Es waren zwei sehr intensive Tage für den neuen SKF-Chef Rickard Gustafson bei seinem Antrittsbesuch im größten Werk des schwedischen Wälzlagerherstellers in Schweinfurt. Warum er die deutsche Ingenieurskunst zu schätzen weiß und welche Chancen er im Klimaschutz für den Standort Schweinfurt sieht, erklärte er im exklusiven Interview mit dieser Redaktion.
Rickard Gustafson: Die Namen sagen mir entfernt etwas. Ich kenne sie nicht, aber sie klingen wie ein Echo unserer Vergangenheit. Ich glaube, die beiden sind mitverantwortlich, dass sich hier ein Zentrum der Wälzlagerindustrie befindet, und sie sind Teil unserer Geschichte.
Gustafson: Sehr wichtig, denn hier haben wir eine lange Geschichte, sehr viele Kompetenzen und Können. Wir schöpfen für unser globales Business sehr viel Wissen aus Deutschland und Europa, das wir an Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt weitergeben. Es braucht außergewöhnliche Ingenieurskunst, um im Kugellagergeschäft erfolgreich zu sein.
Gutsafson: Mir wurde mehrmals in meiner Karriere angeboten, in die Industrie zu wechseln. Ich war im Versicherungs-Geschäft, in der Luftfahrt, jetzt hat sich diese Chance eröffnet. Für mich ist SKF eine industrielle Ikone, eine hoch respektierte Marke und eine der am stärksten globalisierten schwedischen Firmen. Wir haben rund 43 000 Mitarbeitende, aber nur 2000 in Schweden, was deutlich macht, wie global wir aufgestellt sind. Das macht die Aufgabe für mich attraktiv. Und auch die Werte unserer Eigentümerfamilie Wallenberg passen sehr gut zu mir.
Gustafson: Ich vergebe keine Zehn, weil jeder Teilbereich unseres Unternehmens das Potenzial hat, sich noch weiterzuentwickeln. Ich gebe eine Acht, wegen der großen Tradition, der Fähigkeiten der Beschäftigten und der technischen Möglichkeiten hier am Standort. Ich denke, ich werde nie einem Zweig mal eine Zehn geben (lacht).
Gustafson: Das entscheide nicht ich, sondern unsere Kunden. Wir müssen da sein, wo unsere Kunden sind. Wir müssen sicherstellen, dass wir für sie relevant und wettbewerbsfähig sind. Ich hoffe und gehe davon aus, dass es uns in Schweinfurt weiter gelingt, unsere Fähigkeiten auszubauen und hier weiter zu investieren. Aber wir treten in einer weltweiten Arena an und es gibt viele weltpolitische Entwicklungen, Zulieferbetriebe näher an den großen Produktionsbetrieben anzusiedeln. Wir können diese Trends nicht ignorieren und müssen den Wünschen der Kunden folgen. Ich denke, dass manche Dinge, die wir jetzt hier produzieren, in ein paar Jahren vielleicht in China hergestellt werden. Ich bin aber auch überzeugt, dass wir in Europa genügend Möglichkeiten für ein erfolgreiches Business haben. Ich will da sein, wo die Kunden sind, und die weisen uns den Weg, wie wir für sie relevant bleiben können.
Gustafson: Nein. Gleichzeitig gibt es aus meiner Sicht nirgendwo eine Jobgarantie. Wenn man nicht wettbewerbsfähig ist und die Kunden nicht bei einem kaufen wollen, hat man keine Zukunft. Wir müssen unsere Möglichkeiten ausschöpfen, zusammenarbeiten und gemeinsam mit den Gewerkschaften und dem Betriebsrat Wege finden, unsere Zukunft zu sichern. Das bedeutet, dass wir uns weiter wandeln, weiterentwickeln und unsere Produktivität steigern. Das wird das Erfolgsrezept der Zukunft sein. Ich freue mich auf eine starke und produktive Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften.
Gustafson: Natürlich hat uns alle Corona sehr getroffen. Aber es war klar, dass sich die meisten Industrien nach dem ersten Tief wieder erholen würden und das jetzige Wachstum ist ziemlich solide. In der Luftfahrtbranche zum Beispiel hat die Coronakrise viel tiefere Spuren hinterlassen. Ich bin aber beeindruckt, was SKF alles geleistet hat, um die Pandemie zu managen. Wir haben in allen Werken weltweit sichere Arbeitsumgebungen geschaffen und konnten so durchgängig weiterarbeiten. Dafür ein großes Lob an unsere Beschäftigten!
Gustafson: Das lässt sich nicht vorhersagen. Wir haben in den letzten Jahren außergewöhnlich viel investiert, weil wir entschlossen sind, unser Geschäft hier weiterzuentwickeln. Wir wollen unsere Produktionskapazitäten hier modernisieren. Aber wir arbeiten global, werden weiter auch in anderen Teilen Europas, Nord- und Südamerika und Asien investieren, denn unsere Kunden fordern das. Ich kann jetzt nicht vorhersagen, wie wir das aufteilen. Wir müssen unsere Prioritäten setzen, aber ich bin sicher, dass wir auch hier weiter investieren, denn Schweinfurt ist ein wichtiger Standort für uns und wir bedienen hier sehr wichtige Kunden.
Gustafson: Zentral für das 2030-Ziel ist, dass wir die Energie, die unsere Fabriken benötigen, komplett aus erneuerbaren Energien beziehen. Das ist unser wichtigstes Ziel und wir planen das Jahr für Jahr nach vorne. Es ist ein ambitioniertes Ziel und wir haben die Latte hier sehr hoch gehängt, obwohl wir noch nicht alle Rahmenbedingungen kannten. Wir arbeiten auch in Schweinfurt daran, dieses Ziel zu erreichen. In Göteborg sind wir schon bei null Emissionen, in Tudela in Spanien und in Steyr in Österreich auch. Es ist ambitioniert, aber machbar, wenn wir alle unsere Kraft hinein stecken. Das 2050-Ziel ist noch herausfordernder, denn da geht es um die Wertschöpfungskette und wir übernehmen Verantwortung für Dinge, die außerhalb unseres Einflussbereichs liegen. Den größten CO2-Fußabdruck unserer Wertschöpfungskette hat der Stahl. Wie können wir unsere Lieferanten beeinflussen, grünen Stahl zu produzieren zu wettbewerbsfähigen Kosten? Wir arbeiten mit anderen Firmen und Vereinigungen wie Responsable Steel zusammen, um das Ziel zu erreichen.
Gustafson: Ja, das denke ich. Aber es braucht für die Erzeugung signifikante Mengen Primärenergie und die müssen grün sein, sonst hat das keinen Sinn. Es braucht ein gemeinsames Denken und Engagement von uns als Stahlkunden, von den Stahlherstellern und der Politik. Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen, den Planeten zu schützen und eine nachhaltige Zukunft zu sichern. Ich glaube an den menschlichen Erfindergeist. Den gibt es, seit wir Menschen die Welt betreten haben.
Gustafson: Ich bin mir sicher, dass auch die Politik irgendwann einen Weg findet. Als Unternehmen muss man an etwas glauben und auf etwas setzen. Wir glauben an eine nachhaltige Zukunft und das sowohl mit Blick auf die Bewahrung der Lebensgrundlagen als auch aus einer Geschäftsperspektive, denn das wird uns Chancen öffnen. Ich bin überzeugt, dass unsere Kunden von uns wissen wollen, wie wir unseren CO2-Fußabdruck reduzieren, denn ihre Kunden wollen das von ihnen wissen. Einige Industrien, die wir bedienen – wie Windkraft, Eisenbahn oder E-Mobilität – werden wachsen und eine nachhaltige Zukunft sichern. Wenn wir deren Partner sein wollen, müssen wir dieselbe Sprache sprechen. Außerdem stellt sich die Frage, wie wir die besten jungen Talente bekommen. Ich glaube nicht, dass die nächste Generation für eine Firma arbeiten will, die Klimaschutz nicht ernst nimmt. Ich bin überzeugt, dass wir auf dieser Reise unbedingt dabei sein müssen.
Gustafson: Das ist Teil dieser Reise in die nachhaltige Wirtschaft. Da haben junge Entwickler einen sehr smarten Weg gefunden, wie man gebrauchtes Öl recycelt, so dass es sogar sauberer als vorher ist. Das nützt uns in unserer eigenen Produktion, verbessert die Erzeugnisse sogar und trägt zum Senken unseres CO2-Fußabdrucks bei. Diese Technik bieten wir jetzt auch anderen Unternehmen an. Die Technologie sieht vielversprechend aus, wir vertreiben sie auch aus Schweinfurt.
Gustafson: Haben Sie schon mal eine Produktion in einer Fabrik 4.0 gesehen? Der Grad an Automation, Robotik und Digitalisierung ist ein ganz anderer, und für eine moderne Produktion braucht es ganz andere Fähigkeiten als früher. Wir brauchen Mitarbeiter mit viel mehr Wissen in Sachen IT und Digitalisierung, denn das ist die Zukunft. So bauen wir die Belegschaft der Zukunft auf.
Gustafson: Ich denke, es gibt keinen anderen Weg. Die Zukunft liegt darin, wettbewerbsfähig zu sein. Wir brauchen die neueste Technologie, sonst können wir nicht in der globalen Arena mitspielen. Um diese hochdigitalisierten Produktionen zu bedienen, braucht es neue Fähigkeiten. Das ist für mich unverrückbarer Teil unserer Zukunft.