Seit Oktober kämpft Osaivbie Ekogiawe, Kelvin genannt, darum, in Deutschland bleiben zu dürfen. Der 21-Jährige lebt seit mehr als vier Jahren in Würzburg, hat an der Klara-Oppenheimer-Schule die Mittelschule beendet und eine Pflegeausbildung begonnen.
Nach Behörden und Gerichten entscheidet nun die Politik: Am Mittwoch, 19. April, wird der Fall des gebürtigen Nigerianers im Petitionsausschuss des bayerischen Landtags öffentlich behandelt.
Ekogiawe soll gehen, obwohl er bei seinem Kampf um ein Bleiberecht Solidarität von vielen Seiten bekommt. Von Beginn an setzt sich sein Verein, der SV Heidingsfeld, für ihn ein. Seine Fürsprecher empfinden: Hier läuft grundlegend etwas falsch.
Das deutsche Recht ermöglicht einem gut integrierten, jungen Ausländer, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, über Paragraf 25a des Aufenthaltsgesetzes, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, sofern er die Voraussetzungen dafür erfüllt.
Wegen fehlender Reisepapiere war Kelvin geduldet, als er bei der Ausländerbehörde einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel stellte. Als er sich dafür den Reisepass besorgte und vorlegte, widerrief die Behörde die Duldung und leitete die Abschiebung ein. Der Antrag blieb dagegen lange Zeit unbearbeitet.
Nachdem das Verwaltungsgericht in Würzburg diesem Vorgehen widersprach, bestätigte der Verwaltungsgerichtshof die Ausländerbehörde. Die lehnte im März schließlich Kelvins Antrag ab.
Weil bereits im Oktober eine Petition für Kelvin beim bayerischen Landtag eingereicht wurde. Nanette Nadolski, ehrenamtlich aktiv im Verein "Matteo – Kirche und Asyl", verfasste die Petition. Sie beklagt, dass es "ein Lotteriespiel" sei, "zu welcher Behörde ich gehe und auf wen ich dort treffe". Das führe selbst in vergleichbaren Fällen zu unterschiedlichen Entscheidungen. Sie sei damit aufgewachsen, dass "vor dem Gesetz alle gleich" seien, "aber das ist im Ausländerrecht leider nicht so".
Die Petition selbst schützt zwar nicht vor der Abschiebung, doch besteht ein Agreement zwischen Landtag und Innenministerium, dass diese nicht durchgeführt wird, solange die Petition nicht geprüft und beraten wurde.
Kelvin hat mehrere Fürsprecher, die nicht damit einverstanden sind, den in Würzburg heimischen 21-Jährigen abzuschieben. Zu diesen gehört der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien appellierten an Innenminister Joachim Herrmann, die Abschiebung zu verhindern. Auch Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche schrieben an die Abgeordneten des Landtags.
Grundsätzlich können alle, unabhängig von Wohnort und Nationalität, eine Petition einreichen. Dieses Recht garantieren das Grundgesetz (Art. 17) und die bayerische Verfassung (Art. 115). Das können Bitten, Beschwerden oder Anregungen sein.
Dem Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, dem Petitionsausschuss, gehören 14 Mitglieder an – sechs von der CSU, drei von den Grünen, zwei von den Freien Wählern und je ein Mitglied von der AfD, SPD und FDP. Vorsitzende derzeit ist Stephanie Schuhknecht (Grüne).
Am Mittwoch stellen zwei Berichterstatter, je einer von der Regierung und Opposition, den Fall im Ausschuss vor. Das sind Petra Loibl (CSU) und Alexandra Hiersemann (SPD). Ebenso sind Vertreter des Innenministeriums anwesend. Auch Nadolski als Petentin und Ekogiawe als Betroffener haben die Möglichkeit, sich zu äußern.
Der Petitionsausschuss kann keinen Aufenthaltstitel erteilten. Er kann den Fall Kelvin aber an die Härtefallkommission verweisen. Die gehört zum Innenministerium und kann Ausländern, die eigentlich ausreisen müssten, eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Dafür müssen "persönliche oder humanitäre Gründe vorliegen, die den Aufenthalt in Deutschland rechtfertigen", schreibt das bayerische Innenministerium auf seiner Webseite.
Die Härtefallkommission setzt sich für eine pragmatische Lösung in einem konkreten Fall ein, ohne damit einen Präzedenzfall zu schaffen. "Ins Härtefallverfahren kommen nicht Hinz und Kunz. Wenn der Landtag einen Fall dorthin verweist, ist eine große Hürde genommen", sagt Nadolski.
Lehnt der Ausschuss die Petition ab, könnte die Abschiebung erfolgen. Ein bayerischer Sonderweg ist es, dem Betroffenen zu ermöglichen, freiwillig auszureisen und das Visa-Verfahren in seinem Heimatland nachzuholen. Dieser Weg sei laut Nadolski jedoch mit "unnötig viel Zeit und Kosten" verbunden.
Wenn die Politik etwas ändern will, kann sie ja die Gesetze ändern. Dann gilt es für alle und nicht nur für Einzelfälle.
Ärgerlich ist auch, dass immer nur über "Einzelfälle" berichtet wird, in welchen sich irgendwelche Politiker wie der OB hier - aus welchen Gründen auch immer - sich berufen fühlen, zu "unterstützen".....
Es gibt weitaus mehr Menschen, denen sinnfreies Unrecht widerfährt, insbesondere in CSU-Bayern! Solche Leute "abschieben" zu wollen ist ein übler Scherz - mit existentiellen und lebensbestimmenden Folgen für Betroffene.
...."Nachdem das Verwaltungsgericht in Würzburg diesem Vorgehen widersprach, bestätigte der Verwaltungsgerichtshof die Ausländerbehörde. Die lehnte im März schließlich Kelvins Antrag ab."....
Zitat Petitionsausschuss, Schreiben vom 02.03.2023, Petition VF.0895.18:
"Die in der Verfassung festgelegten Grundsätze des Rechtsstaatsprinzips, der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Richter verwehren es dem Parlament, gerichtliche Entscheidungen zu überprüfen, aufzuheben oder zu korrigieren"
Was denn nun!!?
WIESO sollte dies hier nicht gelten? Es liegt eine gerichtliche Entscheidung vor?
Eine Recherche wäre schön!