Mit einem Hubwagen rollt Sebastian Lother zwei Fässer auf den Hof seines Weinguts. Weil es hier deutlich wärmer ist als in seiner Kühlkammer kann der Federweißer der Rebsorte Ortega, den er erst drei Tage zu vor gelesen hat, schneller gären. Bereits zum Wochenende, zwei Tage später, soll der nämlich schon in den Verkauf gehen, sagt der 41-jährige Winzer aus Wipfeld. Der Rest bleibt in der Kühlung und reift langsamer nach. So bleibt er frisch, bis die erste Charge aufgebraucht ist. Dass die Weinlese auf seinen zwölf Hektar großen Weinbergen dieses Jahr rund zwei Wochen früher starten muss als im Regelfall, schadet der Süße keines Wegs. Unter Umständen aber dem Ertrag.
Durch die extreme Dürre sind einige junge Reben schon in die Notreife gekommen, erklärt Lother. Wenn die Pflanze kein Wasser abbekommt, holt sie es sich aus der Traube wieder zurück. Denn auf die süße Frucht der Rebe kommt es ihr im natürlichen Sinne gar nicht an: "Das, was wir wollen, ist eigentlich überhaupt nicht das, was der Rebstock will", sagt der Wipfelder. Der Rebstock hat im Zeichen der Fortpflanzung das Ziel, die Kerne in den Trauben auszubilden.
Das süße Fruchtfleisch lockt Vögel an, die die unverdaulichen Kerne wieder in der Natur verbreiten: "Wir wollen im Endeffekt nur die Verpackung. Wir klauen dem Rebstock das Fruchtfleisch, um an den Saft zu kommen", erklärt Lother. Bei Hitzewellen könne es sogar dazu kommen, dass die Kerne sich überproportional ausbilden und die Traube so zum platzen bringen – der "worst case" für alle Winzerinnen und Winzer.
Weg mit Bacchus und Müller-Thurgau: Wird Unterfranken zum Rotweingebiet?
Dass sich die Wetterbedingungen in Unterfranken verändern, sieht der Winzer deutlich. Und auch wenn er nicht glaubt, dass die Region künftig zum Rotweingebiet wird, denkt er stetig darüber nach, wie er seinen Weinbestand verändern, und so an die immer wahrscheinlicher werdenden Wetterextreme anpassen kann. So kommt im nächsten Jahr etwa der Blütenmuskateller neu dazu. So will er den Bacchus ersetzen, da der Muskateller im Vergleich mit "deutlich weniger Wasser klar kommt".
Zwar wird dieser Wein, wie auch der Müller-Thurgau, der ebenfalls ersetzt werden soll, bei seiner Kundschaft stark nachgefragt, aber die Pflanzen kommen mit der Hitze nicht gut zurecht: "Irgendwann muss man anfangen sich umzustellen. Wenn es plötzlich klack macht und du fängst dann erst an, hast du sonst einfach Pech gehabt." Die neuen Rebsorten schmecken aber vergleichbar, sagt Sebastian Lother, der sich auch aus diesem Grund für die Veränderung seines Sortiments entschieden hat. Außerdem wird er künftig auch mehrere südländische Weine anbauen.
Neue Laubschnitt-Methode statt intensiver Bewässerung
Zwar könnte Lother seine Weinberge bewässern, und tut dies zu Teilen auch bei seinen Junganlagen. Jedoch erahnt er auch hier früher oder später ein böses Erwachen und möchte sich lieber rechtzeitig an die neuen Bedingungen anpassen: "Wir planen neue Rebsorten anzubauen, die weniger Wasser brauchen. Man kann zwar beregnen, schön und gut. Aber im Endeffekt muss es die Natur schaffen. Es ist schwierig, die ganze Flur mit Leitungen zuzupflastern und Wasser zu pumpen. Dann darfst du vielleicht irgendwann kein Wasser mehr entnehmen und hast plötzlich ein Problem."
So probiert sich Lother auch in neuen Bewirtschaftungsmethoden aus: In einigen Beständen hat er dieses Jahr erstmals 30 Zentimeter mehr Laub abgenommen als sonst. Zwar sehe das nicht schön aus, erklärt er, die Rebe benötige so aber weniger Wasser. Durch Photosynthese gelangt über die Sonneneinstrahlung auf die Blätter der notwendige Zucker in die Traube. Da die Sonne aktuell aber so intensiv scheint, lässt sich der benötigte Effekt auch mit weniger Laub erzielen.
Bis eine Rebe das erste mal Ertrag abwirft, gehen drei Jahre ins Land. Das mag sich erst einmal lange anhören, jedoch haben die Reben auch eine durchaus ansehnliche Lebensdauer: Bis zu 50 Jahre haben die ältesten Anlagen in Lothers Familienbetrieb in dritter Generation auf dem Stängel.
Vom Anbau über die Lese und die Herstellung des fertigen Weins, sowie die Abfüllung, bis hin zur Vermarktung: Auf dem Weingut von Sebastian Lother wird alles selbst gemacht. Sogar eine eigene Presse befindet sich im Betrieb, der über eine Anlieferstation am Äußeren des Weinguts die Trauben zugeführt werden. Da sie sich im Obergeschoss befindet, wird der gepresste Wein ohne die Hilfe von Pumpen in die Gärtanks im Untergeschoss befördert. Der Trester, also die Pressrückstände, wird den Weinbergen wieder zugeführt und versorgt die Böden mit Nährstoffen.
Ertrag nicht abzuschätzen – Winzer Lother bleibt vorsichtig optimistisch
Dass die Weinlese in diesem Jahr so früh beginnt, habe sich aufgrund der Trockenheit in den letzten Jahren schon abgezeichnet, sagt Weinbaureferent Stephan Schmidt vom Fränkischen Weinbauverband: "Das bringt der Klimawandel so mit sich." Da die Lese aktuell noch nicht beendet ist, könne er allerdings noch keine Schätzung hinsichtlich der Ertragsmenge für Unterfranken abgeben.
Sebastian Lother besitzt einen teilweise älteren Bestand an Reben, der mit der Trockenheit besser umgehen kann als jüngere Anlagen. Auch sind die Böden in Wipfeld eher lehmhaltig, sagt er, wodurch Wasser besser gespeichert wird. Auch wenn der Winzer nicht von seiner ertragreichsten Lese ausgeht, zeigt er sich deshalb dennoch vorsichtig optimistisch: "Ganz so schlimm sieht es bei uns nicht aus. Auch bei der Notreife wird, vor allem was die Qualität angeht, etwas passables heraus kommen."
Für die meisten Leser wären wahrscheinlich fundiert repräsentative Umfrageergebnisse unter Berufskollegen an Main und Steigerwald noch aussagekräftiger. Erforderte natürlich zusätzlich journalistische Arbeit und vielleicht sogar eigene fachliche Kenntnisse.