zurück
Würzburg
Unterfränkische Mediziner kritisieren neue Corona-Regeln scharf
Trotz steigender Inzidenzen fallen viele Schutzmaßnahmen künftig weg. Experten aus der Region halten das für verantwortungslos – und warnen vor fatalen Folgen für Kliniken.
Unterfränkische Mediziner wie Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte, üben harsche Kritik an den Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen.
Foto: Archivbild: Daniel Peter | Unterfränkische Mediziner wie Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte, üben harsche Kritik an den Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:04 Uhr

Die Inzidenzen erreichen täglich neue Höchststände – dennoch sollen die meisten bundesweiten Corona-Beschränkungen wegfallen. So haben es Bundestag und Bundesrat an diesem Freitag beschlossen. Bei Medizinerinnen und Medizinern in der Region stößt das auf Unverständnis - sie üben scharfe Kritik. Die Lockerungen seien "unüberlegt", sagt etwa Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Ein Ende der Pandemie sei in den Kliniken und Arztpraxen nicht absehbar, im Gegenteil: die Zahl der Covid-Erkrankten explodiere. Gleichzeitig gebe es immer mehr Personalausfälle – und das könne fatale Folgen haben.

Seit Monaten galten bundesweit strenge Corona-Regeln - vom Zugang nur für Geimpfte und Genesene bis zur Maskenpflicht im Supermarkt. Sie entfallen mit dem geänderten Infektionsschutzgesetz, das ab diesem Sonntag gilt. Übrig bleiben wenige allgemeine Vorgaben, beispielsweise zu Masken und Tests in Einrichtungen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen oder eine Maskenpflicht in Bussen und Bahnen. Für regionale Hotspots sollen die Länder härtere Beschränkungen beschließen können.

Dr. Held: "Fehleinschätzung der Politik zur aktuellen Lage"

Das sorgt für Unmut. Alle Bundesländer wollen zunächst eine Übergangsfrist nutzen und geltende Schutzregeln bis 2. April aufrechterhalten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte die angepassten Regeln: Durch die Omikron-Virusvariante sei eine flächendeckende Kliniküberlastung nicht mehr zu befürchten.

In Unterfranken sieht man das anders. "Im Moment muss ich – und das geht vielen Kolleginnen und Kollegen so – von einer totalen Fehleinschätzung der Politik zur aktuellen Lage ausgehen", sagt der Würzburger Lungenspezialist Dr. Matthias Held. Man habe den "Eindruck, dass sich die politische Ebene an vielen Stellen nahezu komplett aus der Verantwortung zurückgezogen hat". Das sei für alle, die im medizinischen Bereich arbeiten, schwer auszuhalten. Die weitere Entwicklung sei vollkommen unkalkulierbar geworden.

Schon jetzt gebe es in der Gesundheitsversorgung ein absolutes Missverhältnis zwischen Personalausfällen aufgrund von positiven Tests und dem steigenden Patientenaufkommen. Mit den Lockerungen nehme man in Kauf, dass sich noch mehr Menschen infizierten und zugleich immer weniger Personal zur Verfügung stehe, um Erkrankte zu behandeln, warnt Held. Die Versorgung sei bereits "deutlich eingeschränkt und die Kliniken stehen vor einer großen Welle immer wieder verschobener Untersuchungen". Sollte die Schere zwischen steigender Fallzahl und Personalausfällen weiter auseinanderklaffen, bestehe die Gefahr, "auch eilige Fälle nicht mehr adäquat behandeln zu können".

Uniklinik Würzburg verschiebt planbare und nicht dringliche Behandlungen

Auch die Uniklinik Würzburg teilt mit, es könne "derzeit kurzfristig zur Verschiebung von planbaren und nicht dringlichen Behandlungen kommen". Grund sei die Vielzahl an Corona-Patienten und der gleichzeitig "anhaltende Ausfall von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch Isolationspflicht oder Krankheit".

Vor diesem Hintergrund hält der Ärztliche Leiter Krankenhauskoordination für die Region Main-Rhön, Dr. Michael Mildner, die Lockerungen für ein "zweischneidiges Schwert": Einerseits würden Erkrankungen bei Omikron tatsächlich sehr milde verlaufen, andererseits kämpften die Krankenhäuser massiv mit den Personalausfällen. "Eine frühzeitige Anpassung der Quarantäneregeln für Krankenhauspersonal hätte geholfen", sagt Mildner. Andernfalls müsse man "Personal besser schützen und das wäre nur durch Restriktion und nicht durch Öffnung gegangen".

Jetzt kämen Krankenhäuser in der Region ans Limit, denn nicht nur Pflegekräfte, sondern auch Ärzte fehlten. "Insofern ist die Lage weiterhin extrem angespannt", so Mildner. Der bayerische Beschluss, zunächst auf die Lockerungsbremse zu treten, sei deshalb "absolut korrekt".

Bayern hatte angekündigt, bis 2. April weitestgehend bei den bisherigen 2G- und 3G-Zugangsregeln und Maskenpflichten zu bleiben. Abgeschafft werden hingegen alle Kontaktbeschränkungen und Kapazitätsobergrenzen sowie bestehende Tanz- und Musikverbote.

"Mit den Lockerungen kommen wahrscheinlich noch mehr Infizierte, die eine Krankmeldung oder einen PCR-Test brauchen", fürchtet Dr. Christian Pfeiffer, unterfränkischer Vorsitzender des bayerischen Hausärzteverbandes. Das mache nicht nur den Krankenhäusern, sondern auch Praxen und Seniorenheimen in der Region zu schaffen – auch hier fehle Personal. In seiner Praxis in Giebelstadt (Lkr. Würzburg) rechne er mit Engpässen, denn vor allem der Wegfall der umfassenden Maskenpflicht werde die Infektionszahlen "deutlich nach oben treiben". Trotzdem sagt Pfeiffer: "Ich denke, die Lockerungen zurückzunehmen wird uns nicht mehr gelingen".

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Giebelstadt
Schweinfurt
Susanne Schmitt
Arztpraxen
Christian Pfeiffer
Coronavirus
Deutscher Bundesrat
Deutscher Bundestag
Karl Lauterbach
Krankenhausmitarbeiter
Pflegepersonal
SPD
Universitätskliniken
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • D. P.
    Währenddessen führt Österreich die Maskenpflicht wieder ein…
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • J. G.
    Sicher, die FDP ist eher für die, denen es eh schon gut geht. Aber man darf die Misere in den Kliniken nicht auf die Ampel schieben. Die alte Regierung unter Merkel hatte genug Zeit, etwas zu ändern. Aber da haben die Bürger nur gelernt, wie man für das Pflegepersonal klatscht. Vielleicht sollte man sich an Österreich orientieren. Die überlegen nämlich, die Dauer der Quarantäne auf fünf Tage oder weniger zu verkürzen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • d. e.
    Dieser Kommentarstrang wurde nachträglich entfernt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • L. W.
    Dieser Kommentarstrang wurde nachträglich entfernt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • U. S.
    Die Zahlen explodieren - aber angeblich ist Omikron doch harmlos! Somit bekommen wir endlich die Durchseuchung und vielleicht auch endlich echte Immunität. Die Impfung bringt bewiesener Maßen keine, sie schützt nicht vor Ansteckung. MP bitte diesbezüglich nicht wieder nach Beweisen rufen, es ist bekannt, dass sich selbst Geboosterte infizieren können! Es sollte sich demnach auch bis in Ihre Redaktion herumgesprochen haben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Wie sollte es zu dieser echten Immunität kommen? Kann man sich nicht mehrfach infizieren? Ist es nicht mehr so, dass auch Personen mit unterschiedlich schweren Verläufen keine oder nur eine geringe Anzahl von Antikörpern bilden können und demnach eine erneute Erkrankung fürchten müssen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • C. B.
    Wenn es nach den Medizinern geht müssten wir uns noch die nächsten zehn Jahre isolieren. Wann verstehen die Leute endlich wir müssen anfangen mit Corona zu leben, es werden immer Leute sterben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. S.
    Das Schlimmste daran ist, dass gerade die kleinste Partei der Koalition den Rest der Ampel am Nasenring durch die Manege führt, und die sich das gefallen lassen weil sie ebenso machtversessen sind! Selbst Lauterbach kuscht vor Buschmann, nur dass die Koalition nicht platzt! Ich glaube, Lauterbach würde das genauso sehen, wie es die Spezialisten in diesem Artikel sehen. Aber er hat einen Maulkorb verpasst bekommen, weil man die Koalition nicht gefährden will...
    Ich hatte eigentlich das Gefühl, dass Merkel lange genug an der Macht war... Aber wenn ich mir dieses Theater ansehe, wünsche ich mir diese Frau lieber heute, als morgen, zurück!
    Und Buschmann, Lindner, und Aschenberg-Dugnus sollten dann besser bei der AfD anheuern, bevor die FDP endlich im Nirwana verschwindet... Denn da gehören sie ja eigentlich auch hin...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • U. S.
    Zusammengefasst:
    Personal fehlt im Gesundheitswesen wegen Quarantänebestimmungen für 7 -10 Tage = KATASTROPHE!
    Pflegepersonal fehlt wegen beschlossener Impfpflicht für die gesamte Zukunft = ACH, KEIN PROBLEM!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • J. B.
    Und alles nur weil sich SPD und Grüne von der FDP vorführen lassen.
    Mir immer noch unverständlich wie man als Arbeitnehmer die FDP wählen kann.
    Denen ist die Mehrheit der Bürger nämlich egal, die schauen nur danach das es den Großen gut geht.
    Gutes Beispiel sind die ganzen Spielhallen die man fast an jeder Ecke findet. Nur möglich gemacht durch die FDP. Das Leid eines Spielsüchtigen und dessen Familie ist denen egal.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • B. F.
    die Arroganz der FDP lässt es gar nicht zu über das Arbeitende Volk nachzudenken !!
    Es ist sowas von offensichtlich, und im Bundestag verkündet, dass jeder 3. Ukraineflüchtling Positiv auf Covid getestet wird....was sollen dann diesen unnötigen Debatten über ein Herunterfahren des Infektionsschutzgesetzes ??? Es werden wieder massenhaft Operationen abgesagt, und das gesamte Klinikpersonal muss wieder an seine Grenzen kommen.... was sind das nur für Menschen, die keine Ahnung von einem Klinikalltag haben ??
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • B. H.
    Die Dreierkoalition erinnert an Die drei Affen: nichts sehen, nichts hören und nichts sagen. Einfach so tun, als sei kein Monster im Raum. War was? Panemieeee? Och nööö! Die hat doch nur der olle Söder erfunden, aus Machtgeilheit. Wir von der Ampel stehen für Zukunft, Optimismus, Kliiiema-, nein, schlicht Weltenrettung! Vergessen sind Wirecard- und LebensLaufLügen. So haben sie es sich vorgeltellt, diese drei müden Musketiere. Das Aufwachen in der Realität ist hart. Krieg, Inflation, Versorgungsengpässe, bald Rezession, und erstmals Priorisierungen in den Kliniken im grossen Stil… Zum Glück hat die Bevölkerung seit langem eine gewisse Resilienz erworben. Wir wuppen wirklich alles. Irgendwie. Trotz unserer Regierung. Danke an Dr Held und alle anderen Helden in den Krankenhäusern, Praxen und Laboren.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Das "Kliiiema" ist nun aber leider auch Realität, nur leider befinden sich hier die meisten noch lange nicht in der Aufwachphase. Sollte diese dann doch mal erreicht worden sein, ist es bereits zu spät. Das ist es bekanntlich jetzt schon. Nicht, dass ich Ihnen grundsätzlich widersprechen will, aber Ihre angeführten Aspekte der Realität sind extrem kurzfristiger und typischerweise akuter Art. Für langgezogene, bzw. schleichende Katastrophen wie "Kliiiema" besitzt der Durchschnittsmensch anscheinend kein Verständnis. Hier wird das Aufwachen in der Realität äußerst hart...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • B. F.
    Die Dummheit fing in den Anfängen der Pandemie damit an, dass Menschen glaubten, für Klinikpersonal auf den Balkonen klatschen zu müssen ..... da braucht es sehr viel Phantasie, wem das helfen soll !!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. W.
    Bitte, liebe Mainpost, nehmen Sie die Abgeordneten Ullmann, Dittmar, Rottmann und auch die Landtagsgrünen journalistisch in Mangel. Sie sind mitverantwortlich für das neue Infektionsschutzgesetz, das für noch mehr Leid und Tod sorgen wird.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten