
Russischer Angriffskrieg in der Ukraine, hohe Inflation, Nachwehen der Corona-Krise, Fachkräftemangel und Lieferengpässe: Die Baupreise explodieren derzeit. Davon sind nicht nur Privatleute und Firmen betroffen, natürlich auch die Stadt Schweinfurt. Die hat bis 2025 genau 41 Bauprojekte geplant, die mit 186 Millionen Euro Kosten geschätzt sind. Doch es gibt Fragen: Was kann und was will man sich noch leisten? Zahlreiche Projekte könnten gestrichen oder verschoben werden.
In der jüngsten Stadtratssitzung gab zum ersten Mal seit Monaten wieder Finanzreferentin Anna Barbara Keck ausführlich Auskunft über die finanzielle Lage der Stadt und die Konsequenzen daraus für die vielen Projekte von der Theatersanierung, der Landesgartenschau-Planung bis zum Kulturforum-Bau oder der Maxbrücke. Klar wurde: Die Lage ist ernst. So ernst, dass Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) ankündigte, im Herbst vor den Haushaltsberatungen nach einer Klausur der Verwaltung Vorschläge zu machen, was gestrichen und was weiterverfolgt wird. Andeutungen, welche Projekte betroffen sein könnten, gab es nicht.
Zurück gingen die Ausführungen der Finanzreferentin auch auf einen Antrag der SPD-Fraktion, die seit Monaten schon Transparenz fordert und sich wegen der explodierenden Baupreise und der Konsequenzen für Schweinfurt Sorgen macht. Peter Hofmann hatte eine entsprechende detaillierte Anfrage gestellt, in der es auch um die Landesgartenschau 2026 ging. In der Stadtratssitzung Anfang Mai hatte Baureferent Ralf Brettin diese auch beantwortet, war dafür aber nicht nur von der SPD kritisiert worden, dass der Überblick nicht konkret genug gewesen sei.
Anna Barbara Keck war sehr konkret. Gleichwohl verwies sie zurecht darauf, dass sie und der Baureferent bei den Haushaltsberatungen 2021 im November schon für alle Projekte die Kosten, die Risiken und Exitstrategien genannt hatten. Doch damals waren vor allem die Themen Elektromobilität sowie Corona-Pandemie im Vordergrund gestanden, der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist nun die Triebfeder, die die wirtschaftliche Erholung massiv beeinflusst: "Es gibt deutliche Kennzeichen für eine Rezession", so die Finanzreferentin.
Der bayerische Städtetag habe kürzlich erst davor gewarnt, dass die "Unsicherheiten kommunaler Haushalte sich massiv verstärken werden." Das gilt umso mehr für Schweinfurt, wo es eine im Vergleich zu anderen Städten vergleichbarer Größe überdurchschnittliche Abhängigkeit von der Gewerbesteuer gibt.
In guten Jahren ist der Mix der 1000 Gewerbesteuerzahler mit Mittelstand, Handwerk und fünf großen Industriebetrieben für die Stadt ein Segen, brachte 105 Millionen Euro auf dem Sparbuch. Die guten Zeiten sind nur schon lange vorbei. 2018 gab es zuletzt 73,1 Millionen Euro Gewerbesteuer, 2019 nur noch 47,5. Das hing schon mit der beginnenden Transformation der Automobilzulieferer zusammen.

2020 und 2021 waren dank der Kompensationen von Freistaat und Bund aufgrund der Coronakrise mit 59,5 und 57,1 Millionen Euro noch relativ gut. Doch in diesem Jahr geht Anna Barbara Keck davon aus, dass nur noch 48 Millionen Euro in den Stadtsäckel fließen. Um dauerhaft leistungsfähig zu sein auf dem jetzigen Niveau, braucht Schweinfurt aber mindestens 60 Millionen Euro jährlich aus der Gewerbesteuer.
Angesichts dieses wirtschaftlichen Rahmens ist es eine schiere Notwendigkeit, dass Verwaltung und Stadtrat spätestens im November entscheiden müssen, was man sich noch leisten will. Keck erklärte, derzeit sei man bei den 29 budgetierten Projekten 33 Millionen Euro über dem Kostenplan. Die Stadt könne sich ihre Pläne auch nur dann leisten, wenn die Gewerbesteuer bei 60 Millionen jährlich liegt, der Kostenrahmen der Projekte eingehalten wird und die Förderungen entsprechend schnell fließen.
Dazu kommt ein seit Monaten immer klarer zu sehendes Problem: der Personalmangel in der Stadtverwaltung. "Die Projektlandschaft kann aktuell vom Personal nicht komplett bearbeitet werden", betonte die Finanzreferentin eine Wahrheit, die der OB bereits im November mit den Worten "Mehr geht nicht" umschrieben hatte. Aus Sicht von Keck "ist eine Priorisierung der Projekte zwingend erforderlich."
Das sieht auch der Stadtrat so, allerdings mit einer etwas anderen Zeitschiene. Peter Hofmann erklärte, eine Entscheidung, was "wünschenswert und was notwendig ist", müsse bereits vor der Sommerpause fallen, insbesondere im Hinblick auf die Landesgartenschau und mögliche Ausstiegsszenarien aus dem Vertrag. SPD-Fraktionsvorsitzender Ralf Hofmann sieht das auch so, "wir brauchen Zahlen, Daten, Fakten und härtere politische Diskussionen darüber, was sinnvoll ist."
CSU-Fraktionsvorsitzender Stefan Funk hält eine Debatte über die Projekte ebenso für wichtig, betont aber: "Wir sollten nicht in Hektik verfallen, sondern abwarten." Man solle bis November warten, bis alle Zahlen vorliegen und ein Blick in die Zukunft möglich sei, um zu entscheiden, was verschoben was gestrichen und was unbedingt umgesetzt würde. Denn: "Wir haben uns bewusst für Investitionen in die Zukunft der Stadt entschieden."