Noch ist der befürchtete, harte Corona-Winter gar nicht da. Die Infektionszahlen aber steigen bereits massiv, auch in Unterfranken. Bayern hat deshalb die geltenden Regeln verschärft. Für Besuche in Pflege- oder Altenheimen etwa gilt ab einer Inzidenz von 50 wieder die Beschränkung auf eine Person täglich während einer festen Zeit. Droht den Seniorenheimen nun in absehbarer Zeit das nächste Besuchsverbot? "Das ist niemandem mehr zuzumuten", sagt Ulrike Hahn, Bereichsleiterin Senioren und Reha bei der AWO Unterfranken, zu der in der Region 18 stationäre Senioren-Einrichtungen gehören. Ein Gespräch über den Zwiespalt der Heimleiter, Pflege mit Abstand und die Herausforderung Weihnachten.
Ulrike Hahn: Die ganz strengen Regeln und Verbote, wie es sie im Frühjahr gab, das geht nicht mehr. Das ist niemandem mehr zuzumuten. Wir haben mittlerweile in vielen Häusern die Besuchsregelungen weit geöffnet – schlicht, weil es für unsere Bewohner und auch die Angehörigen notwendig ist.
Hahn: Wenn wir es schaffen, dass Angehörige und Mitarbeiter weiterhin aufmerksam sind, können wir die Gefahr gut eindämmen. Aber dafür braucht es in der Tat noch einmal neue Anstrengungen, gerade um sich konzeptionell auf die beengte Situation drinnen einzustellen.
Hahn: Die Vorgaben des Ministeriums sind stringent für alle Einrichtungen geregelt. Alles, was wir darüber hinaus öffnen, ist unser Risiko – und davor scheut sich vielleicht der ein oder andere Einrichtungsleiter. Das kann man ihm auch nicht verdenken: Denn wenn es irgendwo zu einem Corona-Ausbruch kommen sollte, dann muss er sich rechtfertigen und der Staatsanwalt steht schnell vor der Tür. Deshalb orientieren sich viele Kollegen streng daran, was das Ministerium vorgegeben hat. Dafür ernten sie von manchen Angehörigen Unverständnis, weil schwer nachvollziehbar ist, warum die Situation in verschiedenen Einrichtungen unterschiedlich gehandhabt wird.
Hahn: Es sollen etwa Besuchsräume außerhalb der Zimmer der Bewohner zur Verfügung gestellt werden. Nur: Wenn ich so etwas vorgebe und ein Heim hat nicht unzählige Räume, ist die Folge zwangsweise, dass ich die Besuchszeiten immer begrenzen muss. Es können ja nicht alle gleichzeitig da sein. Andere Häuser sind großzügiger und lassen Besuche in den Zimmern zu. Das ist aber etwas, was man im schlimmsten Fall später rechtfertigen muss. Als Heimleiter steht man immer im Zwiespalt zwischen größtmöglichem Schutz und dem Wunsch, soziale Kontakte zuzulassen.
Hahn: Angebote wie Bastelstunden oder Malkurse, das hat sich reduziert – aber es findet statt. Natürlich mit Abstand und in kleineren Gruppen. Das bedeutet, wir haben mehr Aufwand und brauchen mehr Personal, um die Angebote in gleichem Umfang wie vor Corona umsetzen zu können.
Hahn: Der Mangel an Fachkräften ist nach wie vor enorm. Das Ganze klappt nur, weil Mitarbeiter sich engagieren und Überstunden machen und sich um ihre Bewohner kümmern wollen.
Hahn: Abstand halten in der direkten Pflege geht natürlich nicht – und wenn jemand etwas anderes erzählt, dann soll er mir das demonstrieren. Natürlich tragen die Mitarbeiter Schutzausstattung. Und wenn ich mit Mundschutz mit meinem Bewohner sprechen muss, ist das nicht schön. Aber es muss eben sein.
Hahn: In der Mehrzahl sind sie nicht isoliert. In unseren Heimen gibt es zum Beispiel das Wohngruppen-Konzept, dazu gehören je zwölf Bewohner und diese werden als ein Haushalt gezählt. Die Betroffenen haben jeden Tag miteinander zu tun. Und die Senioren dürfen ja auch raus, wir wollen niemanden festhalten.
Hahn: Wenn sich alle an die Regeln halten, muss es nicht soweit kommen. Wichtig ist auch, dass unsere Mitarbeiter und Bewohner regelmäßig und jederzeit getestet werden. Das klappt in Würzburg gut. Nur so kann man schnell reagieren, wenn Corona-Fälle auftreten.
Hahn: Nicht jeden Tag, aber im Schnitt alle zwei bis vier Wochen und immer, wenn Symptome auftreten. Ist ein Mitarbeiter erkältet, darf er nicht arbeiten – was natürlich bedeutet, dass sich der Personalmangel verschärft. Das kann ein Problem in den Wintermonaten werden.
Hahn: Chaos wird es nicht geben. Wir werden versuchen, dass wir das organisiert bekommen. Dass alle Bewohner eines Heims mit den Angehörigen beisammen sitzen und Kaffee trinken wie in den Vorjahren, das wird sicher nicht möglich sein. Aber ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass man in den einzelnen Wohnbereichen feiert oder separiert in verschiedenen Räumen. Man muss eine Lösung finden, um trotzdem Feiertagsstimmung aufkommen zu lassen.
Hahn: Wenn ich meine Großeltern im Heim besuchen möchte, dann muss ich mich eben vorher achtsam verhalten und die Abstands- und Hygieneregeln einhalten. Das gilt immer, aber besonders an Weihnachten. Da sollte man sich schon überlegen, ob man vor einem Besuch zu großen Feiern geht – oder ob es einem wichtiger ist, dass man guten Gewissens seine Großeltern treffen kann. Auch muss jedem klar sein: Wird die Vorsicht über Bord geworfen, dann gefährden Besucher auch andere Heimbewohner und unsere Mitarbeiter. Es geht nicht nur um mich und die eigene Familie, sondern um viele empfindliche Menschen.