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Würzburg
"Die wollten den letzten Tropfen aus mir rauspressen": Wie Bitcoin-Betrüger einem Unterfranken 28.000 Euro abnahmen
Auch in Unterfranken gibt es Dutzende Opfer von Bitcoin-Betrügern: Ein Geprellter aus der Region erzählt, wie er Zehntausende Euro an eine Krypto-Bande verlor.
Der Traum vom schnellen Reichtum mit Bitcoin ist bei vielen Anlegern geplatzt. Auch in Unterfranken fielen Dutzende von Anlegern auf die Masche von Betrügern rein.
Foto: Rick Bowmer/AP/dpa | Der Traum vom schnellen Reichtum mit Bitcoin ist bei vielen Anlegern geplatzt. Auch in Unterfranken fielen Dutzende von Anlegern auf die Masche von Betrügern rein.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 15.07.2024 11:49 Uhr

Harald B. will nicht zum Schaden auch noch den Spott haben, deshalb ist sein Name hier geändert. Der 51-Jährige aus dem Raum Würzburg ist stinksauer auf die Betrüger, die ihn schwindelig gequatscht haben - aber noch mehr auf sich selbst, wegen seiner eigenen Gutgläubigkeit. "Ich kann den Satz 'Gier frisst Hirn' nicht mehr hören," sagt er. Und er fügt an: "Blöderweise stimmt er. Und dafür werde ich bis an mein Lebensende Lehrgeld zahlen."

Mit dieser bitteren Bilanz ist er nicht allein: B. ist einer von gut einem Dutzend gutgläubiger Investorinnen und Investoren aus dem Raum Kitzingen, Würzburg, Haßfurt und Bad Kissingen. Sie alle verstehen zwar von Krypto-Währungen nichts. Aber sie wollten zu gerne daran glauben, dass man auch als Laie mit Bitcoin reich werden könne.

Wie eine Bitcoin-Bande ahnungslose Laien abzockte

Heute gehört Harald B. zu einer internationalen Gemeinschaft, die viele Tausend Opfer zählt – ausgeplündert von einer der raffiniertesten internationalen Betrugsorganisationen im Internet, die deutsche Ermittler je aufgedeckt haben. Ermittler sprechen gerne von den "Bitcoin-Betrügern", offiziell ist von der "Milton-Group" die Rede in dem Fall angeblicher Finanzberater im Internet, der international seit zwei Jahren für Schlagzeilen sorgt.

"Der Tätergruppierung können Hunderte betrügerische Trading-Plattformen und Dutzende Callcenter in verschiedenen Ländern zugeordnet werden", sagt der aus Würzburg stammende Oberstaatsanwalt Markus Küstner. Mit seinem Kollegen Nino Goldbeck von der Spezial-Staatsanwaltschaft für Internet-Betrug in Bamberg führt er die Ermittlungen.

Der Schaden sei immens: "Allein in Deutschland ist von deutlich mehr als 100 Millionen Euro auszugehen," sagen die Ermittler, die über Landesgrenzen hinweg auch Hintermännern an den Kragen gingen. 

Der Traum vom schnellen Reichtum mit Bitcoin

Menschen wie Harald B. erlagen dem Mythos vom schnellen Reichtum durch die Kunst-Währung Bitcoin. Ein Nachbar wies ihn auf eine der Internetseiten hin, die "TradeSolid" oder "ProfitsTrade" und "MyCoinBanking" hießen.

B. sagt: "Ich lasse mir normalerweise nicht so leicht ein X für ein U vormachen." Aber er sparte seit Jahren für sein großes Ziel: Ein halbes Jahr Auszeit vom Beruf auf Hawaii, Waikiki-Beach statt Würzburger Stadtstrand. Doch Harald B. fehlte das Geld für den großen Traum.

Die Gier nach mehr Gewinn treibt ihn in die Arme von Online-Betrügern

B. signalisierte Interesse an Bitcoins, hinterließ bei einer Website E-Mail-Adresse und Telefonnummer. "Bereits nach zwei Tagen kam der erste Anruf," erinnert er sich. Der Mann am anderen Ende nannte sich Ralf, schilderte die Chancen in glühenden Farben: "Ich könne mit meinem Investment in Bitcoins oder andere Werte 70, 80 0der gar 90 Prozent Gewinn machen, versicherte er."

Zuerst war Harald B. vorsichtig, überwies nur 250 Euro. Als daraus auf seinem neu angelegten Konto kurz darauf 350 Euro wurden, freute er sich einen Moment lang - bis ihn der Finanzberater Ralf wieder kontaktierte und vorrechnete, wie viel Gewinn er mit 2500 Euro Einsatz gemacht hätte, oder mit 5000. 

"Als ich meine Gewinne überwiesen haben wollte, hielt man mich zunächst hin."
Harald B.

B. ließ sich überreden, legte Geld nach, wieder und wieder, bis sein Internet-Konto bei den Finanzmaklern angeblich satte 40.000 Euro aufwies. Der Traum von Hawaii schien näher zu rücken.

Dass die Kontakter von Call-Centern in sicherer Entfernung aus Serbien, Georgien oder Moldawien anriefen, ahnte Harald B. nicht. Noch weniger, dass seine Gewinne nichts als beliebige Zahlen auf einer täuschend echt aussehenden Kontoseite waren und in Wahrheit kein Cent seines Geldes investiert wurde.

Andere Opfer der Masche überwiesen laut der Bamberger Spezial-Staatsanwaltschaft bis zu sechsstellige Beträge, weil sich ihre Depots schneller zu füllen schienen als ein Wasserfass bei Sintflut. Dass im Fass ein Loch war, merkten sie alle erst, als sie auf dem Trockenen saßen.

Bittere Erfahrung der Opfer des Bitcoin-Betrugs: Das Geld verschwindet in dunklen Kanälen

Nach ein paar Wochen wurden Harald B. die Gewinne unheimlich. In der Zeitung las er vom hin und her an den Börsen, nur auf seinem Konto schien es fast immer steil bergauf zu gehen. Er beschloss aufzuhören. "Als ich meine Gewinne überwiesen haben wollte, hielt man mich zunächst hin." Es hieß, er sollte weiteres Geld überweisen, zur Deckung angeblicher Gebühren, Steuern und Unkosten.

Bitcoins werden digital verwahrt, wozu in der Regel ein Dienstleister genutzt wird. (Symbolbild)
Foto: Marijan Murat/dpa | Bitcoins werden digital verwahrt, wozu in der Regel ein Dienstleister genutzt wird. (Symbolbild)

Heute weiß er: "Die wollten den letzten Tropfen aus mir rauspressen." Dann  wurde der Kontakt abrupt abgebrochen. Der zuvor so kooperative Bitcoin-Berater Ralf war unter der bisherigen Nummer und im Internet nicht mehr erreichbar.

Heute weiß Harald B., dass er Opfer eines perfekt gestylten Blendwerks und gerissener Betrüger war, die seine Bedenken immer wieder gut geschult weggequatscht hatten. Sein rasch wachsender Kontostand schien ihnen lange Recht zu geben.

Über 28.000 Euro hatte B. überwiesen, die satte Gewinne brachten – aber nicht ihm. Die Täter leiteten Millionenbeträge auf andere Konten in ihrem Firmengeflecht um, häufig fand ein Umtausch in Krypto-Währungen statt, was die Verfolgung erschwerte. Am Ende war das Geld verschwunden.

Bayerische Ermittler haben Krypto-Betrüger aus mehreren Ländern auffliegen lassen

Dabei haben bayerische Fahnder in Bamberg mit Kollegen im In- und Ausland kürzlich in jahrelanger Ermittlung das gesamte System einer solchen internationalen Gruppierung auffliegen lassen: Am 8. November 2022 wurden Dutzende von Immobilien in fünf Ländern durchsucht. Diesmal schnappten die Internet-Ermittler nicht nur wortgewandte Telefonisten, sondern sogar die Hintermänner in Israel, das drei Landsleute nach Deutschland auslieferte.

Sie fassten auch einen 44-jährigen Ukrainer, der für Werbekampagnen verantwortlich gewesen sein soll, und eine 30-jährige Russin, die Telefonnummern und E-Mail-Adressen von zahlungswilligen Kunden für die Mitarbeiter der Callcenter beschaffen und verwalten sollte.

Von 77 Millionen Euro aus dem Bitcoin-Betrug sind nur noch 13 Millionen übrig

Allein die drei Israelis wurden in einem bayerischen Pilotverfahren vor Gericht in Regensburg im April beschuldigt, 77 Millionen Euro abgezockt zu haben, nur noch 13 Millionen Euro konnten gesichert werden. "In Wirklichkeit kassierten sie ein Vielfaches davon, aber das ist, was wir ihnen nachweisen können," sagt ein Ermittler.

Weltweit müsse mit hunderttausenden Geschädigten gerechnet werden. Der geschätzte Gesamtschaden liege im Milliardenbereich, heißt es in einer Presseerklärung der Zentralstelle Cybercrime beim Generalstaatsanwalt in Bamberg.

Im April wurden drei Israelis verknackt: Darunter ein 62-jähriger Vater und sein 35-jähriger Sohn, der als Kopf der Bande gilt. Den 35-Jährigen verurteilte das Gericht zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und neun Monaten, seinen Vater zu vier Jahren und zwei Monaten.

Nach dem Bitcoin-Betrug folgt die nächste Abzock-Masche

Für Harald B. ist das nur ein schwacher Trost. Geprellten Kunden wie ihm wird oft zum zweiten Mal das Geld aus der Tasche gezogen - von Anwälten, die bei der Wiederbeschaffung des verlorenen Geldes Hilfe anbieten, um Ansprüche auf das beschlagnahmte Vermögen der Gauner zivilrechtlich geltend zu machen.

"Hier sollten sich die geschädigten Anleger von einem auf Online-Anlagebetrug spezialisierten Rechtsanwalt beraten und vertreten lassen", steht zum Beispiel in Werbeanzeigen solcher Anbieter. Der Haken dabei: Viele Rechtschutzversicherungen weigern sich, die Kosten dafür zu übernehmen.

Harald B. hat die Hoffnung aufgegeben. "Soll ich jetzt noch mal Tausende ausgeben, mit der vagen Chance, nach jahrelangem Rechtsstreit vielleicht ein paar Hundert Euro zurückzukriegen?", fragt er resigniert. Der Traum von Waikiki ist wohl im Raum Würzburg baden gegangen.

 
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  • H. S.
    Je höher die Rendite, umso höher das Risiko! Viel Rendite ohne Risiko gibt es nicht!
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  • G. W.
    Man kann genauso gut bei der staatlichen Lotteriegesellschaft jede Woche 10€ verblembern, da bleibt der Schaden überschaubar und die Chancen auf einen Zugewinn sind höher.
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  • R. B.
    Aus eigener Erfahrung ...
    Nein, es gibt nicht "das" Schnäppchen - weder im Internet, noch sonst wo. Niemand hat etwas zu verschenken. Als Finanzberater gibt sich nur derjenige aus, der es am wenigsten ist und schon gleich gar nicht gelernt hat. Und - warum sollte ich auf jemand hereinfallen, der vorgibt, mein Geld enorm vermehren zu können? Würde es funktionieren hätte derjenige es längst selbst gemacht. Jeder weiß das, jeder kennt das - wenn nur diese verdammte Gier nicht wär ...
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  • H. Z.
    Frage an die MP:
    Was für einen Beruf/Tätigkeit hatte/hat dieser Harald B.?
    War/ist er eine Studierter/Banker oder Arbeiter?
    Mich würde nur interessieren mit welchen Background man in solchen Betrügereien rein fallen kann. Ich denke dies kann jeden passieren , auch Akademiker. Jeder hat doch so einen "Waikiki"-Traum, den man sich vor dem Lebensende noch erfüllen will.

    Ich hoffe für Harald B., dass er noch ein bischen etwas im Background hat und deshalb nicht länger arbeiten muss. Viel Erfolg und alles Gute für Harald B. und vielen Dank für die Veröffentlichung. Dies gilt für viele Menschen als Warnung!
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  • M. S.
    Es sind Menschen aller sozialen Schichten dabei, nicht nur „einfache“ Arbeiter, auch Akademiker und gelernte Kaufleute, die es eigentlich besser wissen müssten.
    Der Autor
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  • H. Z.
    Danke für die Info!
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  • R. A.
    Das Geld ist nicht „weg“.
    Es hat nur ein anderer, der eben cleverer war.
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  • D. P.
    Kryptowährung an sich ist schon ein perfides Schneeballsystem, von dem nur sehr wenige profitieren. Der Wert existiert nur, weil etwas Künstliches künstlich verknappt wird und Menschen ihr echtes Geld investieren. Aber ein Schneeballsystem zu erschaffen, das auf der Gier eines anderen Schneeballsystems aufbaut, um damit Leute über den Tisch zu ziehen - darauf muss man erstmal kommen. Und entsprechend undurchsichtig ist das für ahnungslose Anleger.
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  • I. R.
    Schneeballsysteme sind nicht soo undurchsichtig. Nur viel Arbeit uwirksamere Methoden, inkl. Wirtschaftsprüfer. Die haben einen bestimmten Aufwand vertraglich vereinbart, der bezahlt wird. Da ist dafür oft nicht genug drin.

    Neben dem kürzlich Wirecardskandal z. B. der Geld-Werttransporter-Skandal HEROS 2006, der u.a. im Einzelhandel die REWE (3stellige Miosumme) und viele Banken (inkl. Deutschen Bank!) heftig traf.
    Motiv für die war nicht toller Gewinn, sondern die niedrigsten Transportkosten im Land. GIER FRISST HIRN! Fast die Hälfte der Auszahlungen an Bankautomaten war vorübergehend gefährdet.

    Ich hatte früh erkannt, was da lief, nur keine Beweise. Dann fällt das unter Rufschädigung!! Meine Bank ist mir trotzdem gefolgt, ihre Aufträge runtergefahren, minimale Verluste, viele Millionen gespart!

    Interessant: Das EU-Gesetz zum Whistleblower-Schutz ist wg. Blockade der Union in BRD seit 1 Jahr offen! Lobbyismus?
    Kostet die BRD 50Tsd € EU-Strafe - pro Tag! Fragen?
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  • J. N.
    Bitcoin und andere Kryptowährungen sind eine sehr riskante Geldanlage, sie sind aber kein Schneeballsystem.
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  • I. R.
    @June:
    Klar, die sind ja nicht alle Betrug!
    Man kann die, wie woanders auch, nur etwas so nutzen. Das führte in dem Fall im MP-Artikel dazu.
    Was mir früher in meiner Compliance-Tätigkeit einmal auffiel war, dass es vor allem Männer sind, die bei den größeren Reinfällen dieser Art dabei waren. Frauen hatten eher nur Pech, einfach die falschen Aktien oder Papiere gekauft oder so. Ich weiß aber nicht, ob das statistisch wirklich so ist oder Zufall bei den Akten, die mir untergekommen sind.

    Der Ärger ist, wie ich (leider im Kommentar mit Tippfehler bei wirksam) schrieb, dass man viel Wissen und andere Methoden braucht, um das schnell zu sehen, bevor es zu spät ist. Schneeballsysteme brauchen eine gewisse Laufzeit.

    Viele Prüfungen, nach rein auf Vergangenheitvorfällen fußende Vorgehensweisen sind zwar auch wirksam, aber eigentlich braucht es seit Jahren mehr Mut, anders vorzugehen, um mehr zu verhindern.
    Bin inzwischen aus dem Thema raus - die Leute tun mir nur sehr leid.
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  • H. S.
    Mit 28.000 Euro hätte man sich aber ne schöne Auszeit auf Waikiki machen können...
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