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OCHSENFURT
BGH kassiert Fernwärme-Urteil
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:41 Uhr

Die Kontroverse zwischen der Fernwärmeversorgung Ochsenfurt (FWO) und einer Bürgerinitiative aus Fernwärmekunden um die Berechnung des Wärmepreises schwelt nun bereits seit einem Jahrzehnt. Der Rechtsstreit, den Sprecher Klaus-Jürgen Müller stellvertretend für die Mitglieder der BI führt, hat inzwischen sogar den Bundesgerichtshof erreicht. Und der fällte ein Urteil, das nicht nur Wasser auf die Mühlen der BI ist, sondern von der Fachpresse als wegweisend für die Stärkung der Rechte von Fernwärmekunden eingeschätzt wird (AZ: VIII ZR 268/15).

Die Fernwärmeversorgung Ochsenfurt war 1981 gegründet worden. Bis 2016 waren die Stadt, die Südzucker AG und die Gasversorgung Unterfranken zu je einem Drittel an der Gesellschaft beteiligt. Die Fernwärme wurde in der Zuckerfabrik erzeugt und an die rund 240 angeschlossenen Haushalte in der Ochsenfurter Altstadt verteilt. 2016 schied die Südzucker AG aus der GmbH aus, liefert aber weiterhin die Wärme.

BI zieht die Korrektheit der Berechnung in Zweifel

Der Wärmepreis wird nach einer komplizierten Formel berechnet, der vom Preis für leichtes Heizöl und einer Lohnkostenkomponente abhängt. Die Bürgerinitiative zieht die Korrektheit dieser Berechnung in Zweifel. Kernpunkte der Kritik: Die Wärme werde in der Ochsenfurter Zuckerfabrik aus Erdgas erzeugt und nicht aus Heizöl, deshalb müsse auch der Gaspreis der Berechnung zugrunde liegen. Und: Die Berechnung sei undurchsichtig und lasse keinen Rückschluss auf die tatsächlichen Veränderungen der Wärmeerzeugungskosten zu, wie es die Fernwärmeverordnung fordere.

Deshalb hat Klaus-Jürgen Müller, selbst Hausbesitzer in der Altstadt, bereits 2005 Widerspruch gegen die Jahresrechnung eingelegt und zahlt seitdem nur den bis dahin gültigen Arbeitspreis von 4,08 Cent pro Kilowattstunde. 2013 klagte die FWO gegen Müller und forderte aus den zurückliegenden drei Jahren 2238 Euro nebst Zinsen. Das Amtsgericht Würzburg wies die Klage ab. Die FWO habe den Zahlungsanspruch nicht nachweisen können, hieß es zur Begründung.

Landgericht billigte das von der FWO verwendete Berechnungsverfahren

Die FWO legte Berufung ein und hatte damit vor dem Landgericht Würzburg Erfolg. Dieses verurteilte Klaus-Jürgen Müller zur Zahlung der geforderten Summe und billigte auch das von der FWO verwendete Berechnungsverfahren. Den Heizölpreis als Bezugsgröße für den Fernwärmepreis heranzuziehen sei rechtens, so die Richter, weil sich auch der Preis, zu dem Südzucker das Gas von der Gasuf einkauft, auf leichtes Heizöl bezieht.

Damit spiegele die Preisänderungsklausel sowohl die tatsächliche Kostenentwicklung bei der Energieerzeugung als auch die allgemeinen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen wider, weil dieser ebenfalls wesentlich vom Heizölpreis abhänge, so das Landgericht in seiner Urteilsbegründung.

Gravierende Mängel in der Beurteilung

Ein Irrglaube, wie jetzt der Bundesgerichtshof festgestellt hat. Unterstützt von einem Fachanwalt hatte Klaus-Jürgen Müller den BGH angerufen, und der stellte in der Beurteilung des Landgerichts gravierende Mängel fest.

Aufgrund der in der Berufungsverhandlung getroffenen Feststellungen lasse sich „nicht einmal ansatzweise beurteilen“, ob die Kosten der Erzeugung und die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigt werden, so die obersten Bundesrichter.

Das Landgericht habe vorangegangene Urteile des BGH falsch interpretiert und auch die Wirkungsweise der Berechnungsformel nicht ausreichend untersucht.

Landgericht hat wesentliche Aspekte falsch bewertet

Dabei äußern die Richter grundsätzliche Kritik an der bisherigen Vorgehensweise der Fernwärmegesellschaft und stützen damit den Standpunkt der BI. Weil die FWO die Wärme nicht selber herstellt, sondern von Südzucker bezieht, müssen sich auch Preisanpassungen an den tatsächlichen Bezugskosten orientieren und nicht an den Brennstoffkosten.

Auf 29 Seiten begründen die Bundesrichter ihre Entscheidung und kommen dabei immer wieder zu dem Schluss: Die 4. Zivilkammer des Landgerichts Würzburg hat wesentliche Gesichtspunkte entweder nicht oder falsch bewertet. Das Ergebnis: Das Urteil ist damit Makulatur, das Verfahren muss vor einer anderen Kammer erneut aufgerollt werden.

Termin für Verhandlung steht noch nicht fest

Wie Gerichtssprecher Rainer Volkert auf Anfrage mitteilt, wird sich nun die 3. Zivilkammer mit dem Fall befassen und dabei die Hinweise des BGH berücksichtigen müssen. Dabei legt das BGH-Urteil nahe, einen Sachverständigen zur Beurteilung der Preisanpassungsklausel heranzuziehen. Inzwischen wertet die zuständige Kammer die Schriftsätze der Parteien aus, so der Gerichtssprecher. Der Termin für eine öffentliche Verhandlung stehe noch nicht fest.

Der Bund der Energieverbraucher begrüßt die Entscheidung des BGH. „Das Urteil ist besonders bedeutsam, da höchstrichterliche Urteile in diesem Versorgungsbereich bisher spärlich gesät sind“, heißt es im Verbandsblatt „Energiedepesche“. Ob die Fernwärme für ihre Kunden günstiger wird, lässt sich aus dem Richterspruch allerdings nicht ersehen.

Südzucker AG liefert vermutlich die Wärme weiterhin

„Wir können nur abwarten, wie das Landgericht jetzt entscheidet“, sagt auch der Beklagte Klaus-Jürgen Müller. Und die FWO will sich zu dem schwebenden Verfahren nicht äußern, so Aufsichtsratsvorsitzender Bürgermeister Peter Juks auf Anfrage der Redaktion.

Derweil laufen die Verhandlungen über die Zukunft der FWO auf Hochtouren. Die Südzucker AG war 2016 aus der GmbH ausgeschieden, hat sich aber bereit erklärt, die Gesellschaft bis zum Bau eines eigenen Kraftwerks weiter mit Wärme zu versorgen. Als Standort eines Blockheizkraftwerks war eine Fläche an der Fabrikstraße in Betracht gezogen worden. Nach Informationen der Redaktion gilt es inzwischen aber als wahrscheinlich, dass die Südzucker AG auch weiterhin die Wärme liefert, allerdings nicht mehr als Mitgesellschafter. Ein Konzernsprecher bestätigt entsprechende Gespräche mit der FWO. Das Ergebnis sei aber noch offen.

 
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  • Arcus
    Eine Blamage für die zuständigen Richter am Würzburger Landgericht. Wer war da denn zuständig. Eine schwere Schlappe aber auch für die Stadt Ochsenfurt als 50% Gesellschafter.
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