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Würzburg
Nach tödlichem Baumunfall im Würzburger Ringpark: "Verunsicherung in der Bevölkerung ist gewachsen"
Die Bäume werden in Würzburg regelmäßig kontrolliert. Dass trotzdem ein tödlicher Unfall passierte, war für die Verantwortlichen schlimm. Klimabürgermeister Heilig gibt Antworten.
Herbstspaziergang im Würzburger Ringpark, wo Mitte September eine Buche umgestürzt ist und eine Frau tödlich verletzt hat.
Foto: Patty Varasano | Herbstspaziergang im Würzburger Ringpark, wo Mitte September eine Buche umgestürzt ist und eine Frau tödlich verletzt hat.
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:41 Uhr

Dass am 18. September eine 59 Jahre alte Radfahrerin im Würzburger Ringpark von einem umstürzenden Baum erschlagen wurde, wirft Fragen auf: Kontrolliert die Stadt ihre Bäume ausreichend? Was kann man sonst noch tun, um solche Unglücke zu verhindern? Im Interview gibt Umwelt- und Klimareferent Martin Heilig Antworten.

Der Baum ist an einem windstillen Tag umgefallen. Wie sicher ist es, durch den Ringpark zu gehen? 

Martin Heilig: Der Unfall war furchtbar tragisch. Aber er ist bislang der einzige seiner Art im Ringpark gewesen. Dort durchzulaufen ist sicher weniger gefährlich, als eine Straße zu queren. Aber ein Park ist Natur und das bedeutet, nie ganz ohne Gefahr. Ich gehe mit einem guten Gefühl durch den Park, da wir alles Mögliche für die Sicherheit tun.

Wie wird die Standfestigkeit von Bäumen kontrolliert?

Heilig: Vier Mitarbeiter im Gartenamt kontrollieren unsere Bäume in Parks und am Straßenrand einmal im Jahr, gesetzlich vorgeschrieben ist die Sichtkontrolle zur Verkehrssicherheitspflicht alle eineinhalb Jahre. Sie schauen sich Krone, Stamm und Wurzeln an. Werden Schäden entdeckt, untersucht man den Baum genauer. Auch mit externen Sachverständigen, die zum Beispiel Zugversuche machen. Dabei wird mit einem Seil ein geringer, unschädlicher Zug ausgeübt und die dadurch entstehende Dehnung und Neigung gemessen. Daraus lässt sich die Standsicherheit des Baums abschätzen.

Bei der im Ringpark umgestürzten Buche war bei der Kontrolle ein Pilzbefall festgestellt worden, der die Standfestigkeit beeinträchtigen kann. Warum wurde sie nicht gesichert oder gefällt?

Heilig: Weil es zum Zeitpunkt der Kontrolle keine Anhaltspunkte dafür gab, dass das nötig war. Das hatte ein Sachverständiger bestätigt. Ob ein Baum wegen der Verkehrssicherheit gefällt werden muss oder nicht, ist keine leichte Entscheidung. Nicht jeder Baum, der krank ist, fällt zwangsläufig um oder stirbt. Manche Bäume leben damit noch viele Jahre oder werden nach einer Behandlung wieder gesund.

Martin Heilig ist Bayerns erster Klimabürgermeister. 
Foto: Johannes Kiefer | Martin Heilig ist Bayerns erster Klimabürgermeister. 
Ihre Mitarbeiter, die diese Entscheidung treffen müssen, tragen viel Verantwortung. In Augsburg musste sich ein Bauminspektor wegen eines tödlichen Unfalls vor Gericht verantworten und wurde kürzlich freigesprochen. Wie ging es Ihren Mitarbeitern nach dem Unfall? Die Ermittlungen der Staatsanwalt Würzburg gegen Unbekannt wegen fahrlässiger Tötung laufen noch.

Heilig: Das war eine ganz dramatische Situation und für diese sehr verantwortlich tätigen Mitarbeiter wirklich ein traumatisches Erlebnis.

Wie haben die Menschen in Würzburg auf den Unfall reagiert? Bislang übten Bürgerinnen und Bürger häufig Kritik, wenn die Stadt Bäume umhauen ließ. Fordern sie jetzt mehr Fällungen?

Heilig: Die Verunsicherung der Bevölkerung ist gewachsen. Wir bekommen mehr Hinweise auf Bäume, die vermeintlich nicht mehr sicher stehen, auch in den Gärten von Nachbarn.

Das Problem wird in Zukunft wohl noch größer werden. Immer mehr Bäume erkranken aufgrund der Trockenheit. Bis vor 13 Jahren wurden jährlich rund 50 Bäume wegen der Verkehrssicherheit in der Stadt gefällt, seitdem ist diese Zahl auf bis zu 400 bis 500 im Jahr gestiegen. Kann man da etwas tun? 

Heilig: Wir müssen etwas tun, denn wir brauchen Bäume in der Innenstadt, um mit den steigenden Temperaturen fertig zu werden. Deshalb suchen wir zum einen nach trockenresistenten Baumarten, die besser mit Trockenheit und Hitze klarkommen, und zum anderen nach neuen Standorten, wo Bäume genug Platz für ihre Wurzeln haben und viel Wasser bekommen. Gleichzeitig investiert die Stadt immer mehr in die Baumpflege. Wir haben jetzt acht Mitarbeiter in der Baumkolonne und zusätzlich 900.000 Euro für externe Pflegemaßnahmen ausgeben, mehr als doppelt so viel wie 2020. 

Könnte man nicht auch mehr gießen?

Heilig: Rund 40 Mitarbeiter gießen im Sommer Hecken, Beete und junge Bäume. Aber langfristig werden wir eher weniger als mehr Personal haben und alle rund 45.000 Bäume in Parks und an Straßenrändern kann man nicht gießen. Auch das Wasser dafür wäre irgendwann knapp. Für den Ringpark probieren wir ja jetzt ein Pilotprojekt mit automatisierter Bewässerung aus. Des Weiteren versuchen wir, Baumgruben mit Niederschlagswasser zu versorgen. Allerdings ist der Umbau zu einer Schwammstadt, bei der Regen nicht in die Kanalisation läuft, sondern versickert, aufwändig und teuer.

Die Stadt Münster in Nordrhein-Westfalen hat im Sommer 1000-Liter-Wassertanks an 60 Stellen der Innenstadt aufgestellt, aus denen Bürgerinnen und Bürger rund 600 Bäume wässern. Eine gute Aktion?

Heilig: Prinzipiell ist es immer interessant sich anzuschauen, was andere für Ideen haben. Allerdings ist der Aufwand für solche Tanks schon groß und die Frage ist, wie zuverlässig dann gegossen wird.   

 
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Kommentare
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  • Silke Müller
    Ich gebe Herrn Heilig recht. Auch ich fühle mich im Ringpark sicherer als auf der Straße. Und: so dramatisch der Unfall ist, es gibt keine 100prozentige Sicherheit.
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  • Dominik Temming
    Kompliment an Patty Varasano. Das Titelbild ist mal richtig nice. Die natürliche Vignettierung, der ältere Herr im Goldenen Schnitt, die Kontraste. Wirklich 10/10!
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  • Jo Schmitt
    Achtung! Sarkasmus!

    Alles einebnen, betonieren und bunt anstreichen! Reicht doch, oder?
    -- Ach ich vergaß! Beton trägt halt nicht zum Schutz - oder gar der Verbesserung - der klimatischen Verhältnisse bei.

    Klimaanpassungsmaßnahmen sind im Würzburger Talkessel, in der Stadt, in der (engen) Bebauung und dort vor allem an den durch wissenschaftliche Untersuchungen ermittelten "Hotspots" im Stadtgebiet unausweichlich. Wer immer noch davon träumt keine Änderungen am status quo vornehmen zu müssen, der irrt. Gewaltig. Bestes Beispiel ist die - mit Verlaub - Jammerei zu den Parkplätzen am Bruderhof und in der (äußeren Plattnerstraße). Bestes Beispiel aller Zeiten. Den Personenkreis, der da protestiert, frage ich: Wo wohnen Sie? Ach! Draußen ... Außerhalb der Innenstadt! Schön für Sie!

    Ich gestehe, daß ich da wütend werde im Sinne eines Stephane Hessel: Empört euch!
    https://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A9phane_Hessel
    https://de.wikipedia.org/wiki/Emp%C3%B6rt_Euch!
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  • Barbara Fersch
    man kann nicht giessen, zu wenig Personal, dann sollte das Personal das vorhanden ist, kranke, geschädigte Bäume fällen!! Früher oder später werden sie abbrechen oder umstürzen. Menschenleben sollte wertvoller sein !
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  • Heinrich Höllerl
    Würzburg ist eine der heißesten Städte in Deutschland. Jeder Baum ist wichtig zur Kühlung. Wir werden in Zukunft noch viel mehr davon brauchen. Das sollte Ihnen das Leben der Menschen schon wert sein!
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  • Anton Müller
    Sie haben den Artikel aber schon gelesen, oder? Der Baum wurde jährlich begutachtet (Vorschrift ist 1,5 jährlich) und ein Sachverständiger hat grünes Licht gegeben. Warum sollte der Baum dann gefällt werden? Das war ein tragischer Unfall und beispiellos in der Ringparkgeschichte. Es gibt keine 100%ige Sicherheit! Und die Aussage von Hr. Heilig trifft sicher zu, dass der Weg zum Ringpark gefährlicher ist, als ein Spaziergang durch selbigen...
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