Politik ist Sache alter Männer? Sie beweisen das Gegenteil: Nele Brüggemann (25 Jahre) aus Schonungen und Jonas Weigand (23 Jahre) aus Euerbach. Bei der Kommunalwahl im März 2020 traten sie in ihrer Heimatgemeinde an – und wurden von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt. Wir haben die beiden am Schweinfurter Baggersee zum Interview getroffen, um mit ihnen über ihre bisherigen Erfahrungen zu sprechen. Dabei verrieten die beiden auch, ob sie mit ihrem heutigen Wissensstand wieder für den Gemeinderat kandidieren würden.
Jonas Weigand: Ich war schon immer am Dorfleben interessiert. Bei uns sind viele älteren Personen aus dem Gemeinderat ausgeschieden. Ich wurde gefragt, ob ich mich aufstellen lassen möchte, und war sofort bereit. Ich wollte im Dorfleben mitmachen und mitbestimmen. Denn es ist interessant, daran mitzuwirken, was hinter den Kulissen passiert.
Nele Brüggemann: Stefan Rottmann, unser Bürgermeisterkandidat der zur Wiederwahl stand, hat mich gefragt, ob ich ihn unterstützen möchte. Ich habe ihm ein deutliches Ja gegeben, aus dem Grund, dass ich den Ort unterstützen möchte. Denn Schonungen ist mein Zuhause und meine Heimat.
Brüggemann: Nein, ich stand relativ weit hinten auf der Liste, wurde aber sehr weit vorgewählt. Mein Opa war lange Zeit Geschäftsführer der SPD Unterfranken, deshalb kennen mich viele. Für die meisten um mich herum war es sicherlich nicht überraschend, dass ich gewählt wurde, aber für mich persönlich war es eine Überraschung.
Weigand: Auch ich stand weiter hinten auf der Liste und habe deshalb nicht wirklich damit gerechnet, dass ich gewählt werde.
Brüggemann: Ich wurde total herzlich aufgenommen. Das sind ja keine fremden Leute, man kennt die meisten Leute aus dem Ort. Ich habe keinerlei Ablehnung erfahren, ich denke aber, das ist normal, wir sind ja alle Menschen.
Weigand: Es ist auch ein gewisser Vorteil, neu zu sein. Bei uns in der Gemeinde sind viele neue, und gerade auch viele junge neue in den Gemeinderat gewählt worden. Das ist wirklich eine coole junge neue Truppe und man kennt sich ja sowieso im Dorf.
Brüggemann: Und es ist, glaube ich, auch gar nicht möglich, gewählt zu werden, ohne einen gewissen Bekanntheitsgrad.
Weigand: Ja, die Kommunalwahl ist eine Persönlichkeitswahl, viele wählen nicht parteiabhängig.
Weigand: (nickt) Doch, das habe ich mir so vorgestellt.
Brüggemann: Was mir im Moment noch fehlt, sind Feste, um Präsenz zu zeigen. Aber das kommt wahrscheinlich noch.
Weigand: Ich hätte mich nicht aufstellen lassen, wenn ich überhaupt keine Ahnung gehabt hätte. Aber ein bisschen Background war schon da. Da ich in Freising studiere, habe ich aus Zeit- und Ortsgründen kurz überlegt, ob ich mich überhaupt aufstellen lassen soll. Ich hatte wirklich Glück, dass ich durch Corona viel daheim war, so war das überhaupt kein Problem.
Brüggemann: Es ist phasenweise schon zeitintensiv, das kommt aber auch auf die Ausschüsse an, in denen man sitzt. Ich finde, dass alle Meinungen hörenswert sind, egal wie langes es am Ende dauert. Insgesamt ist es zeitlich gut in den Alltag einzupflegen, ich empfinde es nicht als störend.
Weigand: Es ist zeitaufwändig, aber ungefähr so habe ich mir das auch vorgestellt, von daher ist es gut machbar.
Brüggemann: Es ist auch jedem selbst überlassen, wie stark man sich vorbereitet, aber es ist empfehlenswert, sich einzulesen. Und dann kann man jederzeit Nachfragen stellen, denn es kann nicht immer jeder alles wissen.
Weigand: Ja, man sollte sich vorbereiten, die Tagesordnung anschauen und nachfragen, wenn etwas unklar ist. Ich bin deswegen noch nie blöd angeschaut worden. Unsere Bürgermeisterin Simone Seufert ist auch neu ins Amt gewählt worden. Und gerade weil wir insgesamt so viele neue sind, nimmt sie uns mit bei der Einarbeitung.
Weigand: Es ist nicht immer alles so einfach und unbürokratisch, wie man denkt. Ich kann hautnah miterleben, wie schwierig es ist, bestimmte Sachen in die Wege zu leiten. Für ein neues Baugebiet kann man nicht einfach Fläche kaufen und dann geht es los. Außenstehende stellen sich vielleicht manchmal die Frage, warum die Gemeinde nichts macht. Aber es steckt einfach so viel dahinter.
Brüggemann: Es ist unheimlich interessant und sehr lehrreich. Das sage ich auch immer, wenn mich Freunde fragen. Man macht positive Erfahrungen, die einen reif machen. Man kommt mit Themen in Berührung, die man später mal am eigenen Leib erfährt. Zum Beispiel das Thema bauen mit all seinen Hintergründen, etwa was ein Neubau kostet. Und man bekommt ein ganz anderes Gefühl für Geld.
Weigand: In vieles wächst man rein, manchmal schaut man sich etwas ab. Vielleicht macht man auch mal einen Fehler, aber dann lernt man daraus.
Brüggemann: Zum einen der Neubau der Grundschule in Schonungen, zum anderen neue Baugebiete. Und wir müssen Entscheidungen für die Zukunft treffen, die vielleicht jetzt noch nicht entscheidend sind, aber in zehn Jahren vielleicht.
Weigand: Bei uns ist es der Neubau vom Kindergarten und der offenen Ganztagsschule, aber auch neue Baugebiete in allen drei Ortsteilen.
Brüggemann: Das Wahlergebnis! Ich bin dankbar, dass mir so viele Leute ihr Vertrauen geschenkt haben und mir zutrauen, dass ich den Job gut mache.
Weigand: Gewählt zu werden war für mich auch sehr schön.
Brüggemann: Ansonsten sind es Projekte, die verwirklicht werden. Wir haben zum Beispiel einen neuen Spielplatz beschlossen, inzwischen steht er schon. Es ist immer wieder schön, solche Sachen zu sehen.
Weigand: Mir gefallen auch die Gemeinschaft und die Gespräche nach der Sitzung gut. Ich habe nicht gedacht, dass das so praktiziert wird, aber es ist eine schöne Runde. Außerdem finde ich es cool, Sachen ins Rollen zu bringen und Projekte abzuschließen.
Weigand: Wir sind uns nicht immer, aber relativ oft einig. Aber bei gewissen Sachen muss man eben zurückstecken, wenn die Mehrheit anderer Meinung ist. Für mich ist das manchmal ein bisschen traurig, wenn ich eine andere Entscheidung für die richtige Lösung halte, aber dafür sind wir eine Demokratie. Da wird mit Mehrheit entschieden, das muss man so akzeptieren.
Brüggemann: Wirklich unangenehmes habe ich noch nicht erlebt.
Weigand: Bei uns nicht.
Brüggemann: Bei uns auch nicht. Jeder hat seine freie Meinung, seine freie Entscheidung und seine eigene Stimme. Am Ende bilde ich mir als Person eine Meinung, die entweder ja oder nein sagt. Als politische Gruppe sind wir im besten Falle ähnlicher Meinung. Aber es ist in keinster Weise so, dass jemand sagt, du musst dies oder das.
Weigand: Jede Partei hat vorher ein Wahlprogramm aufgestellt, das man als Kandidat mitgetragen hat. Ich denke, dann trägt man logischerweise auch die wegweisenden Entscheidungen so mit. Aber einen Fraktionszwang gibt es nicht.
Brüggemann: Ich wünsche mir, dass die Kinder heute genauso eine schöne Jugend hier haben werden wie ich sie damals hatte, mit einer genauso schönen oder noch schöneren Freizeit. Es wäre schön, wenn wir das Hallenbad und die Realschule im Ort halten könnten. Und ich will dabei helfen, Schonungen und seine Ortsteile zusammenzuhalten.
Weigand: Ich wünsche mir, dass wir die Jugend im Dorf halten können, indem man ihnen Platz zum Bauen gibt. Und ich will dafür sorgen das Dorfleben zu erhalten. Die Gemeinde muss Traditionen und Festlichkeiten unterstützen.
Brüggemann: Es gibt - wie wahrscheinlich überall - immer weniger Helfer auf Festen, hier müssen wir den stärkeren Zusammenhalt fördern. In unserer Gemeinde gibt es fast keine Bauplätze mehr, und neue Baugebiete sind kaum mehr möglich. Wir haben einen zunehmend alten Ortskern, den wir in Zukunft hoffentlich wieder beleben werden. Wir dürfen nicht stehen bleiben, sondern müssen uns ständig weiterentwickeln.
Brüggemann: Mein Opa war viele Jahre in der SPD aktiv, meine Oma jahrelang im Gemeinderat. Ich bin also damit aufgewachsen und war mein Leben lang in Kontakt mit der SPD. Es war nicht täglich Thema am Esstisch, aber es wurde viel darüber gesprochen. Politik war also nie weit weg für mich. Die kleine Nele hat schon Bilder für Gerhard Schröder im Wahlkampf gemalt oder mit Totenkopfplakaten auf die Sanierung des Schweinfurter Grün aufmerksam gemacht. Es hat wahrscheinlich also irgendwann einfach kommen müssen.
Weigand: Ich bin da eher ein bisschen reingerutscht. Ich habe mich immer für Politik interessiert, bin im Dorfleben aktiv und so dazu gekommen.
Weigand: Die haben mich hoffentlich alle gewählt (lacht). Die finden das schon alle gut. Ich bin der direkte Draht, wenn sie Fragen zur Gemeinde haben. Ich glaube, sie können davon profitieren, einen Ansprechpartner zu haben.
Brüggemann: Mir geht es ähnlich. Und meine Freunde haben vollstes Verständnis dafür, wenn ich auch unter der Woche mal keine Zeit habe. Natürlich kommen auch mal Sprüche wie: Kannst du mir mal einen Bauplatz besorgen? Aber meine Freunde haben auch ganz großes Interesse daran. Es ist auch ungewöhnlich, mit Anfang 20 in so einer Position zu sein.
Weigand: Das Klischee ist ja oft, dass Gemeinderäte alt und staubig sind. Aber bei uns in Euerbach sind sehr viele junge Leute dabei, hier hat es bei der letzten Wahl einen Generationenwechsel gegeben.
Brüggemann: Ich glaube auch, dass es die Mischung ausmacht. Jüngere haben wieder ganz andere Sichtweisen als die Älteren.
Weigand: (nickt) Klares ja!
Brüggemann: Ja, es ist eine persönliche Bereicherung. Ich habe wie gesagt bisher keine negativen Aspekte und würde es immer wieder allen empfehlen.
Brüggemann: Das ist jetzt die erste Stufe, diesen Lernweg will ich erstmal gehen. Wenn ich 2020 in den Kreistag gewählt worden wäre, hätte ich die Wahl natürlich angenommen. Aber wie es bei der nächsten Wahl in viereinhalb Jahren aussieht, da kann ich mir jetzt noch nicht zumuten, eine Entscheidung zu treffen.
Weigand: Das würde zeitlich schon relativ eng werden.
Brüggemann: Wenn man es macht, dann muss man es aus Überzeugung machen.
Weigand: Genau, man muss es richtig machen, voll dabei sein, dafür stehen, Initiative zeigen. Aber später, warum nicht, ich würde es nicht ausschließen.
Brüggemann: Ich hoffe, dass ich der Gemeinde Gutes tun kann, dass ich die Vorstellungen erfülle, wofür mich die Leute gewählt haben. Ich glaube, das wird sehr spaßig. Und ich bin immer wieder davon fasziniert, was man alles Neues lernt.
Weigand: Ich will dafür sorgen, das gute Dorfleben zu erhalten. Wenn man dabei ist, kriegt man alles genau mit, das ist ein sehr schönes Gefühl. Ich möchte noch viele Themen mitbekommen, mitdenken, und mitgestalten. Es macht mir sehr viel Spaß, bei konkreten Problemen verschiedene Lösungsansätze zu überlegen. Ich denke, das wird in den nächsten viereinhalb Jahren so bleiben.
Vielleicht reicht das ja für Sie an ehrenamtlichen Egagement, dass man ihn doch braucht.