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Würzburg
Dr. Helds Corona-Tagebuch: Eine hochdramatische Situation
Die Intensivstation ist bereits voll belegt. Dann wird eine Notfall-Patientin eingeliefert. Was das für eine Klinik bedeutet, berichtet Lungenspezialist Dr. Matthias Held.
Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte, beschreibt den manchmal schwierigen Spagat zwischen der Versorgung von Corona-Erkrankten und der Fürsorge für andere Patienten.
Foto: Archivbild: Fabian Gebert | Dr. Matthias Held, Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte, beschreibt den manchmal schwierigen Spagat zwischen der Versorgung von Corona-Erkrankten und der Fürsorge für andere Patienten.
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:57 Uhr

Zum Ende der Woche behandeln wir 27 Covid-Erkrankte im Klinikum Würzburg Mitte, davon sechs auf den Intensivstationen. Zudem haben wir gestern erneut einen Patienten im Rahmen des bayernweiten Ausgleichs übernommen, in diesem Fall aus Aschaffenburg.

Generell sind wir also in der Lage, zu unterstützten. Allerdings sind die Warnungen vor einer Überlastung der Intensivmedizin keine Gespenster. Das haben wir Mitte der Woche erlebt, als es bei der Versorgungskapazität von Notfällen kurzzeitig eng wurde. Im Juliusspital wurde eine Patientin mit einer lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörung eingeliefert. Die Ursache war ein verschlossenes Herzkranzgefäß. Um ihr zu helfen, muss man die Durchblutung wiederherstellen. Solche Patienten sind definitiv intensivpflichtig – aber die Bettenkapazität war in diesem Moment ausgeschöpft.

Eine Impfskeptikerin, die ihre Fehler erkennt

Deshalb wurde die Patientin in der Notaufnahme erstversorgt und kam dann unter Intensivbedingungen ins Herzkatheter-Labor. Dort ist es glücklicherweise gelungen, das Gefäß zu öffnen, einen Stent zu implantieren und die Stabilität wiederherzustellen. Natürlich muss man nach einem solchen Eingriff überwacht werden. Dazu konnten wir die Patientin zwar nicht auf der Intensivstation, aber auf der Notaufnahmestation unterbringen. Dankenswerterweise konnte die hochdramatische Situation durch die flexible Beteiligung von Kardiologie und Notaufnahme gemeistert werden.

Sehr berührt hat mich auch ein Gespräch mit einer Frau, die in der Pflege tätig ist und lange der Impfkampagne gegenüber skeptisch eingestellt war. Sie hatte sich zu Beginn der Pandemie zunächst impfen lassen – aber im Laufe der Monate eine kritische Position eingenommen. Nicht aus medizinischen Gründen, wie sie selbst sagt. Sondern weil sie ein freiheitlich eingestellter Mensch sei und die Impfkampagne als Bevormundung empfunden habe. Und möglicherweise hat sie in Diskussionen unsichere Menschen beeinflusst. Nun aber hat sie erkannt, dass sie sich verrannt hatte und sich für einen Booster entschieden. Darüber spricht sie ganz offen. Das finde ich menschlich extrem reif.

Die Pandemie erschwert wichtige Gespräche mit Krebspatienten

Was mich derzeit immer wieder beschäftigt, ist die Frage: Was ist dringlich? Meist geht es da um die OP-Versorgung und Notaufnahmen. Es gibt aber noch mehr. Ein Beispiel: Bei einem Patienten standen nach einem diagnostischen Eingriff Ergebnisse aus. Es ging um die Abklärung, ob an einem Organ ein Tumor vorliegt. Der Befund war komplex und es waren an den Gewebeproben mehrere Nachuntersuchungen nötig. Man musste nachhaken, um die Diagnostik zu beschleunigen – und dafür braucht man Zeit.

Für eine gute onkologische Versorgung ist es wichtig, dass man Befunden sorgfältig nachgeht. Und vor allem, dass man sich Zeit nimmt, Patientinnen und Patienten die ernste Diagnose zu überbringen. Oft ist es dann so, dass die Betroffenen nicht alles aufnehmen können, dass sie verdrängen. Deshalb sind erklärende Gespräch so wichtig und dabei sollten Angehörige dabei sein.

Normalerweise ist das kein Problem, aber in Corona-Zeiten gelten Besuchsbeschränkungen. Davon gibt es Ausnahmen, aber nicht für solche bedeutsamen Gespräche. Auch da bedroht die Pandemie die Patientenversorgung. Als Behandler muss man hier einen Weg finden und wenn man aus innerer Überzeugung Arzt ist, widerstrebt es einem in solchen Momenten total, Menschen von gemeinsamen Terminen in der Klinik abhalten zu müssen.

Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (51) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patienten zuständig. In seinem Tagebuch gibt er in den kommenden Wochen regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag. Alle Folgen finden Sie unter www.mainpost.de/corona-tagebuch

 
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  • C. H.
    Dramatisch? Ja! Aussergewöhnlich? Nein! Jedes Jahr das gleiche, nur dass immer weniger Personal da ist. Hier versagt die Politik seit Jahren und besonders seit Corona!
    Hohe Belegzahlen? Ja! Aber immer noch weniger als vor einem Jahr! Und trotzdem im normalen Rahmen eines jeden Winters. Dieser Tatsache verschliesst sich die Politik auch seit Jahren. JEDEN Winter ist Großkampfzeit auf den ITS. Das will einfach nur keiner hören.
    Auch die Redaktion dieser Zeitung vergisst da gerne mal ihre eigene Berichterstattung der vergangenen Jahre. -> Archiv
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  • R. W.
    Habe bei dieser hochinteressanten Serie heute leider eine Einschätzung von Herrn Dr. Held vermisst, inwiefern sich nach der Impfpflicht für Klinikpersonal eine mögliche Kündigungswelle auf den Betrieb in Kliniken auswirken könnte.
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