Leere Flaschen und Müll auf Treppen und Wegen, eingetretene Jalousien an den Fenstern im Erdgeschoss, laute Musik und Lärm in der Nacht – das Nervenkostüm der Anwohnerinnen und Anwohner in der Hadergasse an der Stadtmauer zum Châteaudunpark in Schweinfurt ist seit Jahren stark angespannt. "Es ist ein Trauerspiel, wie es hier ausschaut", bringt es Claudia Scheerer auf den Punkt und beschreibt damit die Empfindung vieler Personen, die in dem Areal wohnen oder arbeiten.
Die "neue" Hadergasse mit den modernen Wohn-und Geschäftshäusern, der Tiefgarage Kunsthalle, dem Rewe-Markt und dem Hotel ist eines der großen innerstädtischen Vorzeigeprojekte gewesen zu Beginn der Amtszeit von Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) in den 2010er Jahren. Doch heute ist es, zumindest im Empfinden der Bewohnerinnen und Bewohner, ein Viertel, das massiv an Lebensqualität verloren hat.
Claudia Scheerers Kanzlei für Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung liegt im Erdgeschoss direkt am Weg zwischen dem Theaterpark und der Treppenanlage zur Hadergasse an der Ecke zum Supermarkt. Im Gespräch mit dieser Redaktion schildert sie verschiedene Vorfälle, die ihr zu schaffen machen. Vor allem Sachbeschädigungen, am Balkon oder an den Jalousien an den Fenstern direkt am Weg. Aktuell ist wieder einmal eine mutwillig eingetreten worden. Schaden: rund 1000 Euro. Wie oft die Jalousien schon repariert wurden, kann Scheerer gar nicht zählen.
Aus Sicht der Anwohner mehren sich die Vorfälle im Jahr 2023
Während der Corona-Pandemie und der immer wieder geltenden Ausgangssperre zwischen 2020 und 2021 war die Situation besser. Doch seit diesem Jahr soll es vermehrt Vorfälle geben. Das empfindet nicht nur Claudia Scheerer so, sondern auch Martin Feuerbacher, dessen Consulta Steuerberatungsgesellschaft in der Hadergasse neben dem Supermarkt liegt. "Die Innenstadt entwickelt sich zum Brennpunkt", findet Feuerbacher.
Das Problem gebe es natürlich vor allem im Sommer, habe aber auch damit zu tun, dass man relativ leicht im Supermarkt an Alkohol kommt und diesen dann vor Ort auf den Treppenanlagen oder im Park konsumiert. Auch Feuerbacher hatte bereits Probleme mit Vandalismus. Ein weiteres Thema: Hinter seinem Büro verläuft ein Fußweg an der Stadtmauer entlang und am Gefängnis vorbei. Regelmäßig, so schildert er es, stünden dort Personen und schrien in Richtung Gefängnishof.
Eine genervte Anwohnerin, die eine Dachwohnung mit Fenstern und Balkon in Richtung des Theaterparks gemietet hat, berichtet gegenüber dieser Redaktion vom abendlichen Lärm, der nicht selten bis in die frühen Morgenstunden geht: "Das beliebteste Spiel so gegen zwei oder drei Uhr morgens ist Flaschenwerfen bei alkoholisierten Jugendlichen in die vorhandenen Metall-Mülleimer. Wir haben eine schulpflichtige Tochter und bei geschlossenen Fenstern bei sommerlichen Temperaturen zu schlafen, ist eine Zumutung", so die Mieterin.
Die Lösung liegt für die Betroffenen auf der Hand: ein Alkoholverbot für den Châteaudunpark wie die Hadergasse und Videoüberwachung in der Gasse ab der Stadtmauer wie es sie auch am Roßmarkt gibt. Beides wurde mehrfach bei der Stadtverwaltung wie der Polizei angesprochen, es gibt auch ein Schreiben an den OB, von den meisten Betroffenen unterzeichnet.
Polizei und Stadtverwaltung sind in puncto Videoüberwachung skeptisch
Doch beides ist nicht so leicht umzusetzen, wie es sich die Betroffenen wünschen. Ordnungsreferent Jan von Lackum betont, man habe die Gegend im Blick und sei sich des Problems bewusst. Ordnungsamt, Sicherheitswacht und Polizei kontrollierten regelmäßig. Grundsätzlich dürfe man im öffentlichen Raum – ob nun Park oder Treppenanlage – sitzen, miteinander reden und auch Alkohol trinken. "Natürlich im entsprechenden Rahmen und natürlich darf man keine Straftaten begehen", so von Lackum.
Das geforderte Alkoholverbot sei aber genauso an Auflagen gebunden wie vor allem eine Videoüberwachung des öffentlichen Raumes, bedingt durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Um eine solche zu installieren, bedarf es besonders schwerer Straftaten, die in dem Bereich festgestellt wurden. Davon habe man in der Hadergasse aber keine Kenntnis. Den Roßmarkt, wo es Videokameras von der Polizei gibt, könne man nicht vergleichen.
Von Lackum hält die restriktive Herangehensweise beim Thema Videoüberwachung auch für richtig: "Wir wollen in Deutschland keinen Überwachungsstaat. Man muss vom redlichen Bürger ausgehen." Und dessen Persönlichkeitsrechte müssten ebenso abgewogen werden.
Anwohner kritisieren Haltung von Stadt und Polizei deutlich
Die Haltung der Behörden kann Claudia Scheerer nicht nachvollziehen. "Jeder versteckt sich hinter Paragraphen", kritisiert sie und fühlt sich allein gelassen mit ihren Problemen. Besonders die Tatsache, dass eine Videoüberwachung des öffentlichen Raumes zwischen Stadtmauer und Treppenaufgang abgelehnt werde, ist für sie schwer verständlich: "Ist der Datenschutz mehr wert als die Sicherheit und das Eigentumsrecht der betroffenen Personen?"
Martin Feuerbacher findet, die Stadt sollte ein Alkoholverbot für den Bereich aussprechen und es im Zweifel auf eine Klage ankommen lassen. Es sei sicher möglich genügend Betroffene zu finden, die bestätigten, dass gerade der Alkoholkonsum die Ursache für das nicht angemessene Verhalten des ein oder anderen Zeitgenossen sei.
Hadergasse und Châteaudunpark aus Polizeisicht kein Brennpunkt in Schweinfurt
Der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Schweinfurt, Matthias Wehner, betont auf Nachfrage, die Polizei kontrolliere regelmäßig auf allen öffentlichen Plätzen in der Stadt. Er betont, der Bereich der Hadergasse und des Châteaudun-Parks sei kein Brennpunkt für Kriminalität, "man muss hier keine Angst haben, durch den Park zu laufen".
Die Bevölkerung dürfe davon ausgehen, dass die Polizei keine Straftaten dulde und konsequent dagegen vorgehe. Wichtig sei vor allem, dass die Anwohnerinnen und Anwohner Vorfälle immer der Polizei melden –ob Sachbeschädigungen oder auch über den Notruf, wenn akut mögliche Straftaten beobachtet würden.
DSGVO Schutz des Eigentums und Prävention. Dann mit dem temporär argumentieren, dass ja Schutz gebraucht wird... dann bleibt es eben, da der Schutz immer noch gebraucht wird!