
"Innerhalb von einem Jahr lernen die Kinder sich zu verständigen", sagt Kathrin Sterr, Lehrerin an der Karlstadter Konrad-Querfurt-Mittelschule und Beraterin Migration für die Grund- und Mittelschulen im Landkreis Main-Spessart. "Und die Integration der Kinder aus Syrien und Afghanistan in die Klassenverbände hat überraschend gut geklappt", stellt Marion Ulrich, die Leiterin der Mittelschule, fest. "Aber das Schriftliche, Bildungssprache und abstrakte Begriffe bleiben ein großes Problem. Der Schulabschluss ist eine hohe Hürde."
283 Jungen und Mädchen besuchen die Karlstadter Mittelschule. Sie stammen aus aus 15 verschiedenen Nationen. "Aus arabischen Ländern, aus Kuba, aus Nord- und Südamerika und Europa", so Ulrich. Kinder aus Syrien und Afghanistan werden nicht grundsätzlich anders behandelt als andere Kinder mit Migrationshintergrund. "Deutsch-Förderunterricht gibt es für alle, die ihn nötig haben", sagt Kathrin Sterr. Als zum Schuljahresbeginn 2016 auf einmal 18 Flüchtlingskinder in die Mittelschule kamen, wurde eine Übergangsklasse gebildet, die Sterr leitete. Gleichzeitig wurden die Kinder altersgerecht ihren Stammklassen zugeordnet.
Nur ein Jahr in der Übergangsklasse

"Dann hatten sie mindestens vier Stunden täglich gemeinsamen Unterricht in der Ü-Klasse", so Sterr. "Fächer, die weniger auf Sprache und Wissenserwerb ausgerichtet sind, haben sie in ihrer Stammklasse besucht, zum Beispiel Sport, Musik, Kunst, praktische Fächer", erklärt Marion Ulrich. Derartige Übergangsklassen sind nur für einen höchstens zweijährigen Besuch vorgesehen. "Weil die meisten Kinder, die nach Karlstadt kamen, zuvor schon in Schweinfurt oder Gemünden eine Schule besucht hatten, gab es die Übergangsklasse bei uns nur in diesem einen Schuljahr." Danach waren die Mädchen und Jungen überwiegend in ihrer Stammklasse und erhielten zusätzlichen Deutsch-Förderunterricht.
Viel kleinere Zahlen an Grundschule Wiesenfeld-Karlburg
An der Grundschule Wiesenfeld-Karlburg haben 14 von 130 Jungen und Mädchen einen Migrationshintergrund, dies beinhaltet auch Kinder mit türkischen Wurzeln. "Wir konnten die Flüchtlingskinder altersgerecht einstufen. Ein oder zwei Kinder pro Klasse, das ließ sich in unseren kleinen Klassen mit nicht mehr als 20 Schülern gut verkraften", erklärt Schulleiterin Cornelia Müller. Oft werden die Kinder neben gute Schüler oder Schülerinnen gesetzt, das hilft ihnen. "Außerdem steht uns eine Förderlehrerin zur Verfügung und ich gebe weitere Deutsch-Förderstunden."
Cornelia Müller ist voll des Lobes über die Weiterbildungsangebote für Lehrer. Anfang April findet der Fachtag "Integration durch Bildung" in Marktheidenfeld statt. "Ich freue mich auf die Workshops und Informationen sowie den Austausch mit Kollegen", so Müller.
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Die Notengebung für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen kann aus pädagogischen Gründen teilweise oder komplett ausgesetzt werden. "Wir wollen ja positiv motivieren", so Müller. Für den Übertritt an Gymnasium oder Realschule ist allerdings ein benotetes Zeugnis Voraussetzung. In diesem Jahr kamen acht Erstklässler an die Grundschule. Da sie zum Teil schon Kindergärten in Deutschland besucht haben, stehen ihre Chancen gut.
Große Niveau-Unterschiede
Wichtig ist Müller der Kontakt zu den Eltern. "Da ist uns die von der Stadt Karlstadt bezahlte Dolmetscherin Rafa Wasuf eine große Hilfe." Das bestätigt auch Kathrin Sterr: "Wir sind als Deutsche gewohnt, zur Sache zu kommen und auch Schwächen der Kinder direkt anzusprechen. Frau Wasuf sagte anfangs, es falle ihr schwer, das direkt zu übersetzen, weil dies in ihrer Kultur so nicht üblich sei." Mittlerweile habe sich das eingespielt.
Grundsätzlich ließen sich die Flüchtlingskinder "nicht über einen Kamm scheren", da sind sich die Lehrerinnen einig. Es gebe motivierte und weniger motivierte Kinder, manche kämen aus gebildeten Elternhäusern, seien Schriftsprache und Schulbesuch gewohnt, bei anderen sei das nicht der Fall. "Wir erwarten Leistung, Pünktlichkeit, das Erledigen der Hausaufgaben, eine Meldung von den Eltern im Krankheitsfall. Daran müssen sich einige Kinder und Familien erst gewöhnen, aber es gehört zum Schulbesuch in Deutschland dazu", sagt Marion Ulrich. Cornelia Müller weiß: "Wir Lehrer sind Multiplikatoren und leben auch einen wertschätzenden Umgang miteinander vor."
Zwei Ebenen
Dass Eltern Lehrerinnen nicht respektieren, hätten sie noch nicht erlebt. Über die Vorgeschichte der geflüchteten Kinder wüssten sie in der Regel wenig. "Manchmal löst ein Bild, beispielsweise von einem Boot aus, dass ein Kind über seine Erlebnisse spricht", erzählt Kathrin Sterr. "Da muss man vorsichtig sein, ob ein Gespräch über Traumatisierung vor der ganzen Klasse sinnvoll ist", sagt Müller. Sie vertraue da auch ihrem Bauchgefühl.
Den Lehrerinnen und Lehrern, die Flüchtlingskinder unterrichten, ist bewusst, dass die Kinder vielleicht andere oder größere Probleme als die deutsche Rechtschreibung haben. Trotzdem haben sie keine Noten oder Abschlüsse zu verschenken. "Das gehört zur Bildungsgerechtigkeit", sagt Marion Ulrich. Auf menschlicher Ebene, so scheint es den Lehrerinnen, funktioniert die Integration "manchmal besser als erwartet". Der Schritt ins Berufsleben aber bleibt groß.
Erst drei Jugendliche haben die Mittelschule Karlstadt mit einem Abschluss verlassen. Sie alle besuchen nun die Berufsintegrationsklasse an der Berufsschule Karlstadt. Dort werden sie zwei weitere Jahre auf den Einstieg ins Berufsleben vorbereitet.