"Mutig" will Sorya Lippert ihren 70. Geburtstag mit der Schweinfurter Bevölkerung feiern. Statt Sekt und Häppchen serviert sie aktuelle politische Kost. Die Zweite Bürgermeisterin von Schweinfurt beschenkt sich zu ihrem Jubiläum selbst mit einem Vortrag zu ihrem Lieblingsthema "Bildung und Migration". Von 14 bis 16 Uhr wird sie an diesem Samstag, 9. März, in der Rathausdiele mit hochkarätigen Referenten einen Faktencheck zur Frage machen: "Muss der sogenannte Migrationshintergrund immer eine Hürde sein auf dem Weg zu hochwertiger Bildung?"
Sorya Lippert sagt Nein, und will dies im Gespräch mit den beiden Professoren Dr. Ralf Rosskopf von der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften der THWS und Dr. Franz-Alois Fischer von der Hochschule für Ökonomie und Management Essen sowie Dr. Ulas Gering, dem Kommunikationsmanager der Frankfurter Taxizentrale, diskutieren. Die Bevölkerung ist herzlich eingeladen.
Die Schweinfurter Politikerin ist bestes Beispiel, dass Bildung und Migration sich nicht ausschließen. In London geboren, in Pakistan aufgewachsen, deutsche Mutter, indisch-pakistanischer Vater, christlich erzogen. Im Elternhaus gingen hochkarätige Politiker ein und aus. Benazir Bhutto, die spätere Premierministerin von Pakistan, war beste Freundin von Sorya Lippert im Internat in Murree, das sie gemeinsam besuchten.
Vielfalt der Kulturen und Religionen als Chance für ein Zusammenwachsen der Welt
Sorya Lippert ist mit verschiedenen Kulturen aufgewachsen. Gerade die Vielfalt der Kulturen und Religionen sieht Lippert als eine Chance für ein Zusammenwachsen der Welt. Und dafür setzt sie sich ein. In Schweinfurt gründete sie schon um die Jahrtausendwende das Interkulturelle Begegnungszentrum für Frauen (IFB), das anfänglich als "Lippertsche Spinnerei" belächelt wurde und heute ein Aushängeschild der Integration ist. An der Körner-Grundschule mit hohem Migrationsanteil organisierte sie die erste Hausaufgabenbetreuung, parallel für die Mütter Deutschkurse und Frauenfrühstücke.
Um Geflüchteten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, hob Lippert den Verein Interkult aus der Taufe und steckte ihr mütterliches Erbe in den Betrieb einer Interkulturellen Schneiderei. Bis heute unterstützt sie jedes Jahr zu Semesterbeginn international Studierende bei der Wohnungssuche, stellt ihnen mitunter sogar die ehemaligen Kinderzimmer im eigenen Haus zur Verfügung.
Apropos Kinder: Nach dem Lehramtsstudium Deutsch/Englisch für Gymnasien und dem zweiten Staatsexamen legte Sorya Lippert eine Kinderpause ein. Untätig blieb sie aber nicht. Als Mutter von sechs Kindern engagierte sie sich im Elternbeirat und ließ sich zur Elternbegleiterin ausbilden. Doch sie wollte mehr, sie wollte mitgestalten. Da kam das Angebot der Schweinfurter CSU gelegen, auf der Stadtratsliste zu kandidieren. Seit 2002 ist Sorya Lippert Mitglied im Schweinfurter Stadtrat und seit 2014 Zweite Bürgermeisterin der Stadt Schweinfurt. Ihre Themen sind vor allem die Jugendhilfe, Soziales, die Lokale Agenda 2030 und der Integrationsbeirat.
Immer wieder für die Demokratie einstehen
"Ich bin groß geworden mit dem Bewusstsein, dass man sich um Demokratie bemühen muss", sagt Lippert. Die Enthüllungen der Redaktionsgemeinschaft Correctiv Anfang Januar zu einem Treffen Rechtsextremer, an dem auch Politiker der AfD, der CDU oder der Werteunion teilnahmen und bei dem über Remigration aller Menschen mit Migrationshintergrund diskutiert wurde, hat sie als Frau mit Migrationshintergrund deshalb nicht mehr betroffen gemacht als sie es schon immer war. "Die Stimmung ist schon so lange da", meint Lippert. Und deshalb müsse man immer wieder für die Demokratie einstehen.
Sorya Lippert macht Politik aus dem Bauch heraus. "Ich kam als Outsiderin und war manchmal auch naiv", erkennt sie selbstkritisch. Zum Beispiel als sie in ihrer Funktion als Zweite Bürgermeisterin das AfD-Büro in Schweinfurt eröffnete. Das hat ihr viel Kritik eingebracht. Heute würde sie anders handeln, aber trotzdem politische Parteien wie die AfD nicht ausgrenzen. "Man muss sich den Problemen stellen und miteinander reden", ist Lipperts Devise.
Wenn sie mit 70 Jahren auf ihr Wirken, politisch und ehrenamtlich, zurückblickt, ist sie zufrieden: "Ich habe viele Denkanstöße geben und umsetzen können." Mit 70 Jahren ist für Sorya Lippert aber auch der Moment gekommen, wo die Kräfte nachlassen. Sie wird bei den nächsten Kommunalwahlen 2026 nicht mehr antreten. Sorya Lippert will sich künftig in erster Linie um ihre Familie kümmern. Die 70-Jährige hat inzwischen auch zwei Enkelkinder.
Ihr ehrenamtliches Engagement will sie ebenfalls zurückschrauben. Freuen würde sie sich, wenn die von ihr angestoßenen Projekte wie Interkult sich freischwimmen und einmal selbst tragen können. "Das wäre genial."
Und was wünscht sie sich? "Dass wir als Stadt und Gesellschaft den Mut haben, Dinge neu zu denken." Es brauche mehr Offenheit für globale Zusammenhänge und eine Zukunft, die anders ist", sagt Sorya Lippert, mit Blick auf das Massenphänomen "Entitlement", die weitverbreitete Haltung in der Gesellschaft, es stehe einem etwas zu, man habe ein Recht auf etwas. "Diese Zeiten sind vorbei."