien und - anders etwa als geflüchtete Kinder aus manchen Gebieten Syriens oder Afghanistans - das Schulsystem als solches kennen.
Planung von Realität überholt: Das erste ukrainische Kind ist in Bad Kissingen schon eingeschult
Wie schnell kann die Schule für ukrainische Flüchtlingskinder in Unterfranken starten? Was das betrifft, hat gerade die Realität die Planung überholt. Während Maria Walter, Leiterin der Abteilung Schulen bei der Regierung von Unterfranken, am Mittwoch noch mitgeteilt hat, dass man dahingehend noch "auf Anweisungen aus München" vom Kultusministerium warte, wurde am Dienstag in der Bad Kissinger Sinnberg-Grundschule schon der erste ukrainische Schüler aufgenommen.
"Die Familie war am Montag mit ihrem Übersetzer da, es wurden Anmeldung und Einweisung gemacht und seit Dienstag geht der Junge bei uns in den Unterricht", sagt Schulleiterin Marietta Menz.

Dass alle ukrainischen Flüchtlingskinder in Bayern in die Schule gehen können, hat Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) in dieser Woche versichert. Dass auch unterfränkischen Schulen alle Kinder unterbringen können, ist aus Sicht der Regierung von Unterfranken klar. "Wir setzen dabei auf Drittkräfte", sagt Maria Walter von der Abteilung Schulen. Die sogenannten Drittkräfte, die man auch als Aushilfslehrer bezeichnen kann, seien "einschlägig qualifiziert" und bildeten "hinsichtlich möglicher Stundenausweitungen eine wichtige Reserve bei den Grund- und Mittelschulen", teilt Walter mit.
Jörg Nellen: "Sehen es als unsere Pflicht an, den ukrainischen Kindern zu helfen"
Für Unterfrankens Lehrer allerdings liegt der Fall nicht so eindeutig. "Einerseits ist klar, dass wir das schaffen", sagt Jörg Nellen, Geschäftsführer des unterfränkischen Bezirksverbands der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Denn bei der ersten großen Flüchtlingswelle 2015/16 hätten die Lehrer ja auch alles getan, um die Flüchtlingskinder zu integrieren und zu unterrichten und das werde diesmal nicht anders sein.
"Wir Lehrer haben ja ein erzieherisches Ethos und sehen es als unsere Pflicht an, den ukrainischen Kindern zu helfen", sagt Nellen. Und doch ist er zwiegespalten: Einerseits wollten die Lehrer helfen und hätten auch die Kompetenzen dafür, andererseits sei aktuell der Lehrermangel so groß wie nie.
Lehrerverbände: Die Personalnot in den Schulen ist größer als 2015/16
"Seit der Flüchtlingswelle 2015/16 hat sich die Situation an den Schulen deutlich verschlechtert", sagt auch Gerhard Bleß, der Vorsitzende des unterfränkischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. An den Grund-, Mittel- und Förderschulen sei es jetzt schon schwierig, regulären Unterricht zu gewährleisten, weil unterfrankenweit rund 500 Lehrkräfte fehlten.
Spar- und Notmaßnahmen wie etwa die Pflicht einer zusätzlichen Stunde für Grundschullehrer, die Deckelung von Teilzeitarbeitsmöglichkeiten, das Verbot von Sabbatjahren und das Hinausschieben der Pensionsgrenze würden schon seit zwei Jahren angewendet, seien ausgereizt und reichten immer noch nicht aus.
Drittkräfte als Lösung der Personalnot?
Was die von Maria Walter erwähnten Drittkräfte betrifft, die als Reserve in die Schulen gehen könnten, zeigt sich Bleß nicht sehr enthusiastisch. "Die unzureichend oder fachfremd ausgebildete Lehrkräfte, die gerade als Teamlehrer oder Ein-Fach-Fachlehrer im Einsatz sind, lindern zwar die größte Not, sind aber mit einem deutlichen Qualitätsverlust, einer erheblicher Mehrbelastung des Stammpersonals und kaum mehr vorhandener Schulentwicklung bitter erkauft", erklärt er.
Zudem sei der erhebliche Lehrermangel durch die Folgen der Corona-Pandemie noch zusätzlich verschärft worden. Und dennoch sagt Bleß: "Wir werden als Pädagogen alles geben, damit die Flüchtlingskinder positiv in unserer Gesellschaft aufgenommen und in die Schulen integriert werden."