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Schweinfurt
Selbstversuch von Schweinfurts Bürgermeisterin: Mit Tee und Teilchen zu den "gefährlichen" Ecken der Stadt
Mit den Menschen in Kontakt kommen, ein offenes Ohr haben – für Bürgermeisterin Sorya Lippert endete ihre Bollerwagen-Mission in interessanten Gesprächen.
Bürgermeisterin Sorya Lippert (rechts) zog zusammen mit der CSU-Stadträtin Theresa Schefbeck und dem Fachoberschüler Huzaifa durch die Schweinfurter Innenstadt, um an den vermeintlich gefährlichen Orten Schweinfurts mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.
Foto: Steffen Krapf | Bürgermeisterin Sorya Lippert (rechts) zog zusammen mit der CSU-Stadträtin Theresa Schefbeck und dem Fachoberschüler Huzaifa durch die Schweinfurter Innenstadt, um an den vermeintlich gefährlichen Orten Schweinfurts ...
Steffen Krapf
 |  aktualisiert: 24.02.2025 02:31 Uhr

Die blaue Stunde bricht bereits an, als Schweinfurts Zweite Bürgermeisterin Sorya Lippert einen Bollerwagen hinter sich herzieht und mitten auf dem Schweinfurter Roßmarkt erst einmal kurz innehält. Die 70 Jahre alte CSU-Politikerin wird begleitet von ihrer Parteikollegin und Stadträtin Theresa Schefbeck. Die beiden Frauen sind in langen Wintermäntel eingepackt. Perfekt für die eisigen Temperaturen.

Lippert begrüßt einen jungen Mann, der nicht nur auf eine flauschige Winterjacke setzt, sondern vorsorglich auch gleich zwei Hosen übereinander angezogen hat. Der 19 Jahre alte Huzaifa soll die beiden Politikerinnen durch die Innenstadt begleiten und - wo nötig- als Arabisch-Dolmetscher fungieren. Bürgermeisterin Lippert hat eine spezielle Mission an diesem Abend, sie macht einen kleinen Versuch: Sie möchte zu den vermeintlich gefährlichen Orten der Schweinfurter Innenstadt gehen und dort mit den Menschen ins Gespräch kommen.

Wenige Stunden zuvor, im Haupt- und Finanzausschuss, hatten Stadträtinnen und -räte über das Thema Sicherheit in Schweinfurt diskutiert. Tenor: Schweinfurt ist sicher, wie Polizeichef Markus Hack beharrlich betont. Trotzdem nehme man die Ängste und Sorgen der Bürger ernst und will reagieren, unter anderem mit Verbotszonen. Lippert hatte die Sitzung geleitet.

Zwischen Polizeipräsenz und angespannten Begegnungen

In den vergangenen zwei Wochen war im Innenstadtbereich ein verstärktes Polizeiaufgebot zu beobachten. Mehr als 200 Personen wurden in dieser Zeit kontrolliert. Auch Huzaifa, berichtet er. "Das ging ganz schnell", sagt der junge Syrer, der Ende 2015 als Bürgerkriegs-Geflüchteter nach Deutschland kam. Der Fachoberschüler ist vorbildlich integriert. Dass er kontrolliert wurde, führt er darauf zurück, dass er arabisch aussieht, wie er sagt. Es stört ihn nicht. Huzaifa befürwortet eine große Polizeipräsenz. "Dann fühle ich mich sicherer." Aber eigentlich sei die Schweinfurter Innenstadt kein Ort, um sich unsicher zu fühlen, findet er, vor allem im Vergleich zu größeren Städten wie Nürnberg oder Frankfurt.

Die Bürgermeisterin stoppt nach wenigen Metern, noch auf dem Roßmarkt, an der Ecke zur Wolfsgasse. Dort stehen einige Männer, Lippert bietet ihnen aus ihrem Bollerwagen Tee mit Milch und Zucker, pakistanischer Art, und frische Pakoras an, frittierte Teilchen, hergestellt von den Frauen des Interkulturellen Begegnungszentrums für Frauen (IBF). Die Stimmung wirkt schnell etwas angespannt. Die Männer, die nach eigener Auskunft aus Marokko und Algerien kommen, scheinen die Situation nicht richtig einschätzen zu können und befürchten gefilmt oder fotografiert zu werden. Lippert bemüht ein deutsches Sprichwort: "Das Lächeln, das du aussendest, das kommt zu dir zurück."

Eine junge Frau wünscht sich von der Polizei einen respektvolleren Umgang

Es geht weiter in Richtung Rewe in der Hadergasse. Eine Tasse Tee und ein Pakora auf die Hand, sind dort der Eisbrecher. Lippert kommt mit einer jungen Frau ins Gespräch, die aus Deutschland kommt, aber viele Freunde aus arabischen Ländern hat. Sie stört sich an den vielen Polizeikontrollen, sie selbst wurde an diesem Tag in ihrer Mittagspause kontrolliert. "Ich wünsche mir einen respektvolleren Umgang der Polizei", sagt sie. Unsicher fühlt sie sich in der Schweinfurter Innenstadt nicht.

Wenn sich Kulturen neu kennenlernen, braucht es etwas Zeit, erklärt Lippert, die in Pakistan aufgewachsen ist. Mit einigen jungen Männern vor dem Eingang zum Parkhaus in der Hadergasse entwickelt sich ein lockeres Gespräch über Religion. Die Stimmung ist friedlich, alle Beteiligten wirken neugierig. Es sei wichtig, miteinander zu reden, findet die Bürgermeisterin. Viele Geflüchtete seien es gar nicht gewohnt, positiv angesprochen zu werden.

Tagsüber riecht es nach Gras in Schweinfurts Châteaudun-Park

Weiter geht es in Richtung Châteaudun-Park, die blaue Stunde neigt sich ihrem Ende, Menschen sind hier keine mehr anzutreffen. Tagsüber sehe das anders aus, erklärt Huzaifa. Dann wird im Park auch viel Cannabis geraucht, man könne es dort überall riechen. Der junge Syrer findet das nicht angemessen, weil viele Kinder und Jugendliche nach der Schule vorbeilaufen. Ob hier auch Drogen verkauft werden? Er weiß es nicht sicher, denkt aber schon.

Der Tross läuft wieder in Richtung Roßmarkt. Lippert befasst sich viel mit dem Thema Migration. "Die Welt ist in Unordnung, wie sie in Unordnung ist", erklärt sie. "Das heißt: Die Migrationsströme können gar nicht abreißen." Auch das Schließen von Grenzen könne das nicht aufhalten. Sie blickt stolz rüber zu Huzaifa und sagt: "Er wird sein Ding machen." Der reagiert etwas verlegen: "Es gibt immer gute und schlechte Menschen. Die schlechten kommen eher in die Medien."

Wie kann man in der neuen Heimat ankommen? Bürgermeisterin Lippert gibt Tipps

Die Bürgermeisterin spricht zwei junge muslimische Frauen an, die mit Kinderwägen am Roßmarkt stehen. Lippert ist überzeugt, dass es den öffentlichen Raum auch mehr befriedet, wenn sich dort mehr Frauen aufhalten. Nun, die Kanne Tee wird immer leichter, stehen Lippert, Schefbeck und Huzaifa wieder an der Ecke, wo die Tour begonnen hat.

Schlechte Stimmung herrscht dort jetzt keine mehr. Im Gegenteil: junge Männer wollen Tipps von der Bürgermeisterin, was sie tun müssen, um in der neuen Heimat anzukommen. Es hat etwas von klassischem Streetwork. "Zuallererst die Sprache lernen", sagt Lippert und hört weiter zu. Kommenden Dienstag möchte sie ihre Mission fortsetzen und erneut die "gefährlichen Ecken" Schweinfurts aufsuchen – mit Tee, Pakoras und einem offenen Ohr.

 
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Kommentare
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  • Sorya Lippert
    Das mache ich gerne nächste Woche!
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  • Diana Schmeltzer
    Solche Aktionen sind hilfreich, wunderbar! Freundlich sein. Hilft.
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  • Stefan Fuchs
    Nicht immer alles negativ sehen Hr.Hofmann.
    Meine Stimme bekommt Fr.Lippert auch nicht.
    Aber Sie bemüht sich zumindest.
    Und dafür bekommt Sie meinen Respekt.
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  • Andreas Böckler
    Hallo Herr Fuchs,

    ich glaube auch, dass Frau Lippert das gut meint.
    Nur hätte dieser Selbstversuch mal im Zeitraum Sommer bis Dezember gemacht werden sollen.

    So ist es wie eine Zimmerkontrolle, nachdem aufgeräumt worden ist. Alles Paletti.
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  • Martin Heberlein
    Vielleicht sollten sich Anwohner und Geschäftsleute auch mal ein Beispiel an Frau Lippert nehmen, dann gäb's sicher weniger Ärger in der Innenstadt...
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  • Andreas Böckler
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  • Andreas Gerner
    Tolle Aktion.

    Schade, dass Frau Lippert ihr ehrenamtliches Engagement zurückschrauben möchte.

    https://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/zum-70-geburtstag-sorya-lippert-sieht-die-vielfalt-der-kulturen-als-chance-fuer-das-zusammenwachsen-der-welt-art-11412915
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  • Klaus Hofmann
    Vielleicht hätte Frau Lippert auch mal bei den Anwohnern und Geschäften anklingeln sollen.
    Die hätten sich auch über ein offenes Ohr gefreut.
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