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Ochsenfurt
Fernwärme am Beispiel Ochsenfurt: Welches Potenzial hat die Heiz-Form und was müssen Nutzer beachten?
Fernwärme wird hoch gehandelt für Heizen und Warmwasser. Wie diese Art des Heizens funktioniert, zeigt das Beispiel Ochsenfurt. Einige Fragen bleiben aber offen.
Klaus Mayer hat sein Altstadthaus in Ochsenfurt 2022 an das Fernwärme-Leitungsnetz anschließen lassen. Daran schätzt er, dass die Anlage im Bild nahezu wartungsfrei läuft und er keinen Kaminkehrer mehr braucht.
Foto: Silvia Gralla | Klaus Mayer hat sein Altstadthaus in Ochsenfurt 2022 an das Fernwärme-Leitungsnetz anschließen lassen. Daran schätzt er, dass die Anlage im Bild nahezu wartungsfrei läuft und er keinen Kaminkehrer mehr braucht.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 14:01 Uhr

Es muss nicht immer Wärmepumpe sein: Fernwärme gilt in Deutschland als weiteres Allheilmittel mit Blick auf die Debatte rund um das Heizungsgesetz. Klimaminister Robert Habeck (Grüne) hatte im Juni verkündet, pro Jahr 100.000 Gebäude an diese Energiequelle anschließen und überhaupt die Fernwärme massiv voranbringen zu wollen.

In Ochsenfurt (Kreis Würzburg) mit seinen 11.800 Einwohnern gibt es seit gut 40 Jahren Fernwärme. Das Beispiel zeigt, dass die Alternative zu Öl, Gas, Wärmepumpe und Co. durchaus Vorteile für Haushalte hat. Doch der Teufel steckt wie so oft im Detail.

Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um Fernwärme.

Was ist Fernwärme?

Wenn heißes Wasser oder heißer Dampf über eine gewisse Entfernung in isolierten Rohren in (Wohn-)Gebäude geleitet wird, spricht man von Fernwärme. Das Wasser wird an einer zentralen Stelle erhitzt– etwa durch die Abwärme in Betrieben. Die Fernwärme kann dann in Haushalten für Heizen und Warmwasser genutzt werden.

Nahwärme ist Fernwärme, nur mit kürzeren Leitungswegen. Der Anschluss an die Fernwärme kann nach Informationen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle und der Fernwärmeversorgung Ochsenfurt GmbH (FWO) staatlich gefördert werden.

Was macht die Fernwärme in Ochsenfurt aus?

Im Gegensatz zu den Städten Würzburg und Schweinfurt mit ihren großen zentralen Heizkraftwerken, kommt die Fernwärme in Ochsenfurt von einem Industriebetrieb: der Zuckerfabrik im Osten der Innenstadt.

Das Werk des Südzucker-Konzerns verkauft seine Abwärme an die FWO, die je zur Hälfte der Stadt und der Gasversorgung Unterfranken GmbH gehört. Gut 240 Haushalte hängen derzeit an den insgesamt 6,5 Kilometer langen Fernwärmeleitungen.

Die Zuckerfabrik in Ochsenfurt liefert Fernwärme für die Altstadt.
Foto: Gerhard Meißner | Die Zuckerfabrik in Ochsenfurt liefert Fernwärme für die Altstadt.

Klimaminister Habeck will die Fernwärme in Deutschland zügig ausbauen. In welchem Maße wäre das in Ochsenfurt möglich?

Nur beschränkt. In der jetzigen Weise versorgt die FWO nach den Worten von Geschäftsführer Matthias Förster 40 Prozent der Gebäude in der Ochsenfurter Altstadt. 75 Prozent könnten es langfristig werden.

Aber eben nur in der Altstadt mit ihren 7000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die acht Stadtteile Ochsenfurts ließen sich laut Förster nicht an die jetzige Fernwärme anschließen. Dörfer wie Erlach, Darstadt oder Hopferstadt liegen bis zu acht Kilometer entfernt und damit zu weit weg von der Zuckerfabrik. Deswegen seien in diesen Stadtteilen nur Insellösungen sinnvoll.

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Die gibt es zum Beispiel in Hopferstadt schon: Dort versorgen Landwirte mit ihren Biogasanlagen seit 12 Jahren das Dorf mit Nahwärme. Ob die FWO irgendwann ähnliche dezentrale Lösungen in den Stadtteilen schafft, "steht noch in den Sternen", sagt Bürgermeister Peter Juks. Jetzt gehe es erst einmal darum, den Rest der Altstadt und einige angrenzende Straßen an die Fernwärme aus der Zuckerfabrik anzubinden.

Indes ist in der Altstadt die Fernwärme offenbar populär: Die Nachfrage habe in jüngster Zeit zugenommen, sagt FWO-Geschäftsführer Förster. Jedes Jahr "bauen wir zwei bis drei neue Anschlüsse".

Was halten die Nutzer von der Fernwärme in Ochsenfurt?

"Ich bin zufrieden", sagt Klaus Mayer. Er ist in der Altstadt Eigentümer eines Hauses aus dem 16. Jahrhundert. Die drei Wohnungen im Haus haben bis zu 130 Quadratmeter Wohnfläche. Das Gebäude in der Nähe des Rathauses ließ er im Juni 2022 an die Fernwärme anschließen, nachdem er die 30 Jahre davor mit Öl geheizt hatte.

Kaum Wartung, kein Kaminkehrer, problemlose Handhabung: Das sind Aspekte, die Mayer an der Fernwärme schätzt. Außerdem würden die Heizkörper sofort warm: "Da verbrennt man sich am Anfang fast die Finger." In seiner Nachbarschaft höre er "nichts Negatives über die Fernwärme", sagt der Rentner.

Unumstritten ist die Fernwärme in Ochsenfurt freilich nicht: 2005 entbrannte ein Streit um die Preisberechnung der FWO. Eine Bürgerinitiative zog bis vor den Bundesgerichtshof, der ihr 2017 schließlich Recht gab. Bis heute bleibt der mit sperrigen Formeln errechnete Fernwärme-Preis FWO-Kunden wie Klaus Mayer ein Rätsel. Er verstehe das im Detail nicht.

An dieser Stelle kommt im Keller von Klaus Mayer die Fernwärme an. Rechts die beiden Rohre, für die durch die 70 Zentimeter dicke Mauer Richtung Straße gebohrt werden mussten. Links die Rohre, die zum Pufferspeicher und damit zum Haussystem führen.
Foto: Silvia Gralla | An dieser Stelle kommt im Keller von Klaus Mayer die Fernwärme an. Rechts die beiden Rohre, für die durch die 70 Zentimeter dicke Mauer Richtung Straße gebohrt werden mussten.

Preise: Wie teuer ist die Ochsenfurter Fernwärme im Vergleich?

"Es ist auf jeden Fall ein bisschen teurer", hat Mayer für sein erstes Jahr mit Fernwärme ausgerechnet. Wenn er Arbeitspreis und Jahresgrundpreis zusammenrechnet, kommt er für sein Altstadthaus auf brutto 7045 Euro. Rechnet man die 2023 von der Bundesregierung wegen der Energiekrise eingeführten Preisbremse ein, hat Mayer nach eigenen Worten von Juni 2022 bis Ende Mai 2023 rund 6200 Euro bezahlt.

Dem stünden rechnerisch 4800 Euro für Heizöl gegenüber. Der Jahresverbrauch habe zuletzt bei 4500 Litern gelegen, erläutert der Hauseigentümer.

Die FWO gibt die Gesamtkosten für Fernwärme in einer Beispielrechnung mit 4900 Euro pro Jahr an. Dem liege eine Wärmeleistung von 18 Kilowatt und eine Wärmemenge für Heizung und Wasser von 24.000 Kilowattstunden zugrunde. Preisänderungen seien höchstens zweimal pro Jahr zulässig, sagt FWO-Geschäftsführer Förster.

Was ist bei solchen Preisvergleichen zu beachten?

Ein tragfähiger Vergleich zwischen Fernwärme und Öl- oder Gasheizungen ist schwierig. Denn es muss mehr berücksichtigt werden als nur die Verbrauchspreise. Dazu gehören bei Öl, Gas und Co. vor allem: Deinstallation und Entsorgung der alten Heizung sowie Kosten für Kaminkehrer und Wartung.

Außerdem ist relevant, wie viel allein schon für den Anschluss an die Fernwärme zu zahlen ist. Die FWO gibt diese einmaligen Kosten in schon versorgten Gebieten beispielhaft mit 14.500 Euro an. Klaus Mayer hat 22.000 Euro bezahlt - inklusive der notwendigen Geräte wie Wärmetauscher und Steuereinheit.

Indes erhielt ein Hauseigentümer 2022 von der FWO den Hinweis, dass er für einen Anschluss in einer noch nicht mit Fernwärme erschlossenen Altstadtgasse in Ochsenfurt mit 40.000 Euro rechnen müsse. Das Schreiben liegt dieser Redaktion vor.

Eine neue Ölheizung hätte Mayer nach eigenen Worten ähnlich viel gekostet wie der Fernwärmeanschluss: 22.000 Euro also. Für eine Anlage mit Pellets sei ihm ein Angebot über 40.000 Euro vorgelegt worden - die staatliche Förderung allerdings noch nicht eingerechnet.

Auch wichtig beim Vergleich: Bei Fernwärme bekommt man das fertige Produkt ins Haus, die Wärme also. Bei Öl, Gas, Holz oder Pellets indes nur das "Vorprodukt", das erst noch in Wärme umgewandelt werden muss.

Isoliert und tief unter der Erde: Über solche Leitungen werden Haushalte in der Ochsenfurter Altstadt mit Fernwärme versorgt.
Foto: Gerhard Meißner (Archivbild) | Isoliert und tief unter der Erde: Über solche Leitungen werden Haushalte in der Ochsenfurter Altstadt mit Fernwärme versorgt.

Wie ökologisch ist die Fernwärme in Ochsenfurt?

Südzucker setzt nach eigenen Angaben für die Fernwärme in Ochsenfurt ausschließlich fossile Energie ein: Erdgas. Eine Umstellung auf Biogas ist im Gespräch, Details sind aber unklar. Ein eigens für die FWO in der Fabrik installierter Warmwasserkessel sorge für die Fernwärme, so Südzucker-Sprecherin Anke Sostmann.

Wie zukunftssicher ist die Versorgung mit Fernwärme in Ochsenfurt?

Förster sieht hier keine Gefahr: "Südzucker liefert seit 40 Jahren ohne Probleme." Der Konzern sei per Vertrag langfristig an die FWO gebunden. Südzucker-Sprecherin Sostmann zufolge hat der Warmwasserkessel für die FWO "noch ausreichende Reserven für die Steigerung der Wärmeerzeugung". Darüber spreche der Konzern gerade mit der FWO.

Sollte es dennoch einmal zu einem Ausfall der Fernwärmeversorgung kommen, so könne die FWO mit mobilen Heizkraft-Containern einen kurzfristigen Ersatz gewährleisten, sagt Geschäftsführer Förster. Das Unternehmen meldete zuletzt einen Jahresüberschuss von 144.000 Euro (2021) nach 199.000 Euro im Jahr davor.

Gibt es in der Ochsenfurter Altstadt für Hauseigentümer einen Anschlusszwang an die Fernwärme?

Nein, sagt die FWO. Wer in seiner Straße schon eine Fernwärmeleitung habe, könne sich trotzdem für andere Heizarten entscheiden, so Förster. Einen Anschlusszwang gibt es unter bestimmten Voraussetzungen zum Beispiel in Schweinfurt.

Wie ist das bei der Fernwärme in Ochsenfurt mit dem Anschlusswert?

Dieser wichtige Begriff gibt an, mit welcher Leistung ein Eigentümer sein Gebäude grundsätzlich versorgt haben will. Das wirkt sich wiederum auf den Grundpreis aus.

Die FWO legt Wert darauf, in der Vergangenheit von sich aus immer wieder Kundinnen und Kunden darauf aufmerksam gemacht zu haben, dass ihre bestellte Anschlussleistung zu hoch ist. Das sei dann "ohne Komfortverlust und ohne Kosten für den Kunden" an der Übergabestation in den Häusern verändert worden.

Andere Beispiele: Fernwärme in Würzburg und Schweinfurt

In Deutschland werden dem Bundesklimaministerium zufolge 14 Prozent der Haushalte (Erdgas: 48, Öl: 26) mit Fernwärme versorgt. Neben Ochsenfurt gibt es in Mainfranken weitere Anbieter.
In Würzburg liefern hauptsächlich das Heizkraftwerk an der Friedensbrücke (Gas) und das Müllheizkraftwerk am Stadtrand Richtung Gerbrunn Fernwärme in große Teile der Altstadt sowie der Stadtteile Sanderau, Lengfeld, Zellerau und Hubland. Wie der Energieversorger WVV weiter mitteilt, sei die Zahl der beantragten Neuanschlüsse von 30 in 2022 auf nun 70 gestiegen.
Inwieweit das Fernwärmenetz in der Stadt erweitert werden kann, werde derzeit geprüft. Voraussichtlich Ende 2024 sollen laut WVV erste Ergebnisse vorliegen. Untersucht werde auch, wie die Erzeugung der Fernwärme ökologischer ausfallen kann.
In Schweinfurt kommt die Fernwärme aus dem von mehreren Großunternehmen sowie einigen Stadt- und Landkreisen getragene Gemeinschaftskraftwerk im Hafen. Es verbrennt nach Angaben des Betreibers vor allem Müll aus der Region und Steinkohle. Angebunden sind weite Teile der Innenstadt sowie ganz oder teilweise die Stadtteile Bergl, Bellevue, Zürch, Musikerviertel, Hainig, Hafen-West (Industriegebiet) und Gewerbegebiet Maintal.
Die Nachfrage nach Neuanschlüssen in Schweinfurt "ist deutlich gestiegen", teilen die Stadtwerke mit. Inwieweit die Versorgung auch in andere Stadtteile ausgedehnt werden kann, werde die kommunale Wärmeplanung zeigen.
aug
 
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