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Würzburg
Wie kommt Würzburg durch die Energiekrise, Herr Schäfer? Was der WVV-Chef über Preise, Gas und die Zukunft sagt
WVV-Chef Schäfer spricht über die Energiepreise und darüber, wie wir künftig heizen und Strom erzeugen. Und darüber, worauf man in der Energiekrise stolz sein kann.
 WVV-Chef Thomas Schäfer beim Interview mit dieser Redaktion.
Foto: Thomas Obermeier |  WVV-Chef Thomas Schäfer beim Interview mit dieser Redaktion.
Manuela Göbel
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:39 Uhr

Durch Ukrainekrieg und Klimakrise ist das Thema Energie so wichtig wie nie. Der Würzburger WVV-Konzern versorgt 130.000 Haushalte der Region mit Strom und rund 35.000 mit Gas. Mit Geschäftsführer Thomas Schäfer haben wir über die Krise, die Preise und die Zukunft der Energieversorgung gesprochen.

Frage: Im Moment sinken die Preise für Gas. Warum zahlen die Gas- und Stromkunden trotzdem höhere Abschläge als vor einem Jahr?

Thomas Schäfer: Unsere Preise bilden sich im Rahmen einer mehrjährigen Beschaffung. Die aktuellen Kosten setzen sich aus den Einkaufspreisen in 2021 und 2022 zusammen. Diese Mischkalkulation führt aktuell zu steigenden Preisen für unsere Kunden, die aber immer noch niedriger sind als der heutige Börsenpreis.

Wann wirkt die Gas- und Strompreisbremse?   

Schäfer: Ab März bekommen private Haushalte 80 Prozent ihres Vorjahres-Verbrauchs zu einem gedeckelten Preis. Das heißt, die Bundesregierung zahlt der WVV die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlichen Preis aus Steuermitteln. Beim Gas ist dieser Preis zwölf Cent, beim Strom 40 Cent pro Kilowattstunde. Das wirkt rückwirkend für die Monate Januar und Februar. Die jetzt geleisteten höheren Abschläge werden dann mit der Jahresabrechnung verrechnet. Wir erwarten, dass die Bundesregierung uns heuer 180 Millionen Euro zahlt, die normalerweise unsere Kundinnen und Kunden bezahlt hätten. 

Das Heizkraftwerk in Würzburg am winterlichen Freitag: Hier erzeugt die WVV Strom und Fernwärme.
Foto: Thomas Obermeier | Das Heizkraftwerk in Würzburg am winterlichen Freitag: Hier erzeugt die WVV Strom und Fernwärme.
Gibt es Kunden, die höhere Abschläge aktuell nicht bezahlen können?

Schäfer: Solchen Kunden bieten wir Ratenzahlungen an. Es sind aber nur wenige Fälle, vielleicht zwei bis drei Prozent unserer 35.000 Gas- und 130.000 Stromkunden.  

Wann kommen die jetzt wieder niedrigeren Beschaffungspreise für Gas bei den Kunden an?

Schäfer: Diese fließen in die Preise der Zukunft ein. Aktuell beschaffen wir für die Lieferjahre 2024 und 2025. Aber auch dann werden die Preise höher sein als vor dem Ukrainekrieg.

Im Herbst war die Angst vor dem Winter groß. Man befürchtete, Deutschland könne das Gas ausgehen und überlegte, wem gegebenenfalls zuerst der Gashahn zugedreht werden müsste. Jetzt sind die Speicher, auch dank des milden Winters, immer noch gut gefüllt. War die Angst übertrieben? 

Schäfer: Dass wir nicht in eine Notlage gekommen sind, obwohl wir im August unseren größten Gaslieferanten verloren haben, war eine gute Leistung vieler Beteiligter. Die Kohleverstromung wurde schnell wieder hochgefahren, Genehmigungsverfahren beschleunigt, es wurde viel Geld in die Hand genommen, um die Energieversorgung zu garantieren. Häufig wird thematisiert, was in diesem Land nicht geht. Es ist ein wichtiges Signal, wenn auch mal etwas gelingt, auf das man ein bisschen stolz sein darf.

Wie hat diese kritische Situation die WVV getroffen?

Schäfer: Wir haben zum Beispiel im September schnell entschieden, für den Winter für eine halbe Million Euro eine Wasseraufbereitungs-Anlage zu mieten. Zu diesem Zeitpunkt war in Deutschland die Salzsäure ausgegangen, die wir brauchen, um Dampf für die Fernwärme herzustellen. Die Anlage hätte die Säure ersetzen können. Wir haben sie dann nicht gebraucht, weil Salzsäure bald wieder verfügbar wurde, aber das wusste damals niemand. 

Hatten Sie damals schlaflose Nächte? 

Schäfer: Es war für jeden eine neue Situation: Seit der Ölpreiskrise in den 70er Jahren war Energie immer verfügbar. Das hat einem schon an der einen oder anderen Stelle ins Grübeln gebracht. Aber dann wurde schnell klar, dass die Speicher gut gefüllt sind und die interne Vorbereitung gut läuft. Wirklich schlecht geschlafen habe ich nicht.    

Wurde in diesem Winter Energie gespart?

Schäfer: Wir merken schon, dass sowohl Großkunden effizienter mit Energie umgehen als auch Privatkunden sparen. Etwa 15 Prozent weniger Gas wurde in diesem - natürlich auch milden - Winter bislang verbraucht.

Seit Juni ist der neue Wärmespeicher am Würzburger Heizkraftwerk an der Friedensbrücke in Betrieb. Er ist  46 Meter hoch und fasst drei Millionen Liter Heißwasser. 
Foto: Ivana Biscan | Seit Juni ist der neue Wärmespeicher am Würzburger Heizkraftwerk an der Friedensbrücke in Betrieb. Er ist  46 Meter hoch und fasst drei Millionen Liter Heißwasser. 
Hat das Heizkraftwerk, das mit Gas Strom und Fernwärme erzeugt, auch gespart?

Schäfer: Ja. Dank unserem neuen Speicher können wir jetzt Wärme zwischenspeichern, um in den Zeiten, in denen wir keinen Strom brauchen, trotzdem Fernwärme zu liefern. Und umgekehrt haben wir im warmen Herbst, als man keine Fernwärme gebraucht hat, die Turbinen ganz ausgeschaltet und Strom nur im Müllheizkraftwerk erzeugt. Dafür haben wir auf der Deponie in Hopferstadt bei Ochsenfurt 8000 Tonnen Müll zwischengelagert.   

Was bedeutet die Energiekrise für den Konzern insgesamt?

Schäfer: Auf der einen Seiten haben wir in einigen Bereichen Mehrkosten, wie zum Beispiel 2,5 Millionen Euro jährliche Mehrkosten für Strom und Diesel für Straßenbahnen und Busse oder auch 700.000 Euro bei der Trinkwasserversorgung für den Strom der Pumpen. Auf der anderen Seite bekommen wir mehr  Kunden, weil kleinere Energieversorger Pleite gegangen sind und unsere Umsätze mit Strom, Gas und Fernwärme wachsen. Dadurch und durch die wirtschaftliche Erholung nach Corona hat sich der Konzernumsatz von 660 Millionen Euro im Jahr 2021 auf 1,2 Milliarden Euro 2022 verdoppelt. Der Gewinn wird die fünf Millionen Euro Verlust aus den beiden Corona-Jahren ausgleichen. 

Das Müllheizkraftwerk in Würzburg auf einem Archivbild von 2022.
Foto: Thomas Obermeier | Das Müllheizkraftwerk in Würzburg auf einem Archivbild von 2022.
Wie viel Strom, den die WVV verkauft, wird in Würzburg erzeugt? 

Schäfer: Etwa 70 Prozent. Davon etwa 80 Prozent mit dem Heizkraftwerk und 20 mit dem Müllheizkraftwerk.

Warum erzeugt die WVV keine regenerative Energie? Die Stadtwerke München besitzen Windräder und Photovoltaikanlagen...

Schäfer: Ein bisschen was haben wir schon. Zum einen über Bürgerbeteiligungsmodelle bei Photovoltaik, zum anderen besitzen wir durch die Beteiligung an einer Windkraft-Gesellschaft Anteile an 200 Windrädern. Wir halten es für sinnvoll, Windkraft an günstigen Standorten aufzubauen und durch die Investition in viele Windräder das Risiko breiter zu streuen als wenn man ein oder zwei eigene hätte. Aber alleine der Ausbau von Windkraft oder Photovoltaik bringt uns nicht weiter. 

Was brauchen wir dann?

Schäfer: Wir brauchen mehr Leitungen und Speichermöglichkeiten. Es ist ja sinnvoll, mehr Windräder dort zu bauen, wo viel Wind weht. Aber dann braucht man auch die Möglichkeiten, den Strom dorthin zu bringen, wo man ihn braucht. Weil das momentan nicht möglich ist, müssen Windräder abgeschaltet, aber ihre Leistung trotzdem vergütet werden. 2021 hätte man in Deutschland Strom im Wert von 800 Millionen Euro mehr erzeugen können, wenn es dafür Leitungen oder Speicher gegeben hätte. 

Hat das mit Gas betriebene Würzburger Heizkraftwerk eine Zukunft?

Schäfer: In Deutschland wird noch länger mit fossiler Energie Strom erzeugt werden. Ein kompletter Ersatz mit regenerativer Energie funktioniert nicht, solange wir damit keine Leistungssicherheit garantieren können. Wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht, brauchen wir Kraftwerke wie unseres. Umso mehr, da im April alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden.  

Und in ferner Zukunft? Bis 2050 soll Deutschland klimaneutral sein. 

Schäfer: Die Turbinen im Heizkraftwerk werden in zehn bis 15 Jahren nicht nur mit Gas, sondern auch mit Biogas oder Wasserstoff angetrieben werden. Ein Teil der Wärme für das Fernwärmenetz, dessen geplanter weiterer Ausbau auch CO2 spart, wird zum Beispiel aus dem Abwasser gewonnen. Nach unserer Analyse kann man damit im Winter bis zu 15 Prozent der Fernwärme erzeugen. Zusätzliche Wärme wird aus Großwärmepumpen in der Dimension einer Turnhalle generiert. In Zukunft wird Energie nicht mehr mit einer Anlage erzeugt, sondern mit einem Mix verschiedener Anlagen.

Das heißt aber auch, dass in diesem Mix auch weiter Erdgas verbrannt und CO2 freigesetzt wird?

Schäfer: Ja. Aber das ist auch kein Problem, wenn man Erdgas lediglich zur Deckung der Verbrauchsspitzen einsetzt. Nur bei tiefen Temperaturen im Winter einige Wochen die Turbinen im Heizkraftwerk mit Gas laufen zu lassen, stellt keine große Klimabelastung dar.

Würzburge Verkehrs- und Versorgungs-Gesellschaft:  WVV

Der WVV-Konzern erwirtschaftete 2022 einen Umsatz von rund 1,2 Milliarden Euro. Der Konzern gehört der Stadt Würzburg und besteht aus den Gesellschaften Stadtwerke Würzburg, die für Strom-, Gas- und Fernwärmeversorgung zuständig sind, Trinkwasserversorgung Würzburg, Würzburger Hafen, Würzburger Stadtverkehr, Würzburger Bäder, Würzburger Kompostwerkt, Würzburger Straßenbahn und anderen. Mit knapp 1600 Arbeitsplätzen ist der WVV-Konzern einer der größten Arbeitgeber der Region. 
 Quelle: WVV
 
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  • jkwue
    Warum soll ich bei der WVV 43,03 Cent pro kWh Strom zahlen wenn Vattenfall aktuell (!) nur 34,97 Cent verlangt. Und bei Vattenfall sind es auch noch 100% Ökostrom.
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  • steve67
    Wer WVV-Kunde ist darf über die hohen Preise auch eine künftig defizitäre Straßenbahnlinie mitbezahlen. Die Strabas machen heute schon Verluste. Wie man da eine neue Linie planen und bauen kann erschließt sich mir nicht.
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  • king_pansen
    ÖPNV ist meist ein defizitäres Geschäft, gehört aber zur Daseins-Sorge
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  • steve67
    Das heißt nicht, dass teuere Strabalinien gebaut werden müssen. Busse tuen es auch. Ja auch die fahren vielleicht defizitär, brauchen aber keine eigenen Schienen und Oberleitungen.
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  • ramark
    …also ich als Würzburger sichere gerne als WVV Kunde 1600 Arbeitsplätze in unserer Region!
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  • ralfestenfeld@aol.com
    Alle Wirtschaftsunternehmen, die eine starke Marktmacht haben oder gar als Oligopole da stehen, nutzen derzeit die "Zeitenwende" aus. Das sind - schon länger - die Mineralölfirmen. Und neuerdings gesellen sich auch die Energieunternehmen dazu. Geradezu paradox wird es mittlerweile an der Stelle, wo der Staat diese Umsätze und vor allem Gewinne auch noch finanziert. Nun kommt - heute zu lesen - das Wasser mit steigendem Preis dazu. Aus meiner Sicht ein potentielles Pulverfass, denn auch das Pflege- und Gesundheitswesen und die steigende Fallhöhe der Rentenfinanzierung kommen dazu.
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  • Wer bei der WVV GmbH seine Energie einkauft wird abgezockt. Andere Anbieter sind sehr viel günstiger (z.B. Vattenfall). Ein Wechsel ist unproblematisch und lohnt sich.
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  • robert.hippeli@t-online.de
    @Hermmax - Es gibt immer einen Anbieter der günstiger ist ( wenn man täglich wechseln könnte) und viele haben es gerade in den letzten Jahren es bereut ständig den Billigheimern nachgelaufen zu sein und waren nach den Pleiten ihrer Anbieter auf einmal in der Grundversorgung und haben gejammert.

    Meine Erfahrung: In der Region ist man als WVV - Kunde auch preislich immer gut aufgehoben!
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  • Mainkommentar
    "Unsere Preise bilden sich im Rahmen einer mehrjährigen Beschaffung. Die aktuellen Kosten setzen sich aus den Einkaufspreisen in 2021 und 2022 zusammen. Diese Mischkalkulation führt aktuell zu steigenden Preisen für unsere Kunden".

    Na dann hoffen wir mal das die Mischkalkulation der überbezahlten WVV Geschäftsführergehälter dann auch sinkt, wenn die Preisabzocke der Verbraucher auch wieder zurückgeht.
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