SuedLink polarisiert, gerade auch in Unterfranken. Auf rund 700 Kilometern Länge soll die Trasse Windstrom von der Nordsee in die Industriezentren in Bayern und Baden-Württemberg transportieren. Bundesweit war das Projekt von Beginn an höchst umstritten. "Ich glaube, wir wollen alle die Energiewende", sagt Werner Götz, Vorsitzender der Geschäftsführung der TransnetBW, die den SuedLink als Übertragungsnetzbetreiber gemeinsam mit Tennet plant und baut. "Wir sind uns aber relativ uneinig darüber, wie wir sie umsetzen." Ein Gespräch über kritische Bauchgefühle der Bevölkerung, Befürchtungen der Landwirte und die Frage, wie grün die Stromautobahn wirklich ist.
Frage: Für die Energiewende soll die Trasse ein Meilenstein sein. Kritiker bezweifeln hingegen, dass das Milliardenprojekt unumgänglich ist. Braucht es SuedLink?
Werner Götz: Ja, absolut. Zu dieser Feststellung sind wir bereits 2012, das war das Geburtsjahr von SuedLink, gekommen. Seitdem haben wir den Bedarf turnusmäßig alle zwei Jahre überprüft, immer mit dem gleichen Ergebnis. Nur: Die Öffentlichkeit überzeugt das nicht. Argumente wie "ich habe doch meine Photovoltaikanlage auf dem Dach" oder "wir haben ein lokales, dezentrales Energieversorgungskonzept" ziehen einfach mehr. Das persönliche Bauchgefühl, ich bin betroffen und ich möchte das nicht, kann man argumentativ kaum entkräften.
Wie wurde nachgewiesen, dass das Projekt für die Energiewende unverzichtbar ist?
Götz: Netzplanung ist ein Prozess, der bundesweit koordiniert wird und nicht von uns erdacht wurde. Es geht beim Netzentwicklungsplan darum, den künftigen Bedarf, aktuell für das Jahr 2030, zu ermitteln. Ziel ist dabei ein Netz ohne Engpässe bei der Stromübertragung. Wir Netzbetreiber fragen uns, was brauchen wir auf Basis der politischen Ziele – etwa 65 Prozent der Kapazitäten aus erneuerbaren Energien gewinnen zu wollen – um mit intelligenten Maßnahmen, neuen Technologien und Netzausbau versorgungssicher dazustehen? So haben wir zum Beispiel die Versorgungssituation für Bayern und Baden-Württemberg hochgerechnet. Die Kurven zeigen sehr eindrücklich, dass wir uns mit der dezentralen Versorgungskapazität eben nicht rund um die Uhr versorgen könnten. Es gibt gerade in Bayern viele Stunden, in denen die lokal erzeugte Energiemenge ausreichend ist – aber eben auch viele, in denen sie nicht genügt. Dann brauchen wir auch dort die Versorgung über das Netz.
Warum reicht dafür das bestehende Netz nicht aus?
Götz: Weil die Erzeugung nicht mehr in der Region in einem konventionellen Kraftwerk stattfindet, sondern an der Nordsee, Ostsee, in den windstarken Gegenden. Das heißt, ich muss die Energie irgendwie dahin bringen, wo sie benötigt wird. Und das ist eben in Bayern und Baden-Württemberg.
Genutzt werden sollen dafür Erdkabel, ursprünglich mit einer Spannungsebene von 320 Kilovolt (kV). Im Frühjahr hieß es, es könnten auch leistungsstärkere Kabel mit 525 kV eingesetzt werden.
Götz: Wir haben eine Testreihe in Mannheim und Schweden durchgeführt, um zu prüfen, ob die 525-kV- Kabeltechnik marktreif ist. Drei Lieferanten haben diese Tests bislang bereits erfolgreich durchlaufen. Aktuell ist noch offen, welche Kabel wir nehmen – die Wahrscheinlichkeit ist aber hoch, dass die 525-kV-Kabel eingesetzt werden.
Würde das den Verlauf der Trasse verändern?
Götz: Nein, das hat keinen Einfluss auf den Verlauf der Trasse, aber unter Umständen auf die Trassenbreite. Wenn wir die 525-kV-Technik einsetzen könnten, würde sich die benötigte Anzahl an Gräben verringern.
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Wie konkret ist bei so vielen Fragezeichen die Schätzung der Investitionskosten von zehn Milliarden Euro?
Götz: Die Schätzung ist zunächst eine Schätzung. Ihr zugrunde liegt die 320kV-Kabel-Technologie, der erste eingereichte Trassenkorridor und die von uns erwarteten Marktpreise. Da ist noch Varianz enthalten. Ich gehe zum Beispiel davon aus, dass wir deutliche Einspareffekte bekommen, wenn wir von 320 auf 525kV gehen. Und auch der Verlauf hat Einfluss auf die Kosten: Wir rechnen mit etwa vier Millionen Euro pro Kilometer Trassenführung. Das heißt, wenn sich die Route um nur zehn Kilometer verlängert, ergeben sich rund 40 Millionen mehr Investitionsbedarf.
Und welche Folgen haben die Kabel für die Landwirtschaft?
Götz: Die Landwirte fürchten, dass das Einbringen der Erdkabel Einfluss auf die Bodenqualität und den Ernteerfolg hat – etwa durch Bodenerwärmung oder Drainagewirkungen. Da wir etwa 60 Watt pro Meter Abwärme in einer Tiefe von rund 1,80 Metern haben, sehen wir das nicht als Problem. Die Drainagewirkung hingegen muss man sehr ernst nehmen. Wenn man die Bodenschichten aushebt und nicht in der gleichen Abschichtung wieder einbringt, kann es solche Effekte geben. Wir glauben aber, dass das gut handhabbar ist: Indem wir aufpassen, dass der Erdaushub in der ursprünglichen Schichtung zurückkommt.
Das setzt viel Vertrauen bei den Landwirten voraus. Grundsätzlich hat man aber derzeit das Gefühl, die Energiewende bekommt reichlich Gegenwind: Alle wollen grünen Strom, aber keine Trasse vor der Haustür, keine Windräder neben dem Grundstück. Müssen Sie Ihr Marketing verbessern?
Götz: Ich glaube, wir wollen alle die Energiewende. Wir sind uns aber relativ uneinig darüber, wie wir sie umsetzen. Es gibt Bundesländer, in denen herrscht eine hohe Synchronität zwischen der Position der Bundesregierung, der Landesregierung und der Lokalpolitik. Das führt in der Regel dazu, dass der lokal betroffene Bürger gut informiert wird und die Akzeptanz größer ist. Wenn Bund, Land und der lokale Ansprechpartner unterschiedliche Positionen vertreten, führt das beim Bürger hingegen zu Irritationen.
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Ist SuedLink denn das grüne Projekt, als das es beworben wird?
Götz: Ganz klar, ja. Natürlich haben wir keinen Elektronenfilter, der alles, was aus einem Kohle- oder Kernkraftwerk kommt, ausfiltert. Der Strom sucht sich seinen Weg. Wenn man sich aber anschaut, welchen Erzeugungsmix wir 2030 in Schleswig-Holstein haben: Da, wo SuedLink anfängt, da gibt es Wind und sonst fast nichts. Grüner geht’s kaum.
Schon heute wenden Betreiber pro Jahr eineinhalb Milliarden Euro auf, um das Netz zu stabilisieren. Inwieweit spielt das für SuedLink eine Rolle?
Götz: Das ist einer der volkswirtschaftlichen Gründe, warum wir SuedLink bauen. Aktuell haben wir im Norden zahlreiche neu gebaute Anlagen, die Verbrauchszentren liegen aber im Süden. Das führt zu starkem Transportbedarf. Dafür ist das Netz heute jedoch nicht ausgelegt. Es gibt somit einen Flaschenhals in der Mitte, durch den die Energie nicht fließen kann. Gleichzeitig bewegen wir uns auf dem europäischen Energiemarkt und es gibt Handelsverträge, die erfüllt werden müssen. SuedLink wird helfen, weil er die Nord-Süd-Richtung verstärkt. Momentan müssen wir noch, um die Überlastung der Leitung zu verhindern, Stabilisationsmaßnahmen ergreifen, etwa Kraftwerke im Süden zuschalten. Die Rechnung dafür zahlt der deutsche Netzkunde.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass wie geplant 2025 wirklich Strom durch den SuedLink fließt?
Götz: Wir haben sechs Monate durch den Einspruch aus Thüringen verloren, außerdem wird das Planfeststellungsverfahren der Bundesnetzagentur erst 2022 abgeschlossen sein. Wir müssen daher mit 2026 rechnen. Das ist ehrgeizig, aber wir sind optimistisch. Aber jede weitere Verzögerung wird den Inbetriebnahmetermin nach hinten verschieben.
Und danach? Muss der Ausbau nach SuedLink gerade mit Blick auf den europäischen Markt weitergehen oder ist damit erst einmal Ruhe?
Götz: Ich glaube nicht, dass damit Ruhe ist. Die Energiewende ist 2025 nicht abgeschlossen. Wenn man voraus schaut, sehen wir zusätzlichen Ausbaubedarf – europaweit und vor allem auch in Deutschland. Einen abgestimmten europäischen Plan zum Netzausbau gibt es so bisher noch nicht. Aber ich bin überzeugt: Die Energiezukunft ist europäisch.
stellt sich wahrscheinlich erst dann heraus, wenn es in Bayern tatsächlich zu einem Netzzusammenbruch/ größeren Versorgungsstörungen kommt - und diejenigen, die jetzt am meisten dagegen sind, am lautesten schreien, weil der Strom weg ist und die ### Regierung (mal wieder) das Problem ausgesessen hat...
Wer wettet mit?