Am Montag hat der Kreistag im Sitzungssaal des Würzburger Landratsamtes über eine wichtige Personalie entschieden: Eva von Vietinghoff-Scheel, die seit April 2020 (bis März 2023 gemeinsam mit Alexander Schraml) das landkreiseigene Kommunalunternehmen (KU) leitet, bekommt ihren Vorstandsvertrag nicht verlängert. Der Vertrag läuft noch bis 31. März 2025.
Stattdessen war eine Mehrheit dafür, die wichtige Führungsposition neu auszuschreiben. Damit hat sich Landrat Thomas Eberth (CSU) durchgesetzt. Eberth möchte einen Neuanfang, weil er sich eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Vietinghoff-Scheel nicht mehr vorstellen kann.
Was die eigentlichen Gründe sind, erfahren am Montag weder die Beschäftigten des KU noch die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Würzburg, weil eine öffentliche Auseinandersetzung im Kreistag nicht geführt wird.
Antragsteller wollten im Kreistag keine erneute Debatte führen
Es gab wohl zwischen den Fraktionsvorsitzenden Hans Fiederling (UWG/FW), Sven Winzenhörlein (Grüne) und Stefan Wolfshörndl (SPD) die Absprache, den gemeinsamen Antrag auf Wiederbestellung im Plenum nicht zu begründen. "Wir fanden, dass von uns, die wir nach wie vor voll hinter Eva von Vietinghoff stehen, alles gesagt wurde", erklärt Winzenhörlein.
Denn bereits im Dezember wollten die drei Fraktionen – damals war auch noch die ÖDP dabei – mit ihrer Mehrheit von 38 Sitzen im Kreistag eine Vertragsverlängerung für Vietinghoff-Scheel durchsetzen. Es kam aber nicht dazu, weil nach einer langen nicht öffentlichen Sitzung, in der ungeklärte rechtliche Fragen diskutiert worden sind, diese Mehrheit nicht mehr stand.
Was ist der Auslöser für den Konflikt zwischen Eberth und Vietinghoff-Scheel?
Worum es geht, wird in einem vertraulichen Sonderbericht des Kreisrechnungsprüfungsamtes beschrieben. Landrat Eberth wollte vor allem rechtliche Fragen zum Vorstandsvertrag mit Vietinghoff-Scheel geklärt wissen. Auch, ob ihr daraus Ansprüche auf Vergütungen und Ausgleichszahlungen zustünden, die das Kommunalunternehmen an die Vorständin ausbezahlt hat. Deshalb war Eberth auch im Juli ohne Wissen des KU-Verwaltungsrates bei der Staatsanwaltschaft, die schließlich seit Dezember gegen Vietinghoff-Scheel, Schraml und eine weitere Führungskraft des Kommunalunternehmens wegen des Verdachts der Untreue ermittelt.
In einer Pressemitteilung, die SPD-Fraktionsvorsitzender Wolfshörndl kurz nach der Kreistagssitzung verschickt, geht er auch auf diesen Sachverhalt ein. Die Entscheidung der knappen Mehrheit des Kreistages gegen die erneute Bestellung von Vietinghoff-Scheel als Vorständin sei weder nachvollziehbar noch sachlich gerechtfertigt, "auch nicht durch den Prüfbericht des Kreisrechungsprüfungsamtes". Denn von den Vorwürfen sei kaum etwas übrig geblieben, schreibt Wolfshörndl. "Es ist zu erwarten, dass das bei der Prüfung der Staatsanwaltschaft auch so ist."
SPD kritisiert das Vorgehen bei der geplanten Zusammenarbeit der Krankenhäuser
Wolfshörndl kritisiert weiter, dass bei den aktuell geführten Gesprächen zwischen Landrat Eberth und seiner Kitzinger Kollegin, Landrätin Tamara Bischof (Freie Wähler) über eine mögliche Fusion oder Zusammenarbeit der Krankenhäuser die Vorständin des Kommunalunternehmens außen vor bleibt. Dazu haben sich erstmals am vergangenen Donnerstag auch die politischen Gremien beider Kreistage zu einer geheimen Sitzung in Iphofen getroffen.
"Vor dieser interkommunalen Sitzung wäre eigentlich eine Meinungsbildung im Aufsichtsrat der Main-Klink und im Verwaltungsrat des Kommunalunternehmens zwingend gewesen, auch um das Informationsgefälle zu beseitigen", meint Wolfshörndl. KU-Vorständin Vietinghoff-Scheel, so ist der Pressemitteilung zu entnehmen, habe das im Vorfeld vorgeschlagen. Sie wollte demnach auch die Ergebnisse der Krankenhausreform abwarten. Dass Landrat Eberth diese Einwände übergeht, "ist nicht nur wenig sachgerecht, sondern kann sich bei den Verhandlungen auch noch einmal zum Nachteil des Landkreises Würzburg auswirken", so Wolfshörndl.
Grüne sehen großen Schaden für den Landkreis Würzburg
Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht im Vorgehen "eine von langer Hand geplante Aktion, die Führung des Kommunalunternehmens auszuwechseln" und distanziert sich in einer Pressemitteilung von diesem Verhalten. Die Mehrheit des Kreistages habe "die vermutlich letzte Chance verpasst, die jahrelange hervorragende Arbeit des KU langfristig zu sichern", schreibt Winzenhörlein. Die Grünen sehen darüber hinaus einen "großen Schaden für den Landkreis Würzburg, eine hochqualifizierte und hervorragende Führungskraft faktisch zu entfernen", was auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens verunsichern würde.
Bereits vor der Kreistagssitzung am Montag hatten sich die beiden FDP-Kreisräte Wolfgang und Florian Kuhl zusammen mit Matthias Henneberger und Viktoria Marold (beide ÖDP) geäußert. In einer Pressemitteilung kritisieren sie "die öffentliche Eskalation, die von verschiedenen Akteuren leichtfertig und zum Nachteil des Landkreises vorangetrieben wird". Die Vertrauensbasis zwischen Landrat, Kreistag und der Vorständin des Kommunalunternehmens sei so stark gestört, dass eine "weitere professionelle Zusammenarbeit schwer möglich ist". Am Montag stimmten alle vier im Kreistag für eine neue Ausschreibung der Vorstandsposition.
Vietinghoff-Scheel will das Unternehmen auch über 2025 hinaus führen
Trotz all der Querelen hat Eva von Vietinghoff-Scheel nach wie vor Lust darauf, das KU zu führen, sagt sie am Tag nach der Entscheidung und teilt dies auch den Beschäftigten im Intranet mit. Vietinghoff-Scheel will sich dem Bewerbungsverfahren stellen. Doch hätte sie sich einen offenen Austausch im Kreistag gewünscht, um zu erfahren, warum ihr Vertrag nicht verlängert wird.
"Noch im Februar haben mir die Vertreter der CSU-Kreistagsfraktion, die gestern geschlossen gegen mich abgestimmt haben, in ihrer Klausurtagung versichert, dass sie mit mir als Vorständin weiterarbeiten wollen." Was sich seitdem geändert hat, habe sie bislang nicht erfahren, so die 44 Jahre alte Juristin gegenüber ihren rund 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich im Landkreis Würzburg unter anderem um die Pflege von Menschen in der Main-Klinik und in den acht Senioreneinrichtungen des Landkreises, sowie um die Müllabfuhr und den öffentlichen Nahverkehr kümmern.
Deshalb zieht man die Vertragsverhandlungen in die Länge (laufen anscheinend seit über einem Jahr) und ruft noch die Staatsanwaltschaft mit einer Anzeige auf den Plan. Dadurch verunsichert man den Kreistag. Parallel freut man sich dass man „Zweifel säen konnte“ (Fraktionsvorsitzender Jungbauer).
Am traurigsten ist allerdings, dass die komplette CSU-Kreistagsfraktion und einige wenige weitere Kreistagsmitglieder dieses Spiel unterstützen, oder schlicht nicht durchschauen.
Diese Art von Politiker brauchen wir sicher nicht.
Dem Kreistag, genauer gesagt allen Fraktionen, muss man allerdings vorhalten, dass sie offenbar jegliches Gespür für den Ablauf demokratischer Entscheidungsprozesse und die Funktionsweise kommunaler Selbstverwaltung verloren haben.
Da sollen sich die drei Fraktionen, die gegen den Vorschlag des Landrats waren, darauf verständigt haben, ihre Position im Kreistag nicht zu begründen. Nach der Sitzung geben dann SPD und Grüne Presseerklärungen heraus und die Freien Wähler hüllen sich (wieder einmal) gleich ganz in Schweigen. Statt im Kreistag, wo die Diskussion hingehört, ihre Auffassung zu vertreten und damit den Landrat zu zwingen, Farbe zu bekennen und die Vorgänge für die Öffentlichkeit transparent zu machen, redet man lieber außerhalb der Sitzung übereinander. Welch beklagenswerter Niedergang demokratischer Streitkultur!