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Würzburg
Wann darf sich ein Wein aus Franken offiziell Frankenwein nennen? Und welche edlen Tropfen dürfen das nicht?
Staatliche Qualitätsweinprüfung: Warum im Silvaner nicht nur Silvaner sein darf und einige Winzer ausgerechnet ihre teuersten Weine gar nicht prüfen lassen.
Frankenwein auf dem Prüfstand: Stefan Ziegler untersucht in der LGL-Dienststelle in Würzburg die angelieferten Weinproben in einer Zentrifuge.
Foto: Benjamin Brückner | Frankenwein auf dem Prüfstand: Stefan Ziegler untersucht in der LGL-Dienststelle in Würzburg die angelieferten Weinproben in einer Zentrifuge.
Folker Quack
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:54 Uhr

In der Weinprüfstelle der Regierung von Unterfranken herrscht Hochbetrieb. Winzerinnen und  Winzer liefern teils kistenweise Ihre Weine an. Bei einem Qualitätswein drei, bei einem Prädikatswein vier Flaschen. Zwei davon bekommen die Winzer versiegelt wieder zurück und müssen sie aufheben. Falls es später zu Reklamationen kommen sollte, würde der Inhalt erneut geprüft. Einer der Winzer hält nur einen einzigen Bockbeutel und ein Schreiben in der Hand: Sein Wein hat die Voraussetzungen nicht erfüllt, um im Bocksbeutel verkauft werden zu dürfen. Jetzt legt sein Erzeuger Widerspruch ein und hofft von einer anderen Prüfungskommission die Mindestnote für einen Bocksbeutelwein zu bekommen. Wenn das scheitert, darf er den bereits abgefüllten Wein nicht im Bocksbeutel verkaufen. 

Was ist eine analytische Prüfung?

Die amtliche Prüfnummer steht schon auf dem Etikett, jeder Winzer kann sie selbst erzeugen. Verkaufen darf er seinen Wein mit Prüfnummer aber erst, wenn der eine analytische und eine sensorische Prüfung bestanden hat. Nur dann darf sich ein Wein aus Franken auch Frankenwein nennen, darf die Lage seiner Herkunft auf dem Etikett stehen oder er gar in einen Bocksbeutel abgefüllt werden.

Am Anfang steht die analytische Prüfung. Die kann von einem staatliche anerkannten Labor oder von der Würzburger Dienststelle des bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vorgenommen werden. Ab der Prädikatsweineinstufung (Kabinett, Auslese, etc.) muss eine vierte Flasche abgegeben werden, die vom LGL geprüft wird. Dr. Teresa Müller vom LGL erläutert, dass in den Labors neben Alkohol und Zucker auch der Säuregehalt, Schwefeldioxid, das Ionenprofil und vieles mehr chemisch analysiert würden. Über 90 Prozent der Weine seien ohne jegliche Beanstandung, lediglich bei drei Prozent würden einzelne Richtwerte überschritten. Diese Weine seien deshalb nicht ungenießbar oder gar schädlich. Aber sie erfüllten zumindest eine der Anforderungen an einen Qualitätswein nicht. 

Dr. Teresa Müller und Dr. Steffen Seibert vom bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sind für die analytische Prüfung des Frankenweins verantwortlich. 
Foto: Benjamin Brückner | Dr. Teresa Müller und Dr. Steffen Seibert vom bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sind für die analytische Prüfung des Frankenweins verantwortlich. 

Wieviel Müller darf in den Silvaner?

Die Besonderheiten des Frankenweins spielen bei der Analyse eine Rolle. So darf der Restzuckergehalt im Vergleich zum Alkoholgehalt festgelegte Grenzen nicht übersteigen. Diese Grenzwerte gelten nur in Franken, erklärt Müller. Deshalb sind die klassischen fränkischen „Schoppenweine“ meist trocken oder halbtrocken. Süße Weine sind erst bei höherwertigen Spätlesen, Auslesen und natürlich bei den edelsüßen Prädikatsweinen (Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein) anzutreffen. Und nicht zuletzt würden seine Mitarbeiter auch die Angabe der Rebsorten überprüfen, so der Leiter des LGL-Sachgebietes Getränke, Aromen, Herkunft und Echtheit von Getränken, Dr. Steffen Seifert. Was viele nicht wüssten: Bis zu 15 Prozent einer anderen Rebsorten dürfe ein Winzer zum Beispiel seinem Silvaner beimischen, ohne dies auszeichnen zu müssen. Aber eben nicht mehr. 

Was ist eine sensorische Prüfung?

Ist die Analytik bestanden, geht es in die sensorische Prüfung. Jede Woche werden derzeit in der Weinprüfstelle der Regierung von Unterfranken 390 Weine von insgesamt zwölf Prüfkommissionen verkostet. Zwei Dinge seien hierbei entscheidend, so der Leiter der Weinprüfstelle, Rüdiger Schumacher von der Regierung von Unterfranken: Der Wein müsse fehlerfrei und typisch für die Region sein. Zudem werde bei der sensorischen Prüfung darauf geachtet, dass die Weine die jeweilige Rebsorte zu schmecken sei. Grundbedingung sei aber auch, dass der Wein unter anderem bei bei Herkunft, Farbe und Klarheit den gesetzlichen Mindestanforderungen entspreche. Daran könne etwa ein zu blasser Rotwein oder ein nicht geklärter Naturwein scheitern.

Größte Konzentration herrscht, wenn in der Regierung von Unterfranken Weine für die Qualitätsweinprüfung sensorisch überprüft werden. 
Foto: Benjamin Brückner | Größte Konzentration herrscht, wenn in der Regierung von Unterfranken Weine für die Qualitätsweinprüfung sensorisch überprüft werden. 

Wer prüft die Weine?

Die zwölf Prüfkommissionen haben jeweils einen Geschäftsführer. Das sind die Weinfachberater des Bezirks und Experten von der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim (LWG). In jede Kommission entsendet der Fränkische Weinbauverband drei Prüfer, meist Winzer oder Kellermeister großer Betriebe. Ein Vertreter oder eine Vertreterin wird vom Handelsverband entsandt und vertritt den Weinhandel, einer von der Verbraucherseite. Auch das LGL darf jederzeit einen seiner Experten in die Verkostungsgremien schicken. Mindestens vier Prüfer müssen einen Wein verkosten. Jeder von ihnen muss einen Sensorik-Kurs mit Zertifikat abgeschlossen haben. 

Welcher Wein fällt durch?

Im Prüfjahr 2022 wurden 3,8 Prozent der Weine bei der sensorischen Prüfung abgelehnt. Ende der 90er Jahren war die Zahl noch weit im zweistelligen Bereich. Dennoch geht es in den Kommissionen oft hoch her. In zirka zwei Stunden verkosten die Prüfer maximal 65 Weine. Es wird gerochen, geschwenkt, genippt und wieder ausgespuckt. Oft geht das rasend schnell, bis ein Wein mit Diskussionsbedarf kommt. Begriffe und Abkürzungen wie Böckser, Brett, BNV und UTA fliegen durch den Raum. Sie stehen für einen unangenehmen Geruch nach Käse oder Schweiß oder für eine biologisch unnatürliche Veränderung oder eine untypische Alterung der Weine. Jeweils bis zu fünf Punkten kann eine Wein in den Kategorien "Geruch", "Geschmack" und "Harmonie" erhalten. Um zu bestehen, benötigt er mindestens 1,5 Punkte und 2, um in einen Bocksbeutel zu dürfen. Viel mehr als eine 2,5 vergeben die Prüfer selten. Nur wer die Qualitätsweinprüfung besteht, darf sich Qualitätswein aus Franken nennen und kann an der fränkischen Weinprämierung teilnehmen.

 Rüdiger Schuhmacher, Leiter der Weinprüfstelle, im Probierraum für die sensorische Prüfung der Regierung von Unterfranken in Würzburg.
Foto: Benjamin Brückner |  Rüdiger Schuhmacher, Leiter der Weinprüfstelle, im Probierraum für die sensorische Prüfung der Regierung von Unterfranken in Würzburg.

Wie viele Weine werden jedes Jahr geprüft?

Pro Prüfjahr werden in Franken zwischen 9000 und 11.000 Weine geprüft. Das dies reibungslos funktioniert, dafür sorgen fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Weinprüfstelle. Wie es mit der Qualitätsweinprüfung weiter gehe, wenn ab dem Jahrgang 2026 das romanische Weinrecht gelte, sei offen, so Mengler. Vorgesehen sei dann sogar eine zweite sensorische Prüfung für "Große Gewächse" und  gegebenenfalls für "Erste Gewächse". Logischerweise in einem anderen Kontext als bisher. Dazu aber bräuchte es individuell geschulte Verkoster.

Was sagen die  Kritiker der Prüfung?

Viele Winzer bemängeln die durchweg sehr niedrigen Noten, die bei den Qualitätsweinprüfungen vergeben werden. Selbst Hermann Mengler, Chefoenologe des Bezirks und einer der Geschäftsführer der Qualitätsweinprüfung, sieht Details der Prüfung kritisch: Frankens Weine seien bunt und vielseitig. Nicht wenige Erzeuger produzierten aufmerksamkeitserregende „Freestyle -Weine“, bzw. „Naturweine“. Diese würden es aufgrund formaler Kriterien nicht durch die Prüfung schaffen, könnten aber extrem erfolgreich im Ausland für Franken Werbung machen, wenn sie "Franken" auf dem Etikett tragen dürften. Es sei  schade, dass aktuell das Weinrecht wegen fehlender Klarheit solche Weine nicht als Qualitätsweine zulässt: "Da müssen wir in Deutschland nachjustieren." Harald Scholl von der Zeitschrift Vinum, fragte kürzlich in einem Kommentar zur Qualitätsweinprüfung in Deutschland: "Mal im Ernst, will ich den Wein anschauen oder trinken?"

Für die Qualitätsweinprüfung werden die Weine blind verkostet. Die Prüfer dürfen nur eine ungefähre geografische Lage und die Analysedaten der Weine erfragen. 
Foto: Benjamin Brückner | Für die Qualitätsweinprüfung werden die Weine blind verkostet. Die Prüfer dürfen nur eine ungefähre geografische Lage und die Analysedaten der Weine erfragen. 

Warum lassen einige Winzer ihre besten Weine nicht prüfen?

Klarheit sei heute kein Qualitätskriterium mehr, sagt Biowinzer Ludwig Knoll aus Würzburg. Aber es sei nun mal eine gesetzliche Vorgabe. Er selbst stelle einige seiner großen Weine gar nicht mehr zur Qualitätsweinprüfung an, sondern verkaufe sie als "Landwein Main". Diesen unfiltrierten  Weinen lasse er bewusst alles, was in ihnen steckt. Doch sie würden nicht einmal zur Verkostung angenommen, wenn sie einen Hauch Trübheit hätten. Er hoffe hier dringend auf eine Überarbeitung der Regeln. Denn Lagen-Weine dürfe er nicht als solche benennen, wenn sie leicht trüb sind. 

Auch Bio-Winzer Manfred Rothe aus Nordheim (Lkr. Kitzingen)  hält diesen Aspekt der Qualität für nicht mehr zeitgemäß. Er könne sich aber auch gar nicht vorstellen, das einer seiner Naturweine zwischen zwei Mainstream-Weinen verkostet würde. So verkauft auch er seinen teuersten Wein als "Landwein Main". Mit Blick  auf die Qualitätsweinprüfung sagt er: "Es gibt Weine, die haben die Prüfung mit Bravour durchlaufen, aber sind so gar nicht mein Geschmack."

 
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