Der Bitcoin-Preis ist im vergangenen Jahr förmlich explodiert. Dabei hat die Kryptowährung keinerlei Sachwert, Experten warnen vor einem Crash. Indes nehmen Fachleute vom Wort „Digitalwährung“ mittlerweile Abstand. Viel zu schwankungsanfällig sei der Bitcoin, als dass er ein probates Zahlungsmittel sein könnte.
Vor drei Wochen war er auf fast 20 000 US-Dollar gestiegen, vor zwei Wochen auf annähernd 11 000 Dollar gefallen – um nun wieder bei mehr als 15 000 Dollar zu stehen. Wäre das der Euro, würde wohl bei vielen Menschen Panik ausbrechen.
Die meisten verstehen gar nicht, um was es genau geht
Beim Bitcoin ist stattdessen immer häufiger von einem „Spekulationsobjekt“ die Rede: die Wette darauf, dass man nach dem Kauf immer jemanden findet, der bereit ist, noch mehr Geld für diese Sache auszugeben. Doch das durchschauen die meisten nicht. Das ist es, was bei Joachim Goldberg, Blogger und Experte für Verhaltensökonomik, die Alarmglocken schrillen lässt.
„Es ist wie damals bei der Dotcom-Blase, als sich nur die wenigsten ernsthaft mit der Materie der Tech-Unternehmen auskannten, sich aber jeder fragte: Warum bin ich nicht auch dabei?“ Goldberg glaubt, dass es unter anderem Geschichten sind, von „dem einen Freund, der über Nacht reich geworden ist“, die den Ausschlag geben. Für den Zuhörer bleibe das als Referenz im Gedächtnis hängen, genauso wie die Nachrichten über immer neue Kursexplosionen.
Was es mit FOMO auf sich hat
„Jeder Mensch nutzt solche Referenzpunkte“, sagt Goldberg. Sie lösten einen Reiz aus, gegen den man sich schlicht nicht immer wehren könne. Damit einher gehe auch die Angst, etwas zu verpassen – in der Anlegerpsychologie oftmals als „FOMO“ (fear of missing out) bezeichnet. Diese Vorstellung, bei der ständig zitierten Preisrallye nicht dabei gewesen zu sein, versetzt den Investor von vornherein in einen Zustand des Bedauerns. Ein unschönes Gefühl, das jeder Mensch versucht zu vermeiden. Im Zweifelsfall führt das zu einer höheren Risikofreude.
Würzburger Fachmann sagt: Viele werden geblendet
Ähnlich sieht das Andreas Schütz. Der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Fachhochhochschule Würzburg-Schweinfurt (FHWS) hat sich durch Vorträge und eine Info-Website zu Kryptowährungen in der Region einen Namen gemacht. Der 32-Jährige hat es nach eigener Aussage immer häufiger mit Menschen zu tun, die mit einer Art Torschlusspanik einfach mit Bitcoins kaufen wollen – ohne jedoch die dahinter stehende Technik zu verstehen und ohne zu wissen, ob dieses Digitalgeld überhaupt die richtige Wahl für sie ist. Schließlich ist Bitcoin beileibe nicht die einzige Kryptowährung, es gibt viele Alternativen.
Doch das Gefühl, „dass man am Anfang von etwas Großem steht“, blende viele Bitcoin-Interessierten, meint Schütz. Noch nie dagewesene Kursgewinne dieser Währung in der jüngsten Vergangenheit tragen zur steigenden Euphorie bei. In der Tat „gibt es in der Szene den FOMO-Effekt“, hat Schütz beobachtet.
„Man könnte auch sagen: Gier frisst Hirn“
Dass die Leute beim Bitcoin momentan durchaus risikofreudig sind, zeigen die „Cryptocurrency“-Umfragen, die das Frankfurter Beratungsunternehmen Sentix seit September wöchentlich durchführt. Dabei wird nicht nur die aktuelle Stimmung rund um die bekannteste aller Internetwährungen erfasst, sondern auch der „strategische Bias“, also das, was die Leute dem Bitcoin mittelfristig an Wert zuschreiben.
„Der Bias reflektiert die Weisheit der vielen“, beschreibt es Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner. Bauchschmerzen bereitet ihm die zunehmende Diskrepanz zwischen den Stimmungswerten, die derzeit immer weiter ansteigen, und dem sinkenden Bias. „Die Emotionen überdecken hierbei das Wissen“, resümiert Hübner. „Man könnte auch sagen: Gier frisst Hirn.“
Wäre der Dax wie Bitcoin, wäre der Teufel los
Gäbe es diese Konstellation im deutschen Aktienleitindex Dax, dann, so der Experte, hätte er schon längst zum Verkauf geraten. Er ist überzeugt davon, dass es sich bei der Bitcoin-Rallye mittlerweile um eine klassische Finanzblase handelt. „Die spekulative Anziehungskraft hinter Bitcoin kann zu erheblichen Marktverwerfungen führen“, warnt er und ist damit einer von vielen.
Von Banken und Ökonomen über Regulierer bis hin zu Politikern wird gefühlt stündlich und weltweit auf die Gefahr der Überhitzung hingewiesen. Auf der anderen Seite wird argumentiert, es sei schon seit Jahren immer wieder vor einem Crash gewarnt worden – der Rekordjagd des Bitcoin habe dies aber keinen Abbruch getan.
Blasen wachsen - und platzen irgendwann
Auch Hübner glaubt, dass es mit den Preissteigerungen noch weitergehen könnte. „Blasen wachsen auch dann noch, wenn sie als solche bereits erkannt sind.“ Dies ändere aber nichts daran, „dass sie irgendwann platzen und es dann riesige Verluste gibt.“
Um all das Halbwissen über die Kryptowährungen zu beseitigen, setzt der Würzburger Experte Andreas Schütz auf Aufklärung. Neben seinen Vorträgen bietet er Seminare an, so Ende Januar in Würzburg. Außerdem sei ein „Kryptostammtisch“ in Würzburg geplant, zudem gebe es eine geschlossene Facebook-Gruppe für Interessierte.
Fortbildungen zum Thema
Blockchain-Programmierung steht bei einen Vortrag von Fabian Schuh am Dienstag, 16. Januar, im Vordergrund (17.30 Uhr, FHWS in Würzburg, Sanderheinrichsleitenweg 20). Der Blockchain-Berater aus dem mittelfränkischen Veitsbronn wird dabei auf Kryptographie und deren Nutzung bei Transaktionen eingehen. Der Vortrag wird von der Gesellschaft für Informatik organisiert und ist für Fortgeschrittene geeignet.
Für Anfänger rund um Blockchain, Bitcoin und Co. ist dagegen ein gebührenpflichtiges Seminar gedacht, das Andreas Schütz und Henry Vu am 27. Januar anbieten (9 bis 17.30 Uhr, FHWS in Würzburg, Sanderheinrichsleitenweg 20). Dabei geht es unter anderem um Fragen, wie Bitcoins entstehen, wie Blockchain funktioniert, wie man die digitalen Geldbörsen (Wallets) sicher speichert und welche Chancen oder Risiken die Kryptowährungen haben. Außerdem wird gezeigt, wie man diese Währungen kauft und verwaltet. Steuerliche Aspekte, das Schürfen von Bitcoins (Mining) sowie Aspekte rund um die Hardware stehen ebenfalls auf dem Programm. Weitere Infos und Anmeldung: www.blockchain-seminar.info (aug)