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BERGRHEINFELD
Umspannwerk: Das Herz ist ein großer Brummer
Hochspannende Baustelle: Am Wochenende öffnete das neue Umspannwerk Bergrheinfeld West seine Tore für Besucher. Schon die Kühlanlage des Phasenschiebers hat beeindruckende Dimensionen.
Foto: Uwe Eichler | Hochspannende Baustelle: Am Wochenende öffnete das neue Umspannwerk Bergrheinfeld West seine Tore für Besucher. Schon die Kühlanlage des Phasenschiebers hat beeindruckende Dimensionen.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 04.02.2017 03:43 Uhr

Eigentlich ist die Reise hier zu Ende – mit Herzschrittmacher. So heißt es vor der Visite im Umspannwerk „Bergrheinfeld West“.

Die Orts-CSU rund um den Bürgermeisterkandidaten Ulrich Werner hat buchstäblich zu einem Termin mit Hochspannung eingeladen. In einigen Bereichen der 380-Kilovolt-Anlage wirken starke elektromagnetische Felder. So stark, dass für einen der 36 Teilnehmer der Besuch tatsächlich im Eingangsbereich zu Ende ist. Für alle anderen ist zumindest festes Schuhwerk und Helm Pflicht, schließlich ist die Anlage immer noch eine Baustelle.

Laut Internet investiert der Betreiberkonzern Tennet rund um den Netzknotenpunkt Grafenrheinfeld insgesamt 100 Millionen Euro: in den stabilen Netzbetrieb ebenso wie in die sichere Integration erneuerbarer Energien. Gesamtprojektleiter Peter Volkholz spricht für die Station selbst von einem „hohen zweistelligen Millionenbetrag“.

„Wichtig ist, dass man die Entwicklung transparent macht“, sagt Dieter Wagner als Vizebürgermeister und Ortsvereinsvorsitzender. Die SPD war auch schon da.

Eine Frage zielt darauf, warum die imposante Anlage nicht in einer Mulde untergebracht worden ist, was wohl schon wegen der nahen Bahnstrecke schwierig gewesen wäre. Es geht um Lokalpolitik, aber nicht nur: Selbst die Kirchtürme der umliegenden Dörfer wirken klein neben dem Wald der Blitzschutz-Masten, Sammelschienen, Schaltfelder. Am Rand des Geländes wurden echte Bäume gepflanzt.

Im Reich des modernen Stromtransports geht es um ungewohnte Dimensionen. Die Schaltwarte für diese Anlage befindet sich im fernen München-Dachau. Ein eigenes Kommunikationsnetz machts möglich.

In Kontrast dazu wurde nebenan, vor Baubeginn, ein Gräberfeld aus der Jungsteinzeit entdeckt. Für die „Schnurkeramiker“ muss zu Lebzeiten noch jeder Blitz eine gänzlich unbegreifliche Kraft gewesen sein.

Aber auch 4500 Jahre später ist es für die Experten nicht einfach, dem Laien technische Feinheiten der Elektrophysik zu erklären. Die Experten, das sind außer Peter Volkholz Baustellenleiter Christian Bischof sowie Servicegruppenleiter Stefan Seelmann, zuständig für Nordbayern.

Ein Umspannwerk funktioniert erstmal wie ein Autobahnkreuz, über das der „Stromverkehr“ von den Zubringern zu den Abfahrten dirigiert, geregelt und gedrosselt wird, auf dem Weg hin zu den Endverbrauchern.

Im Spätsommer 2015 kam ein Phasenschieber an, als 360-Tonnen-Schwertransport. Die Aufgabe des Generators: Die „Blindleistungskompensation“ und der Ausgleich von Spannungsschwankungen im (regionalen) Netz. Dies soll im Rahmen der Energiewende, wenn Deutschlands Atomkraftwerke nach und nach vom Netz gehen werden, den Umstieg auf regenerative Energien erleichtern. Die neue Anlage ersetzt den bisherigen Phasenschieber am AKW Grafenrheinfeld.

„Ein Stromnetz ist wie ein großer See“, sagt Peter Volkholz, „bei dem der Verbraucher ständig Wasser entnimmt und Wasser zufließt.“ Der Unterschied: Bei einem See darf der Wasserspiegel sinken oder ansteigen. Die Stromnetz-Frequenz dagegen muss konstant auf dem gleichen Level gehalten werden (50 Hertz), sonst droht der Blackout.

Dazu kommt das Problem der Blindleistung: „Im Drehstrom-Netz entstehen physikalisch bedingt kleine zeitliche Verschiebungen zwischen Spannung und Strom“, so der Projektleiter, „aufgrund dessen elektrische Energie nicht nur vom Erzeuger zum Verbraucher fließt, sondern auch eine gewisse Blindleistung im Netz hin- und herschwappt“. Diese Blindleistung kann nicht genutzt werden, führt aber zu Veränderungen in der Netzspannung, die durch den Phasenschieber ausgeglichen werden.

Dessen freistehende Kühlanlage wirkt auf jeden Fall beeindruckend, der Blick in die Generatorenhalle ist nicht ganz so spektakulär: Das Herz der Anlage erweist sich hinter seiner Abschirmung vor allem als großer Brummer. Eine Leitung wurde bereits angeschlossen.

Demnächst werden noch drei große Drosselspulen erwartet, die ebenfalls zur Netzstabilität beitragen. Die Fundamente sind bereits gelegt. Die 117-Tonnen-Schwergewichte sind gerade auf dem zugefrorenen Main bei Aschaffenburg liegen geblieben.

Als dritter Bauabschnitt steht dann der Einbau zweier Transformatoren an, die den herbeiströmenden 380-Kilovolt-Saft auf 110 Kilovolt „verdünnen“, für die Versorgung des Raums Schweinfurt. Anfang 2019 soll das Werk voll einsatzfähig sein. Ab 2025 könnte es noch zwei Anschlüsse nach dem nordhessischen Mecklar und Altenfeld (Thüringen) geben. Das alte Umspannwerk Bergrheinfeld wird rückgebaut, heißt es, die Umspannanlage neben dem Gelände des AKW Grafenrheinfeld wird auf jeden Fall erhalten.

Bleibt noch das Thema „Suedlink“, die Gleichstromtrasse, die in einigen Jahren Windenergie von den Offshore-Parks im Norden nach Süddeutschland transportieren soll, überwiegend per Erdkabel. Zur Umwandlung von Gleichstrom in Wechselstrom braucht es Konverterhallen, eine in Brunsbüttel, die andere nahe bei der Station „Bergrheinfeld West“ (die sich trotz des Namens auf Garstadter Gemarkung befindet). „Es muss nicht unbedingt auf dem Gelände stehen“, sagt Volkholz, vier mögliche Standorte sind im Blick, darunter der Felsenhof.

Die Fundamente sind gelegt: Hier werden demnächst Großspulen angebaut.
| Die Fundamente sind gelegt: Hier werden demnächst Großspulen angebaut.
Eher unspektakulär, aber laut: der Phasenschieber.
Foto: Uwe Eichler | Eher unspektakulär, aber laut: der Phasenschieber.
 
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