Ganz bequem vom Sofa aus bewirtschaftet Florian Loos seine Weinberge... Nein, so sollte dieser Text nicht beginnen, da würde ein falscher Eindruck entstehen. Wäre auch glatt gelogen, weil "bewirtschaften" lässt sich so ein Weinberg von zuhause aus sowieso nicht. Ein Weinberg muss das ganze Jahr über bearbeitet, gepflegt, behütet werden. Vor Ort.
Ganz bequem ist es für Florian Loos also nicht, wenn er seinem Beruf nachgeht. Es kommt neben dem Weinanbau (ganzjährige Rebstock- und Bodenpflege, Ernte) ja auch noch Weinherstellung, Abfüllung, Marketing und Verkauf dazu. Das elterliche Weingut Loos mit seinen umliegenden, insgesamt neun Hektar umfassenden Weinbergen - überwiegend in der in Dingolshäuser Flur - ist, wenn man so will, eine Dauerbaustelle. Es gibt immer etwas zu tun. Vor einigen Jahren hat die Winzerfamilie damit begonnen, auf ökologische Produktion umzustellen, seit 2016 ist das Weingut Loos zertifiziertes Mitglied des Öko-Verbands "Naturland". Zudem fand im Betrieb eine Generationenwechsel statt, Florian Loos ist als Juniorchef eingestiegen und hat gemeinsam mit seinen Eltern Armin und Beate das Familienunternehmen neu aufgestellt.
Wassermangel im Weinberg
Was deutlich die Handschrift des 32-Jährigen trägt, ist das digitalisierte Bewässerungssystem, das er dieses Jahr am Fuchsrangen aufgebaut hat. Den Fuchsrangen in der Weinlage Dingolshäuser Köhler bezeichnet Loos als "das Herzstück unserer Weinberge". Tröpfchenbewässerung ist in den Weinbergen Frankens und auf der ganzen Welt ein bewährtes System, um die Reben gleichmäßig mit Wasser zu versorgen. Dass das insbesondere in den vergangenen Jahren, die zunehmend regenarm waren, immer notwendiger geworden ist, merken die Winzer, wenn sie ihre Ernte einfahren: Sie fällt geringer aus, weil die Rebstöcke während der Vegetationsperiode von März bis August nicht genügend Wasser ziehen können und deswegen weniger oder kleinere Früchte ausbilden.
"Im Moment ist alles staubtrocken", stellt Loos fest, als er mit dem Reporter zum Fuchsrangen fährt. Klingt paradox, weil es seit mindestens einer Viertelstunde regnet. Loos winkt ab. "Das ist kein Regen." Das sei der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Ein bisschen Regen fällt runter und verdunstet wieder, der Boden nimmt fast nichts auf, insbesondere die tieferen Schichten nicht. Wenn er in zwei Stunden hier wieder den Feldweg entlang fahre, ziehe er ein Staubwolke hinter sich her.
Smartphone raus, Wasser an
Er holt sein Smartphone hervor und zeigt auf das Display. Vor ihm mehrere Reihen Silvaner-Reben, etwa einen halben Meter über dem Boden verläuft in jeder Zeile ein Schlauch, darin sind kleine Löcher. Loos wählt auf dem Display "Zone manuell starten" und drückt in einem Untermenü "Silvaner West". Kurz darauf tröpfelt Wasser aus den Schläuchen. Ein paar Meter weiter bei der "Domina West" tut sich nichts - es sei denn, Loos wählt das auf dem Display aus. Er kann die Bewässerung aber auch automatisieren und einen Zeitpunkt festlegen, wann welche Rebsorte wie viel Wasser bekommen soll. Und er kann jederzeit, ob im Weinberg oder zuhause auf dem Weingut, kontrollieren und prüfen, ob alles passt oder gegebenenfalls die Einstellungen anpassen. Jede Parzelle lässt sich mit der App gezielt ansteuern. Dazu hat er er sein heimisches WLAN-Netz bis in den Weinberg verlängert, eine Antenne oben am Berg funkt das Signal auch auf der Flur zu seinem Handy.
Vereinfacht dargestellt, funktioniert das Bewässerungssystem so: Aus einem Brunnen am Fuß des Fuchsrangen wird Wasser über unterirdische Leitungen den Berg hochgepumpt. Oben befindet sich ein Technikhäuschen mit Filteranlage und weiteren Pumpen. Diese befördern das Wasser in ein etwa vier Meter hohes Stahlblechsilo, das als Pufferspeicher dient und rund 360 Kubikmeter Wasser fasst (360 000 Liter). Wird nun Wasser benötigt, fließt das Wasser vom Berg herab durch ein Rohrsystem in die Schlauchleitungen, durch den Höhenunterschied wird das Wasser, wenn es unten angekommen ist, durch die Schläuche wieder nach oben gedrückt und tropft an den kleinen Löchern am Weinberg heraus. Etwa 1,6 Liter pro Stunde tropfen so durch jedes Loch. Je nach Rebsorte, Wetterlage und Vegetationszeitpunkt kann Loos dann einstellen, wann und wie viel bewässert werden soll.
Nützlich war die Bewässerung heuer allemal, erklärt der Winzer. Da es im Mai während der Eisheiligen zu enormen Frostschäden in den Weinbergen (und in der Landwirtschaft generell) gekommen ist, haben viele Reben ihre Triebe verloren und danach noch einmal sogenannte Nottriebe gebildet. Wenn man zu diesem Zeitpunkt noch einmal Wasser geben konnte, erklärt Florian Loos, ließ sich der Frostschaden einigermaßen auffangen, denn dann konnten sich die Triebe besser entwickeln. Am Fuchsrangen (etwa 2,5 Hektar), wo die digitale Bewässerungsanlage seit Ende Mai im Betrieb ist, hat das funktioniert. In seinen anderen, unbewässerten Weinlagen hingegen stellt Loos Verluste von 50 bis 80 Prozent fest.
Wasserrückhaltebecken als Lösung für die Landwirtschaft?
Dass die Bewässerung im Zuge des Klimawandels eine immer größere Rolle spielen wird, davon geht Loos übrigens aus. Aber woher das Wasser nehmen? Die Versorgung aus seinem Privatbrunnen am Fuchsrangen soll laut Loos nur eine kurzfristige Lösung sein. Bis Ende August ist die Bewässerung notwendig, neben der naturgegebenen Versorgung braucht jeder Rebstock etwa acht Liter pro Woche zusätzlich. Loos hofft dabei auf das interkommunale Projekt, das für die Flur im Bereich Dingolshausen/Gerolzhofen zumindest schon im Gespräch ist: Ein Wasserrückhaltebecken am Rande des Bürgerwalds könnte zum einen Hochwasserschutz für das Tal bieten und zugleich Wasservorräte schaffen, die landwirtschaftlich genutzt werden könnten. Natürlich unter Beteiligung der Landwirte und Winzer, die zum Beispiel ein solches Projekt anteilig mitfinanzieren oder für das entnommene Wasser einen Kubikmeter-Preis bezahlen könnten. "Wir sind ja froh, wenn wir Wasser kriegen", sagt Loos.