
Das meiste Wasser, das in Unterfranken aus dem Main entnommen werden darf, dient der Kühlung dreier Kraftwerke: dem Heizkraftwerk der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV), dem sich im Rückbau befindenden Atomkraftwerk von Preussen-Elektra in Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt und dem Kraftwerk des Industrie Centers Obernburg (ICO) im Landkreis Miltenberg, Standort für die Herstellung von Chemiegarnen.
Wer in Bayern ein Recht hat, Wasser aus Gewässern oder dem Grundwasser zu entnehmen, war für die Öffentlichkeit lange ein Geheimnis. Die gemeinsamen Recherchen von Bayerischem Rundfunk (BR) und Main-Post zeigen jetzt erstmals, welche Wirtschaftszweige in Unterfranken die größten Entnahmerechte besitzen und welche Firmen dahinterstehen.
Unter anderem deckte das Recherche-Team auf, dass selbst die Abgeordneten des bayerischen Landtags vom Umweltministerium eine fehlerhafte Liste der größten Wassernutzer in Unterfranken erhalten hatten. Unter anderem fehlte der größte Wassernutzer: das Würzburger Heizkraftwerk (HKW).
Es hält ein Wasserrecht von mehr als 126 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Das ehemalige AKW Grafenrheinfeld hat ein Wasserrecht von 65 Millionen Kubikmeter pro Jahr, das Kraftwerk Obernburg ein Wasserrecht von 44 Millionen Kubikmeter pro Jahr.
Was man wissen muss: Alle drei Kraftwerke entnehmen aktuell deutlich weniger Wasser und leiten den überwiegenden Teil auch wieder in den Main zurück. Benjamin Schulz, Fachbereichsleiter am Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen, sagt: "Auf dem Papier sieht es erstmal nach einer gigantischen Entnahmemenge aus, die sich aber dadurch relativiert, dass das meiste Wasser erwärmt wieder in den Main eingeleitet wird."
Wie viel Mainwasser vor 2015 im AKW Grafenrheinfeld verdunstet ist
Anders war es, als das AKW Grafenrheinfeld noch in Betrieb war: Bis 2015 wurden in den zwei Kühltürmen laut Betreiber Preussen Elektra etwa 160.000 Kubikmeter gereinigtes Mainwasser stündlich "umgewälzt", also "in einem geschlossenen Kreislauf" gehalten. Tatsächlich verdunstet seien 1 Kubikmeter Mainwasser pro Sekunde. Im ganzen Jahr tatsächlich verbraucht wurden somit mehr als 31 Millionen Kubikmeter Mainwasser.
Seit der Abschaltung 2015 sei die Entnahmemenge bis heute "um mehr als 85 Prozent" reduziert, teilt die Kraftwerksleitung mit. Doch noch immer braucht das AKW Mainwasser zur Kühlung der Anlagen. Im Jahr 2018 hat es von den erlaubten 65 Millionen Kubikmeter pro Jahr laut Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen noch mehr als 44 Millionen Kubikmeter, im Jahr 2021 noch etwa 20 Millionen Kubikmeter entnommen. Das Mainwasser werde inzwischen aber "zu 100 Prozent" wieder in den Main eingeleitet, so die Kraftwerksleitung.
Wie viel Mainwasser das Würzburger Heizkraftwerk tatsächlich verbraucht
Das Heizkraftwerk Würzburg (HKW) darf laut Wasserrecht an der Friedensbrücke pro Sekunde vier Kubikmeter Kühlwasser aus dem Main pumpen. Hochgerechnet auf ein Jahr sind das über 126 Millionen Kubikmeter.
Tatsächlich entnommen hat das HKW nach Angaben des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg im Jahr 2023 nur rund 50 Millionen Kubikmeter. "Zu 99,9 Prozent" werde dieses Kühlwasser wieder in den Main zurückgeleitet, sagt Armin Lewetz, Mitglied des Vorstands der Stadtwerke Würzburg.
Um "verfahrenstechnische Verluste" zu decken, darf das HKW bis zu 500 Kubikmeter pro Tag "abzwacken", so Lewetz. Auf das ganze Jahr gerechnet also maximal 182.500 Kubikmeter. Tatsächlich hat das Heizkraftwerk nach Angaben des Wasserwirtschaftsamtes im vergangenen Jahr nur 42.120 Kubikmeter Mainwasser verbraucht.
Wofür das Wasser im Heizkraftwerk verwendet wird
Das Heizkraftwerk, drittgrößter kommunaler Kraftwerksstandort in Bayern, funktioniert nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung. Während ein Heizwerk nur Wärme und ein Kraftwerk nur Strom erzeuge, könne das Heizkraftwerk beides in einem Prozess, erklärt Lewetz. Aus dem Prozess der Stromerzeugung entstehe Abwärme, die wiederum zum Heizen verwendet werde.

Die WVV kann nach eigenen Angaben etwa 20 Prozent des in der Stadt Würzburg benötigten Wärmebedarfs decken. Über das 54 Kilometer lange Fernwärmenetz werden laut WVV derzeit rund 1200 Privathaushalte, Gewerbekunden und öffentliche Einrichtungen beliefert.
Stark vereinfacht funktioniert die Stromerzeugung im HKW so: Erdgas wird in Gasturbinen verbrannt, die Strom erzeugen. Die heißen Abgase gehen in einen Dampferzeuger. Der hochverdichtete überhitzte Dampf wird in Dampfturbinen geleitet, die wiederum Strom erzeugen. Um den Dampf zu kondensieren, ihn sozusagen "flüssig zu bekommen", erklärt Lewetz, brauche man das Flusswasser als Kühlmittel.
Das HKW halte alle Grenzwerte ein und habe in den vergangenen zehn Jahren seinen Wärmeeintrag in den Main "mehr als halbiert", sagt Lewetz.
Warum das Heizkraftwerk im Sommer oft abgeschaltet wird
Doch der Fluss heizt sich im Sommer immer öfter bedrohlich auf, das ökologische Gleichgewicht gerät ins Wanken. Im Hitzesommer 2018 spitzte sich die Situation zu. Die Regierung von Unterfranken rief zehn Tage lang die höchste von drei Warnstufen, aus. Die Stadtwerke Würzburg drosselten - wie das Industriecenter Obernburg im Landkreis Miltenberg - die Kraftwerksleistung freiwillig, um den weiteren Anstieg der Wassertemperatur zu verhindern.
Auch in den folgenden Sommern habe man "den Wärmeeintrag in den Main präventiv reduziert", sagt Lewetz. Denn laufe das Heizkraftwerk bei voller Turbinenleistung, könne dies den Main-Abschnitt an der Friedensbrücke um "bis zu 0,6 Grad" zusätzlich aufwärmen.
Auch aktuell stehen seit Mai und noch bis Ende August alle Turbinen des HKW still. Doch aus einem anderen Grund: Die Preise am Strommarkt sind aktuell "zu unattraktiv", sagt Lewetz.
Wie man künftig dem Fluss Wärme entziehen könnte
Das Problem der Wassertemperatur könne sich in Zukunft teilweise lösen lassen, meint der Stadtwerke-Vorstand: In Würzburg soll bis 2040 Klimaneutralität erreicht sein. "Aktuell gehen wir davon aus, dass unser Fernwärmenetz doppelt so groß wird." Um dafür "das Energiepotenzial des Mains besser zu nutzen", könnten künftig große Wärmepumpen dem Fluss Wärme entziehen, sagt Lewetz.