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Schweinfurt
SKF-Chef Gustafson im Interview: "Wir müssen da sein, wo die Kunden sind"
Rickard Gustafson ist seit Anfang 2021 Präsident des SKF-Konzerns in Göteborg. Wie sieht er die Zukunft des Standorts Schweinfurt und wie sicher sind die Arbeitsplätze vor Ort?
Rickard Gustafson, neuer Präsident des SKF-Konzerns, war für zwei Tage zum Antrittsbesuch im weltweit größten Werk des schwedischen Wälzlagerherstellers in Schweinfurt.
Foto: Anand Anders | Rickard Gustafson, neuer Präsident des SKF-Konzerns, war für zwei Tage zum Antrittsbesuch im weltweit größten Werk des schwedischen Wälzlagerherstellers in Schweinfurt.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:40 Uhr

Es waren zwei sehr intensive Tage für den neuen SKF-Chef Rickard Gustafson bei seinem Antrittsbesuch im größten Werk des schwedischen Wälzlagerherstellers in Schweinfurt. Warum er die deutsche Ingenieurskunst zu schätzen weiß und welche Chancen er im Klimaschutz für den Standort Schweinfurt sieht, erklärte er im exklusiven Interview mit dieser Redaktion.

Wissen Sie, wer Wilhelm Höpflinger und Engelbert Fries sind?

Rickard Gustafson: Die Namen sagen mir entfernt etwas. Ich kenne sie nicht, aber sie klingen wie ein Echo unserer Vergangenheit. Ich glaube, die beiden sind mitverantwortlich, dass sich hier ein Zentrum der Wälzlagerindustrie befindet, und sie sind Teil unserer Geschichte.

Die beiden sind die Gründer der deutschen Sparte der SKF aus dem Jahr 1890. Wie wichtig ist die deutsche Ingenieurskunst und diese Tradition im 21. Jahrhundert?

Gustafson: Sehr wichtig, denn hier haben wir eine lange Geschichte, sehr viele Kompetenzen und Können. Wir schöpfen für unser globales Business sehr viel Wissen aus Deutschland und Europa, das wir an Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt weitergeben. Es braucht außergewöhnliche Ingenieurskunst, um im Kugellagergeschäft erfolgreich zu sein.

Sie arbeiteten für eine der größten skandinavischen Fluglinien, davor für ein Versicherungsunternehmen. Warum nun SKF?

Gutsafson: Mir wurde mehrmals in meiner Karriere angeboten, in die Industrie zu wechseln. Ich war im Versicherungs-Geschäft, in der Luftfahrt, jetzt hat sich diese Chance eröffnet. Für mich ist SKF eine industrielle Ikone, eine hoch respektierte Marke und eine der am stärksten globalisierten schwedischen Firmen. Wir haben rund 43 000 Mitarbeitende, aber nur 2000 in Schweden, was deutlich macht, wie global wir aufgestellt sind. Das macht die Aufgabe für mich attraktiv. Und auch die Werte unserer Eigentümerfamilie Wallenberg passen sehr gut zu mir.

"Es braucht signifikante Ingenieurskunst, um im Kugellagergeschäft erfolgreich zu sein."
Rickard Gustafson.
Auf einer Skala von eins (sehr schlecht) bis zehn (sehr gut): Wo sehen Sie die deutsche SKF innerhalb Ihrer Firma?

Gustafson: Ich vergebe keine Zehn, weil jeder Teilbereich unseres Unternehmens das Potenzial hat, sich noch weiterzuentwickeln. Ich gebe eine Acht, wegen der großen Tradition, der Fähigkeiten der Beschäftigten und der technischen Möglichkeiten hier am Standort. Ich denke, ich werde nie einem Zweig mal eine Zehn geben (lacht).

Rickard Gustafson sieht für den Standort Schweinfurt auch in Zukunft gute Entwickungschancen.
Foto: Anand Anders | Rickard Gustafson sieht für den Standort Schweinfurt auch in Zukunft gute Entwickungschancen.
Die Schweinfurter Fabriken sind der größte Standort innerhalb der SKF. Wird das auch in zehn Jahren so sein?

Gustafson: Das entscheide nicht ich, sondern unsere Kunden. Wir müssen da sein, wo unsere Kunden sind. Wir müssen sicherstellen, dass wir für sie relevant und wettbewerbsfähig sind. Ich hoffe und gehe davon aus, dass es uns in Schweinfurt weiter gelingt, unsere Fähigkeiten auszubauen und hier weiter zu investieren. Aber wir treten in einer weltweiten Arena an und es gibt viele weltpolitische Entwicklungen, Zulieferbetriebe näher an den großen Produktionsbetrieben anzusiedeln. Wir können diese Trends nicht ignorieren und müssen den Wünschen der Kunden folgen. Ich denke, dass manche Dinge, die wir jetzt hier produzieren, in ein paar Jahren vielleicht in China hergestellt werden. Ich bin aber auch überzeugt, dass wir in Europa genügend Möglichkeiten für ein erfolgreiches Business haben. Ich will da sein, wo die Kunden sind, und die weisen uns den Weg, wie wir für sie relevant bleiben können.

2020 hat SKF für Schweinfurt ein „Zukunftsprogramm zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit“ geschaffen mit einer Beschäftigungsgarantie von 2022 bis 2026. Hat sich daran etwas geändert?

Gustafson: Nein. Gleichzeitig gibt es aus meiner Sicht nirgendwo eine Jobgarantie. Wenn man nicht wettbewerbsfähig ist und die Kunden nicht bei einem kaufen wollen, hat man keine Zukunft. Wir müssen unsere Möglichkeiten ausschöpfen, zusammenarbeiten und gemeinsam mit den Gewerkschaften und dem Betriebsrat Wege finden, unsere Zukunft zu sichern. Das bedeutet, dass wir uns weiter wandeln, weiterentwickeln und unsere Produktivität steigern. Das wird das Erfolgsrezept der Zukunft sein. Ich freue mich auf eine starke und produktive Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften.

Hat die Corona-Pandemie SKF sehr stark getroffen?

Gustafson: Natürlich hat uns alle Corona sehr getroffen. Aber es war klar, dass sich die meisten Industrien nach dem ersten Tief wieder erholen würden und das jetzige Wachstum ist ziemlich solide. In der Luftfahrtbranche zum Beispiel hat die Coronakrise viel tiefere Spuren hinterlassen. Ich bin aber beeindruckt, was SKF alles geleistet hat, um die Pandemie zu managen. Wir haben in allen Werken weltweit sichere Arbeitsumgebungen geschaffen und konnten so durchgängig weiterarbeiten. Dafür ein großes Lob an unsere Beschäftigten!

"Ich freue mich auf eine starke und produktive Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften."
Rickard Gustafson.
In den vergangenen sieben Jahren wurden 150 Millionen Euro in den Standort Schweinfurt investiert. Wie viel investiert SKF in den nächsten sieben Jahren?

Gustafson: Das lässt sich nicht vorhersagen. Wir haben in den letzten Jahren außergewöhnlich viel investiert, weil wir entschlossen sind, unser Geschäft hier weiterzuentwickeln. Wir wollen unsere Produktionskapazitäten hier modernisieren. Aber wir arbeiten global, werden weiter auch in anderen Teilen Europas, Nord- und Südamerika und Asien investieren, denn unsere Kunden fordern das. Ich kann jetzt nicht vorhersagen, wie wir das aufteilen. Wir müssen unsere Prioritäten setzen, aber ich bin sicher, dass wir auch hier weiter investieren, denn Schweinfurt ist ein wichtiger Standort für uns und wir bedienen hier sehr wichtige Kunden.

Das SKF-Hochhaus in der Gunnar-Wester-Straße mit seinem markanten Schriftzug bei Nacht.
Foto: Anand Anders | Das SKF-Hochhaus in der Gunnar-Wester-Straße mit seinem markanten Schriftzug bei Nacht.
Sie haben kürzlich bekannt gegeben, dass bis 2030 die Fabriken CO2-neutral sein werden und bis 2050 die gesamte Wertschöpfungskette der SKF. Wie soll das gehen?

Gustafson: Zentral für das 2030-Ziel ist, dass wir die Energie, die unsere Fabriken benötigen, komplett aus erneuerbaren Energien beziehen. Das ist unser wichtigstes Ziel und wir planen das Jahr für Jahr nach vorne. Es ist ein ambitioniertes Ziel und wir haben die Latte hier sehr hoch gehängt, obwohl wir noch nicht alle Rahmenbedingungen kannten. Wir arbeiten auch in Schweinfurt daran, dieses Ziel zu erreichen. In Göteborg sind wir schon bei null Emissionen, in Tudela in Spanien und in Steyr in Österreich auch. Es ist ambitioniert, aber machbar, wenn wir alle unsere Kraft hinein stecken. Das 2050-Ziel ist noch herausfordernder, denn da geht es um die Wertschöpfungskette und wir übernehmen Verantwortung für Dinge, die außerhalb unseres Einflussbereichs liegen. Den größten CO2-Fußabdruck unserer Wertschöpfungskette hat der Stahl. Wie können wir unsere Lieferanten beeinflussen, grünen Stahl zu produzieren zu wettbewerbsfähigen Kosten? Wir arbeiten mit anderen Firmen und Vereinigungen wie Responsable Steel zusammen, um das Ziel zu erreichen.

"Es braucht ein gemeinsames Denken und Engagement von uns als Stahlkunden, von den Stahlherstellern und der Politik."
Rickard Gustafson.
Ist grüner Wasserstoff der entscheidende Faktor?

Gustafson: Ja, das denke ich. Aber es braucht für die Erzeugung signifikante Mengen Primärenergie und die müssen grün sein, sonst hat das keinen Sinn. Es braucht ein gemeinsames Denken und Engagement von uns als Stahlkunden, von den Stahlherstellern und der Politik. Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen, den Planeten zu schützen und eine nachhaltige Zukunft zu sichern. Ich glaube an den menschlichen Erfindergeist. Den gibt es, seit wir Menschen die Welt betreten haben.

Lässt rohe Kräfte sinnvoll walten: Der gewaltige Hauptwellen-Prüfstand im Sven Wingquist Test Center von SKF.
Foto: SKF | Lässt rohe Kräfte sinnvoll walten: Der gewaltige Hauptwellen-Prüfstand im Sven Wingquist Test Center von SKF.
Wieso ist der Klimaschutz für Ihre Firma so wichtig? Während die politischen Diskussionen in Glasgow beim Weltklimagipfel zermürbend wirken, schreiten Sie voran?

Gustafson: Ich bin mir sicher, dass auch die Politik irgendwann einen Weg findet. Als Unternehmen muss man an etwas glauben und auf etwas setzen. Wir glauben an eine nachhaltige Zukunft und das sowohl mit Blick auf die Bewahrung der Lebensgrundlagen als auch aus einer Geschäftsperspektive, denn das wird uns Chancen öffnen. Ich bin überzeugt, dass unsere Kunden von uns wissen wollen, wie wir unseren CO2-Fußabdruck reduzieren, denn ihre Kunden wollen das von ihnen wissen. Einige Industrien, die wir bedienen – wie Windkraft, Eisenbahn oder E-Mobilität – werden wachsen und eine nachhaltige Zukunft sichern. Wenn wir deren Partner sein wollen, müssen wir dieselbe Sprache sprechen. Außerdem stellt sich die Frage, wie wir die besten jungen Talente bekommen. Ich glaube nicht, dass die nächste Generation für eine Firma arbeiten will, die Klimaschutz nicht ernst nimmt. Ich bin überzeugt, dass wir auf dieser Reise unbedingt dabei sein müssen.

Sieht Klimaschutz als Chance für SKF, neue Kunden zu gewinnen: Rickard Gustafson, Chef des SKF-Konzerns im Interview.
Foto: Anand Anders | Sieht Klimaschutz als Chance für SKF, neue Kunden zu gewinnen: Rickard Gustafson, Chef des SKF-Konzerns im Interview.
Was können Sie über das Recond Oil-Projekt in Schweinfurt sagen?

Gustafson: Das ist Teil dieser Reise in die nachhaltige Wirtschaft. Da haben junge Entwickler einen sehr smarten Weg gefunden, wie man gebrauchtes Öl recycelt, so dass es sogar sauberer als vorher ist. Das nützt uns in unserer eigenen Produktion, verbessert die Erzeugnisse sogar und trägt zum Senken unseres CO2-Fußabdrucks bei. Diese Technik bieten wir jetzt auch anderen Unternehmen an. Die Technologie sieht vielversprechend aus, wir vertreiben sie auch aus Schweinfurt.

"Die Zukunft liegt darin, wettbewerbsfähig zu sein"
Rickard Gustafson.
Seit September gibt es bei SKF Schweinfurt zum ersten Mal Fachinformatiker als Auszubildende. Warum?

Gustafson: Haben Sie schon mal eine Produktion in einer Fabrik 4.0 gesehen? Der Grad an Automation, Robotik und Digitalisierung ist ein ganz anderer, und für eine moderne Produktion braucht es ganz andere Fähigkeiten als früher. Wir brauchen Mitarbeiter mit viel mehr Wissen in Sachen IT und Digitalisierung, denn das ist die Zukunft. So bauen wir die Belegschaft der Zukunft auf.

Sie sind sich also sicher, dass Wilhelm Höpflinger und Engelbert Fries diesen Weg befürworten würden?

Gustafson: Ich denke, es gibt keinen anderen Weg. Die Zukunft liegt darin, wettbewerbsfähig zu sein. Wir brauchen die neueste Technologie, sonst können wir nicht in der globalen Arena mitspielen. Um diese hochdigitalisierten Produktionen zu bedienen, braucht es neue Fähigkeiten. Das ist für mich unverrückbarer Teil unserer Zukunft.

Rickard Gustafson

Im Januar 2021 gab SKF bekannt, dass Rickard Gustafson Nachfolger von Alrik Danielson als neuer Präsident und CEO von SKF AB wird. Mitte des Jahres erfolgte der Wechsel. Der 56 Jahre alte Gustafson war zuvor Chef der schwedischen SAS Group, einer der führenden Airlines Skandinaviens. Davor arbeitete er als CEO für die Versicherungsgesellschaft Codan/Trygg Hansa und war auch bei General Electric tätig. Gustafson besitzt einen Master of Science mit Schwerpunkt Industrieökonomie vom Institute of Technology der Universität Linköping in Schweden.
Quelle: SKF
 
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