Die Schülereltern der Klasse 2a an der Eichendorff-Grundschule Gerbrunn sind in Sorge: Ihre Kinder haben seit Ende Oktober keine feste Klassenlehrkraft – und auch keine Aussicht auf eine solche. Um auf die Lage aufmerksam zu machen, haben die Eltern einen Brief an das Schulamt Würzburg geschickt. "Wir wenden uns mit einem offenen Brief an Sie, weil wir durch den vom Kultusministerium verursachten Grundschullehrermangel betroffen sind", heißt es in dem Schreiben, in dem die Lage vor Ort geschildert und eine Aufstockung der sogenannten mobilen Reserven gefordert wird. Diese sollen einspringen, wenn Lehrkräfte vor Ort ausfallen.
Nach dem voraussichtlich längeren Ausfall der Klassenlehrkraft der 2a hätten wechselnde Vertretungen den Unterricht gehalten. Mitte November sei wegen fehlenden Personals kurzzeitig nicht klar gewesen, ob der Unterricht aufrechterhalten werden könne oder ob die Schüler nach Hause geschickt werden müssten. "Die Kinder hatten bereits durch das 1. Schuljahr mit Corona und Homeschooling einen schwierigen Beginn ihres Bildungsweges. Nun machen sich Eltern Sorgen, ob ihre Kinder den Stoff der ersten beiden Schuljahre überhaupt noch schaffen werden", fasst das Schreiben die Lage zusammen.
Wie die Kinder mit der Situation umgehen
Diese Sorge bekräftigt Elif Aldogan, Elternbeirätin der 2a, im Gespräch mit dieser Redaktion: "Es fehlt in der Klasse an Struktur und Grundlagen. Da sitzt noch nichts – wie auch?" Die häufig wechselnden, den Kindern zum Teil unbekannten Vertretungen würden die Zweitklässler verunsichern. Manche Eltern würden berichten, dass ihr Kind zuhause aufgrund der Situation weinen würde und nicht mehr zur Schule gehen wolle; andere Kinder wiederum würden aggressiv.
"Die Klasse leidet unter der Situation", sagt auch Britta Augustin, Elternsprecherin der 2a. "Mangelnde Disziplin und ungute Dynamiken" seien die Folge. "Man hat für all diese Probleme keinen Ansprechpartner", so Augustin. "So kann man Bildungskarrieren bereits früh nachhaltig stören", ist sie überzeugt. Und: "Es kann jede andere Klasse und Schule genauso treffen." Neben dem Brief ans Schulamt haben Schülereltern der Klasse 2a deswegen auch online Einzelpetitionen an den Bayerischen Landtag geschickt, in denen sie eine kurz- und langfristige Behebung des Grundschullehrermangels sowie eine Aufstockung der mobilen Reserven fordern.
Corona verstärkt bestehende Probleme
"Das Problem, das hier vorliegt, ist kein spezielles, sondern ein Systemproblem", sagt auch Thomas Schulz, Rektor der Eichendorff-Schule Gerbrunn. Es sei bereits in einigen Schulen und Klassen im Landkreis Würzburg vorgekommen, dass der Stundenplan gekürzt werden oder tageweise Unterricht ausfallen musste, da Personal fehlt. Corona würde die Situation verschärfen: Konnte man bei Personalmangel bisher die Schüler notfalls auf andere Klassen aufteilen, sei dies aufgrund der geltenden Vorschriften nicht mehr möglich.
Als Schulleiter muss Schulz neben den Schülern auch die Lehrkräfte im Blick haben. "Die Situation ist extrem prekär", so Schulz, der sich in seiner Position gerade täglich einem "riesigen Dilemma" ausgesetzt sieht: "Zum einen muss ich dafür sorgen, dass der Unterricht fortgeführt wird, zum anderen muss ich mein Personal vor Überlastung schützen." Zwar habe man es geschafft, den Unterricht aufrecht zu erhalten, "wir sind aber am Limit".
"Wir sind an einem Punkt, wo man von Tag zu Tag denken muss", sagt Schulz. So könne er am Anfang der Woche vielleicht eine Personalplanung bis Donnerstag aufstellen – wie man den Freitag regle, wisse man aber noch nicht. "Eventuell ist bis dahin ja ein kranker Kollege wieder zurück." Im konkreten Fall der Klasse 2a warte man darauf, dass die bisherige Klassenlehrkraft zurückkehre oder eine mobile Reserve frei werde.
Die mobile Reserve, die auf die Schnelle zur Verfügung steht, wenn jemand in der Lehrerschaft krank werde, gebe es indes nicht mehr. "Es steht niemand mehr fest zur Verfügung", so Schulz. "Wenn jemand aus dem Kollegium erkrankt, geraten wir in eine Ausnahmelage." Dieses Wissen erzeuge "massiven täglichen Druck". Die Belastung für Schulleitungen und Kollegien sei durch die Kombination aus Lehrermangel und Corona enorm, sagt Schulz. "All die Probleme, die sich in den vergangenen Jahren sowieso verschärft haben, treten nun verstärkt hervor."
Wie das Schulamt handelt
Die Personalzuteilung und damit auch die Einteilung der mobilen Reserven für Grund- und Mittelschulen ist Aufgabe der Schulämter. Doch diese steckten in der Krise mit drin, so Schulz. "Wenn keine mobile Reserve verfügbar ist, kann man uns auch keine schicken."
"Wir hatten eine mobile Reserve für die Klasse 2a in Gerbrunn vorgesehen, mussten dann aber priorisieren und entscheiden, dass diese in eine Abschlussklasse einer Mittelschule geht, in der sehr plötzlich und dauerhaft eine Klassenlehrkraft benötigt wurde", sagt Claudia Vollmar, Leiterin des Schulamts Würzburg, und betont: "Uns ist es wichtig, die zur Verfügung stehenden Ressourcen gerecht zu verteilen – mit Blick auf den gesamten Schulamtsbezirk."
Schulamtsdirektorin führt Schärfe der Situation auf Corona zurück
In Fällen wie diesen gelte es immer wieder umzuorganisieren, "wir sind dabei auf eine große Solidarität der Schulleiter angewiesen", so Vollmar – auch darauf, dass diese versuchten, die Ausfälle vorübergehend intern zu regeln. "Wir können nur das Personal vermitteln, das wir haben; es gibt immer wieder Zuspitzungen." Und: "Momentan stehen keine Lehrkräfte auf der Straße."
Die Situation in dieser Schärfe sei auf Corona zurückzuführen – zum Beispiel dadurch, dass Schwangere normalerweise bis zum Mutterschutz zur Verfügung stünden, nun aber bereits ab dem Bekanntwerden der Schwangerschaft keinen Präsenzunterricht mehr halten dürften. Die Schulamtsdirektorin hofft auf Entspannung ab dem Halbjahr, wenn einige Lehrkräfte aus Krankheit oder Elternzeit wiederkämen. Eine mittelfristige Erleichterung sieht sie in einer Erhöhung der Studienplätze für das Grundschullehramt.
Was das Grundschullehramt attraktiver machen könnte
"Der Lehrer-Nachwuchs ist definitiv nicht gesichert, es herrscht eine absolute Mangelsituation", sagt Thomas Cimander, Personalratsvorsitzender Grund- und Mittelschulen im Landkreis Würzburg und stellvertretender Vorsitzender des BLLV-Kreisverbandes Würzburg-Land. Im Bereich der Grund- und Mittelschulen fehlten in ganz Unterfranken zirka 500 Lehrerstellen, um einen gerade ausreichenden Unterrichtsbetrieb sicherzustellen.
Dieser Lehrernotstand begründet sich laut Cimander vor allem darauf, dass das Grund- und Mittelschul-Lehramt von vielen Studierenden als nicht besonders attraktiv empfunden werde. "Die höhere Unterrichtsverpflichtung muss abgeschafft und die Besoldung angehoben und an die anderer Schularten angepasst werden – an Grund- und Mittelschulen wird ja nicht weniger qualifizierte Arbeit geleistet", sagt er.
Keine Einzelbudgets für Schulen
Thomas Schulz versucht unterdessen weiter, die Lage mit internen Vertretungen zu lösen. Er fände es hilfreich, wenn Rektoren für ihre Schule ein eigenes Budget hätten, mit dem sie in Abstimmung mit dem Schulamt für kurzfristige Ausfälle Personal rekrutieren und bezahlen könnten – ähnlich wie bei "gemeinsam.Brücken.bauen", einem Förderprogramm der Bayerischen Staatsregierung zum Ausgleich pandemiebedingter Nachteile für Schüler. "So könnte ich zum Beispiel die Studentin, die bei uns für das Brücken-bauen-Programm eingesetzt ist, auch in der aktuellen Situation Unterricht vertreten lassen", sagt Schulz.
In Bayern ist dies aber nicht möglich. "Personaleinstellungen können aus vertragstechnischen Gründen nur über das Schulamt laufen", bestätigt Vollmar. "Einzelbudgets gibt es so nicht."
"Wir konnten es bisher vermeiden, aber im Notfall müsste die betroffene Klasse zuhause bleiben oder der Stundenplan gekürzt werden", so das Fazit von Schulleiter Schulz. "Stundenkürzungen und der Ausfall von ganzen Tagen sind seit Corona an den Schulen im Landkreis Realität", betont er und prophezeit: "Eine mittelfristige Lösung wird es innerhalb der nächsten Jahre nicht geben."
Fakt ist , dass es in der Realität einen vom Kultusministerium geleugneten Bewerber- und Lehrermangel gibt.
Schule ist mehr als Aufbewahrung und Betreuung!
Es ist erschreckend, wie viel Kinder und Bildung einem reichen Land wie Deutschland wert sind!
Auch das hat Corona gezeigt!
Der Beruf ist derzeit mehr als unattraktiv. Nirgends anders muss mit so wenig Schutz und mit ständigen Änderungen innerhalb kürzester Zeit gearbeitet werden. Denn auch wenn Kinder nicht so schwer erkranken, Schulpersonal tut es vielleicht doch, trotz Impfung und Booster....
Und Eltern und Außenstehende schimpfen immer nur noch auf die Lehrkräfte. Kein Wunder also, dass immer wenige junge Menschen sich das antun wollen. Vom fehlenden Respekt der Kinder, der meist vom Elternhaus ausgeht, mal ganz zu schweigen.
Schule ist nicht mehr das, was sie früher mal war. Das kann sich nach der Pandemie gerne mal jeder anschauen.