Was bleibt übrig von der digitalen Geldrevolution? Nach dem Bekanntwerden der Pleite der Kryptowährungsplattform FTX musste sich auch Paul Pflugradt wohl oder übel mit dieser Frage auseinandersetzen. Der Veitshöcheimer gehört zu den vielen Menschen, die dem FTX-Gründer Sam Bankman-Fried vertraut und ihr Geld in digitaler Währung angelegt haben. "Insgesamt habe ich bestimmt 1600 Euro in Kryptowährungen investiert", sagt Pflugradt. Für den ehemaligen Bäckerei-Azubi viel Geld.
Inzwischen ist der 24-Jährige schlauer. Den großen Absturz von FTX habe er direkt miterlebt und dabei "wahnsinnig viel Glück gehabt", sagt Pflugradt. Verloren habe er am Ende zehn Prozent seines investierten Geldes. Viel - denn durch seine Investitionen in Kryptowährungen wollte der Auszubildende eigentlich seine Rentenlücke schließen.
Als sich plötzlich die Finanznachrichten überschlugen, ging der Kurs abwärts
FTX ist eine Handelsplattform mit Sitz auf den Bahamas, über die Nutzerinnen und Nutzer mit Kryptowährungen und anderen Finanzprodukten handeln können. Das Unternehmen soll Gelder in Milliardenhöhe veruntreut haben. FTX habe Mittel der Anleger zur Abdeckung von Verlusten aus eigenen spekulativen Geschäften mit Kryptowährungen eingesetzt, erklärt Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg. Am Ende hätten mehrere Milliarden Dollar in der Bilanz gefehlt. Das volle Ausmaß der Verluste und des Missbrauchs von anvertrauten Kundengeldern sei derzeit noch nicht abzuschätzen, sagt der Ökonom.
Er erinnere sich noch genau an den Tag, an dem sich die Ereignisse am Finanzmarkt plötzlich überschlugen, sagt Paul Pflugradt. "Zum Glück hatte ich an dem Tag frei, sonst hätte ich nicht so schnell reagieren können." Durch die Twitterposts zwischen dem FTX-Gründer und verschiedenen Investoren sei er hellhörig geworden. Wenig später hätten die ersten Nachrichtendienste von Problemen bei FTX berichtet. "Da hieß es noch, dass Anleger sich keine Sorgen zu machen brauchen."
Der Würzburger wollte auf Nummer sicher gehen und beschloss, sein Geld in Sicherheit zu bringen. "Zwei Stunden später sind die Kurse richtig abgesackt", erinnert sich der Bäckereifachverkäufer. Er habe Glück gehabt. Sein einziger Verlust: die Transaktionsgebühren. "Eine Stunde später wäre nichts mehr übrig gewesen", sagt der 24-Jährige heute.
Kryptowährungen: Finanzprodukte ohne "inneren Wert"
Egal auf welcher Börse - wer mit Kryptowährungen wie Bitcoin handelt, müsse immer auch mit einem Totalausfall rechnen, sagt Volkswirt Peter Bofinger: "Das Ganze ist ein gigantisches Casino. Es gibt keine Anlageform, die so stark im Wert schwankt, wie Kryptowährungen." Denn diese Finanzprodukte würden keinen "inneren Wert" besitzen, anders als etwa Aktien, so Bofinger. "Bei einer Aktie sind Sie beteiligt an einem Unternehmen, haben Anspruch auf Dividende und wenn Sie genügend Aktien zusammenkaufen, dann gehört Ihnen das Unternehmen sogar."
Kryptowährungen hingegen seien private Finanzinstrumente, bei denen keinerlei Verpflichtung gegenüber dem Käufer bestehe, erklärt Bofinger. Die Kurse würden durch rein psychologische Markt-Aspekte beeinflusst. Zwar spiele das auch bei Aktienkursen eine Rolle. Bricht jedoch beispielsweise der Kurs der BASF-Aktie ein, stecke immer noch ein substantieller Wert in dem Unternehmen, sagt der Volkswirt und nennt Immobilien, Patente und weiterhin anfallende Gewinne. Es sei deshalb extrem unwahrscheinlich, dass der Aktienkurs eines solchen Unternehmens "auf null fällt". Im Extremfall würde die Aktiengesellschaft irgendwann von einem anderen Unternehmen aufgekauft werden.
Für Bofinger sind Kryptowährungen nichts weiter als reine Spekulationsobjekte. "Man muss einfach Lust am Zocken haben", sagt der Ökonom. Diesen Reiz könne er nachvollziehen: "Klar, es ist spannend. Man konnte damit teilweise irre Gewinne machen, aber eben auch irre Verluste." Seine Altersvorsorge durch die Investition in Kryptowährungen zu verbessern, hält der Wirtschaftswissenschaftler für keine gute Idee: "So wie man nicht auf die Idee käme, seine Altersvorsorge im Casino aufs Spiel zu setzen, sollte man das auch nicht mit dem Bitcoin oder anderen Kryptowährungen machen."
Aus Fehlern und Gier lernt man, sagt der ausgelernte Azubi
Auch er sei der Gier vom großen und vor allem schnellen Geld verfallen, sagt Paul Pflugradt im Rückblick: "Ich dachte, wenn ich alles ständig im Blick behalte, dann kann ich sehr schnell sehr reich werden." Der Höhepunkt für ihn sei im Jahr 2019 gewesen, als er sein Geld in die Werbeplattform "tron-ADZ" investierte, die auf einem Schneeballsystem basierte. Zwei Wochen später habe sich auf der Plattform nichts mehr getan, sein Geld sei weggewesen: "Das sollte man auf keinen Fall nachmachen. Man wird nicht schnell reich."
Schnelle, große Gewinne gebe es eigentlich nicht, sagt Peter Bofinger. Zwar könne man in manchen Phasen Glück haben, aber: "Solange man nicht den Totalverlust riskiert, muss man sich auch mit einer moderaten Rendite zufriedengeben."
Er hat aus seinen Fehlern gelernt und "teilweise auch Lehrgeld dafür gezahlt", sagt Pflugradt. Das Geschäft mit Wertpapieren beschreibt der Veitshöchheimer als ständigen Lernprozess. Heute investiere er vorsichtiger, vorausschauender und vor allem breit gefächert in börsengehandelte Indexfonds (ETF) und Aktien, hinter denen echte Unternehmen stehen. Tipps gebe er nicht, "ich will nicht schuld sein, wenn jemand anderes Geld verliert". Doch der ausgelernte Azubi will seine Erfahrung weitergeben: Gerade im Kryptobereich sei es wichtig, vorsichtig zu sein und sich genaustens zu informieren. Und: "Das Wichtigste ist, nur Geld zu investieren, was man auch bereit ist zu verlieren."
In den Euro und in Eurowerte habe ich nur einen geringen Teil des erzielten Gewinns reinvestiert. Mein Glaube an die Stabilität einer Währung, die im Akkord "nachgedruckt" wird und die sich allen früheren Beteuerungen zum Trotz auf Inflationskurs befindet ist in etwa so hoch wie mein Vertrauen in den Simbabwe-Dollar.
Menschen haben durch den Zusammenbruch von Banken, die nicht ausreichend vom Staat kontrolliert wurden ihre Ersparnisse verloren.
Bei einem Staatsbankrott war sowieso alles Geld weg.
Aus diesem Blickwinkel sind Kryptowährungen eine Alternative.
Allerdings sind Kryptowährungen sehr stark Spekulationen ausgesetzt.
Nur ist genau das auch dem Euro passiert und hat uns allen sehr viel Geld gekostet.
Ansonsten sehe ich den Vorteil dieser Kryptowährungen hauptsächlich im kriminellen Bereich, wegen der schwierigen Nachverfolgbarkeit. Diese Kryptowährungen haben in diesem Segment die früheren Western-Union-Schecks ersetzt, die bis dahin bevorzugt wurden um anonym Zahlungen zu leisten, oder zu erpressen. Ransomware-Erpressungen werden heute mit Kryptowährungen bezahlt.
Der normale Mensch braucht sowas nicht.
Aber er kann damit zocken. Das ist seine Sache.
Aber ich erinnere an einen Typen aus Wales, der aus Versehen die Festplatte mit seiner Bitcoin-Wallet weggeworfen hat, die heute 230 Millionen € wert wäre...
(und das war definitiv kein Einzelfall: Man geht heute von ca. 116 Milliarden € an "verloren" gegangener Bitcoins aus...)
Irgendwie erinnert mich das an die Dot.com-Blase...
Sie haben definitiv nicht unrecht. Es gibt natürlich auch Leute, die mit Kryptowährungen Gewinne gemacht haben und reich geworden sind. Und wir sprechen sehr gern auch mit diesen Leuten, um die andere Seite zu zeigen.
Wer möchte kann sich diesbezüglich gern bei Marius Flegler (Marius.Flegler@mainpost.de) oder mir (Gina.Thiel@mainpost.de) melden.
Viele Grüße
Gina Thiel
(Redakteurin Lokalredaktion Würzburg)
Das gepaart mit der Gier einiger im Hintergrund und Betrügereien.
https://de.wikipedia.org/wiki/Fear_of_missing_out