
Zu Beginn der neuen Woche hatten wir 26 Covid-Erkrankte im Klinikum Würzburg Mitte in Behandlung, sechs davon auf den Intensivstationen. Allerdings sind am Montagmorgen in den Notaufnahmen noch einige neue Corona-Fälle dazugekommen.
Bereits am Wochenende haben wir einen Covid-Patienten aufgenommen, der an der Landesgrenze zu Südhessen lebt. Der Mann wurde zunächst vom Hausarzt versorgt, aber plötzlich verschlechterte sich seine Atmung. Er bekam zusätzlichen Sauerstoff, man hat sich ambulant sehr um ihn bemüht. Trotzdem konnte der Patient immer schlechter atmen.
Gravierende Symptome nicht voreilig als Impfreaktion abtun
Ein Pneumologe überwies ihn dann am Freitag zu uns, und hier stellte sich heraus: Er hat eine Lungenembolie. Das war sicher eine Folge von Covid-19. Es war höchste Zeit, dass der Mann gekommen ist. Nach unserem Eindruck hat der Patient sehr viel ausgehalten, was die Klinikeinweisung verzögert hat. Eine Lungenembolie ist ein potentiell lebensbedrohliches Krankheitsbild – er hatte Glück, dass es dann so schnell ging. Das war insgesamt knapp.
Auch eine andere Geschichte hat mich nachdenklich gemacht. In diesem Fall geht es um einen Patienten, der seit Mitte vergangener Woche unter starken Kopfschmerzen litt. Da er kurz zuvor seine Booster-Impfung bekommen hatte, dachte er, das sei eine Impfreaktion. Er nahm Schmerzmittel, die Kopfschmerzen wurden aber immer massiver und am Samstagmorgen kam er zu uns in die Notaufnahme. Dort war dem Kollegen sofort klar, dass es keinen Zusammenhang zur Impfung gibt.
Schnell lag der Verdacht nahe, dass der Mann eine Hirnblutung hat. Das hat sich bestätigt, der Patient wurde in die Neurochirurgie verlegt. Sein Beispiel zeigt: Gravierende Symptome sollte man nicht voreilig als Impfreaktion abtun – sondern zügig zum Arzt gehen.
Behandlung von Covid-Erkrankten erfordert Kraft und Durchhaltevermögen
Am Montagmorgen war ich mit Kollegen lange zur Visite auf der Intensivstation. Leider fühlt man sich dort bei der Versorgung der schwer an Covid- Erkrankten manchmal wie bei einem Déjà-vu. So haben wir gerade eine Patientin aus Südbayern. Sie wird bereits seit eineinhalb Monaten behandelt. Zwei Mal waren wir kurz davor, sie von der Beatmung zu entwöhnen. Jedes Mal gab es Komplikationen, Infekte, eine Lungenentzündung, die sie wieder zurückwarfen.
Für das Team heißt das, wieder und wieder das Gleiche zu durchleben. Natürlich läuft die Corona-Behandlung mittlerweile routiniert. Trotzdem gibt es bei Covid-19 manchmal Schleifen, die man drehen muss, bei denen man fast wieder von vorne anfängt. Das erfordert vom gesamten Team viel Kraft und Durchhaltevermögen.
Häufig gefragt werde ich, ob wir Sorge haben, dass durch die beschlossene Impfpflicht für Einrichtungen im Gesundheitswesen Mitarbeiter abspringen. Da muss man klar sagen: Es kommt auf jede einzelne Kraft an. Es ist wichtig, dass niemand der Patientenversorgung verloren geht. Aber wenn so ein Schritt unausweichlich erscheint, kann man nicht aus Angst vor Kündigungen davor zurückschrecken.
Insgesamt sollte man die Vorgabe als einrichtungsbezogene Entscheidung betrachten – es ist keine Impfpflicht für die Pflege, sondern genauso für Ärzte, Physiotherapeuten, Logopäden oder andere Mitarbeiter. Bei uns im Klinikum habe ich das Gefühl: Die Quote war vorher schon sehr gut, aber durch die Impfpflicht ist nochmal Bewegung reingekommen.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (51) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patienten zuständig. In seinem Tagebuch gibt er regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag. Alle Folgen finden Sie unter www.mainpost.de/corona-tagebuch
"Auch eine andere Geschichte hat mich nachdenklich gemacht. In diesem Fall geht es um einen Patienten, der seit Mitte vergangener Woche unter starken Kopfschmerzen litt. Da er kurz zuvor seine Booster-Impfung bekommen hatte, dachte er, das sei eine Impfreaktion. Er nahm Schmerzmittel, die Kopfschmerzen wurden aber immer massiver und am Samstagmorgen kam er zu uns in die Notaufnahme. Dort war dem Kollegen sofort klar, dass es keinen Zusammenhang zur Impfung gibt."
Das macht mich jetzt aber auch nachdenklich. Woher wusste der Kollege, und zwar sofort, dass es keinen Zusammenhang zur Impfung gibt? Bei diesem genialen Gott in Weiß kann ja noch nicht mal der schnöde Feldwaldwiesengott mithalten.