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Würzburg
Hunderttausende neue Corona-Infizierte jede Woche: Kritik an Isolation und Quarantäne wird lauter
Wegen der vielen Ansteckungen fällt in Unterfranken überall Personal aus. Vor allem in Kliniken und Heimen gibt es Engpässe. Wie lange noch müssen Betroffene in Isolation?
Immer mehr Menschen müssen derzeit in Isolation oder Quarantäne. Das sorgt in vielen Branchen, besonders in Kliniken und Seniorenheimen, für Engpässe.
Foto: Symbolbild: Fabian Sommer, dpa | Immer mehr Menschen müssen derzeit in Isolation oder Quarantäne. Das sorgt in vielen Branchen, besonders in Kliniken und Seniorenheimen, für Engpässe.
Andreas Jungbauer
 und  Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 09.02.2024 02:46 Uhr

Omikron breitet sich weiter rasant aus, täglich infizieren sich in Deutschland Hunderttausende. Und folglich stecken Hunderttausende Menschen in Isolation oder Quarantäne. In den Krankenhäusern und Heimen der Region sorgt das für massive Probleme: Immer mehr Mitarbeitende fallen aus. Operationen werden verschoben, Betten bleiben leer, die Versorgung ist eingeschränkt.

Das wirft die Frage auf: Sind Quarantäne und Isolation in dieser Phase der Pandemie noch sinnvoll? Oder verursachen sie möglicherweise aktuell mehr Schäden als das Virus selbst?

Virologe erwartet, dass sich jeder mit Corona infizieren wird

Der Würzburger Virologe Prof. Lars Dölken geht davon aus, dass aufgrund der starken Omikron-Verbreitung "spätestens nach Ostern" eine Einstellung flächiger PCR-Testungen in der Bevölkerung möglich ist. "Isolation ist dann nicht mehr notwendig."

Bereits jetzt schätzt Dölken die Durchseuchung im Raum Würzburg auf 40 bis 50 Prozent. "Spätestens nach Ostern werden die Zahlen wieder deutlich fallen, weil einfach die Mehrheit aller Menschen bei uns Omikron schon hatte", so der Inhaber des Lehrstuhls für Virologie an der Uni Würzburg. Die Frage sei also nicht, ob man lockere – sondern wann.

Aus Sicht des Virologen wird sich "jeder von uns" irgendwann mit Corona infizieren. Dabei sei eine Infektion "wie eine gute Auffrischimpfung": Sie bringe die Immunzellen dorthin, wo sie gebraucht würden, sprich in Nase, Nasennebenhöhlen, Rachen und Lunge. Der Vorteil sei dann eine deutlich schnellere Immunantwort bei Folgeinfektionen mit Corona.

"Da sich jeder von uns in den nächsten zwölf Monaten mit Corona infizieren wird und wir nicht wissen, welche Mutation im Herbst vorherrschen wird, ist es wahrscheinlich sogar besser, sich zeitnah zur letzten Auffrischimpfung zu infizieren", so Dölken. Das bedeute aber nicht, dass man jetzt sorglos auf Corona-Partys gehen sollte, warnt der Virologe. Aber: "Man sollte sich nicht mehr aus Angst vor Corona im Keller verkriechen oder Dinge, die einem wichtig sind, weiterhin nicht machen."

"Den Menschen geht es oft so gut, dass sie eigentlich arbeiten gehen könnten, wenn sie dürften."
Dr. Christian Pfeiffer, unterfränkischer Vorsitzender des bayerischen Hausärzteverbandes

Das gelte auch für Risikopatienten, sagt Dölken. Durch die Lockerungen würde die Omikron-Welle schneller vorangetrieben und ebbe auch schneller ab. Zudem sei das Risiko von schweren Infektionen bei Omikron auch für immunsupprimierte Menschen erheblich niedriger als etwa bei Delta. Und: Die Infektion vieler Menschen reduziere "erheblich das Risiko für eine erneute schwere Welle nächsten Herbst".

Auch Allgemeinmediziner Dr. Christian Pfeiffer sieht die Isolationspflicht kritisch, gerade im Gesundheitswesen. In Krankenhäusern und Praxen gebe es "nicht per se zu viele Patienten – sondern zu viele Patienten für das verbleibende Personal", sagt der unterfränkische Vorsitzende des bayerischen Hausärzteverbandes.

In seiner Hausarztpraxis in Giebelstadt (Lkr. Würzburg) sehe er viele Infizierte ohne große Symptome. "Den Menschen geht es oft so gut, dass sie eigentlich arbeiten gehen könnten, wenn sie dürften." Für die aktuell vorherrschende Omikron-Variante sei es seiner Erfahrung nach "durchaus möglich, dass man das freigibt". Gerade bei Geimpften und Geboosterten verlaufe eine Infektion mit Omikron "in den allermeisten Fällen milde".

Seniorenheime fordern "Anpassung der Strategie"

Um den Engpässen in Kliniken und Praxen zu begegnen, gibt es aus Pfeiffers Sicht zwei Möglichkeiten. Entweder die Isolations-Vorgaben für Angestellte im medizinischen Bereich würden gelockert. "Oder man sagt irgendwann ganz generell, Corona ist eine Atemwegsinfektion – und da sowieso alles gelockert ist, können die Betroffenen auch arbeiten."

Eine Anpassung der Strategie fordert auch Alexander Schraml als Vorsitzender des Bundesverbandes der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen. "Wenn es mit der Quarantäne so weitergeht, können wir bald das System nicht mehr aufrechterhalten", warnt der Jurist, der als Geschäftsführer des Kommunalunternehmens gemeinsam mit Eva von Vietinghoff-Scheel für sieben Senioreneinrichtungen im Landkreis Würzburg verantwortlich ist.

Beide befürworten eine Lockerung der Vorschriften in den Heimen. Schlimmer als die Infektion mit leichten Symptomen sei für die Bewohnerinnen und Bewohner die angeordnete Isolation von mindestens sieben Tagen: "Dies führt zu abnehmender Lebensfreude, und dies in der letzten Lebensphase." Und: Positiv getestete Pflegekräfte sollten mit FFP2-Maske weiterarbeiten dürfen, wenn sie keine Symptome haben – zumindest solange die Infektionen in den Heimen mild verlaufen.

Uniklinik-Direktor hält Isolationsregeln weiter für sinnvoll

Auch Prof. Jens Maschmann, Ärztlicher Direktor des Würzburger Uniklinikums, kritisiert die Widersprüchlichkeit von Lockerungen der Corona-Maßnahmen auf der einen Seite und die Beibehaltung der Isolationsvorschriften auf der anderen: "Das passt nicht zusammen." Allerdings hält der Mediziner die Isolationsregeln weiter für sinnvoll – zur Prävention und Unterbrechung der Übertragungsketten. Maschmann plädiert für eine Fortführung der Schutzmaßnahmen wie der Maskenpflicht. Große Lockerungen seien angesichts "der vorherrschenden Situation und der epidemiologischen Gesamtentwicklung in keinster Weise umsetzbar und führen in die falsche Richtung".

Während etwa Spanien gerade seine Isolationsvorschriften lockert, sieht die Bundesregierung dies bislang nicht vor. Auf Anfrage antwortet die Bad Kissinger Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsstaatssekretärin Sabine Dittmar (SPD): "Aktuell gibt die Studienlage keinen Anlass dazu, die Quarantänevorschriften anzupassen". Von Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) war bis Redaktionsschluss keine Aussage zu erhalten.

 
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  • M. H.
    Endlich mal eine vernünftige Aussage - Danke an Prof. Dölken und Dr. Pfeiffer. Man sollte die derzeitige Lage endlich mal mit normalen Menschenverstand begegnen. Der ist aber leider durch die ständige Panikmache verloren gegangen - wie man hier an den bisherigen Kommentaren sieht. In meinem Umfeld waren die schlimmsten Symptome extreme Halsschmerzen - die als sehr schlimm bezeichnet werden, weil niemand mehr Grippesymptome mehr kennt ...
    Ein positiv getesteter Krankenpfleger muss ja nicht unbedingt einen imunschwachen Patienten versorgen ... Eine schnelle Durchseuchung mit dem Virus führt dann hoffentlich auch zu einem schnellen Ende dieses Spuks
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  • H. K.
    Und wer garantiert mir als Risikopatientin das ich wirklich nur einen Schnupfen bekomme während lauter gesunde Menschen um mich rum sagen sie haben sich noch nie so krank gefühlt wie mit Corona.
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    Von einer Infektion zur nächsten?
    Es ist doch bekannt, dass die Antikörperantwort auf eine Omikron Infektion mau ausfällt. Als kleine Gratisdreingabe gibt's dann noch ne Chance auf längerfristige Beeinträchtigungen, die dank des multifaktoriellen Aspekts von Cov-19 einen wahren Blumenstrauß an potentiellen Erkrankungen enthält. Dies mal so nebenbei für, ja wofür? als zusätzliches Lebensrisiko einfach mal so eingepreist zu bekommen erscheint mir grob vorsätzlich.

    Danke Prof Maschmann, sie sprechen aus, wofür Mediziner eintreten sollten. Prävention statt Infektion.
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  • G. K.
    So langsam fragt man sich ja schon …

    Potenziell virulentes Klinikpersonal einfach wieder zum Dienst schicken?

    Sorry, aber gerade als Mediziner sollte man wissen, dass viele Menschen gerade in Kliniken aufgrund ihrer Vorerkrankungen und/oder Behandlungen besonders anfällig für Infektionskrankheiten sind.

    Schlimm genug, dass wir gerade eine gezielte Durchseuchung erleben. Aber virulentes Personal in Kliniken einsetzen – da muss man ja über den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung nachdenken!

    Wenigstens Prof. Maschmann scheint noch geradeaus zu denken … danke dafür!
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  • M. B.
    In meinem Umfeld verursachet die ach so milde Form überwiegend sehr schwere Erkältungen mit Fieber bis zu einer Woche....und da soll man dann arbeiten gehen?
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  • D. K.
    Wer krank ist, ist krank. Darum geht es ja hier nicht. Es geht um die Infizierten die (fast) keine Symptome haben
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  • M. B.
    Da habe ich seit Wochen, zumindest in meinem Umfeld, keine gesehen. Alle waren krank, auch mit Impfung.
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  • P. K.
    In meiner Umgebung verursacht das Virus nur Schnupfen und eine um zwei Oktaven tiefere Stimmlage. Und da soll man nicht arbeiten gehen?
    Wie wäre es, wenn man es so macht wie „früher“: Den gesunden Menschenverstand entscheiden lassen, ob man wirklich krank oder nur erkältet ist?!
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  • H. K.
    Der eine hat vielleicht nur Schnupfen. Der steckt dann 5 Kollegen an die eine Woche krank sind. Was ist damit gewonnen?
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  • P. K.
    Doppelposting.
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