2018 war ein Jahr, das in die Geschichte der Stadt Schweinfurt einging: 74 Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen. Weder zuvor noch danach hat die Industriestadt so viel eingenommen. Und in den Rücklagen schlummerten 120 Millionen Euro, aus guten Zeiten. Die sind vorbei. 2019 rutschte die Gewerbesteuer ab, im Corona-Jahr 2020 fiel sie ins Bodenlose. Ohne den Rettungsschirm des Bundes, Kompensationszahlungen, hätte Schweinfurt es finanziell nicht geschafft.
Heute hat sich die Gewerbesteuereinnahme etwas erholt, so sicher und einträglich wie früher, ist sie aber längst nicht mehr. Warum das so ist, was diese Entwicklung für die Industriestadt bedeutet und was Schweinfurt tun kann, diese Fragen hat die Finanzreferentin der Stadt Schweinfurt, Anna Barbara Keck, der Redaktion beantwortet.
Warum ist die Gewerbesteuer so wichtig für Schweinfurt?
Anders als Städte wie Würzburg oder Aschaffenburg hat Schweinfurt keine hohen Einnahmen aus der Einkommenssteuerbeteiligung. Der Grund ist einfach: Schweinfurt ist die flächenmäßig kleinste kreisfreie Stadt Bayerns. Wohnraum ist begrenzt. Rund 54.000 Menschen leben hier – und fast so viele Jobs gibt es in dem zweitgrößten Industriestandort Nordbayerns. Heißt aber: von den Leuten, die hier arbeiten, wohnen die meisten anderswo, unter anderem im Speckgürtel rund um Schweinfurt.
Welchen Anteil hat die Gewerbesteuer an den Einnahmen der Stadt?
Insgesamt hat Schweinfurt Einnahmen von rund 263 Millionen Euro im Jahr. 40 Prozent davon sind Steuereinnahmen. Der Rest sind hauptsächlich Transferleistungen von Bund und Freistaat, beispielsweise für das Bürgergeld, andere Sozialleistungen, oder auch Gebühren. Rund 60 Prozent der Steuereinnahmen kommen aus der Gewerbesteuer. Die Einkommenssteuerbeteiligung macht nur 25 Prozent aus, Tendenz steigend. Aktuell liegt sie bei 30 Millionen Euro.
Ist die Gewerbesteuer mit der Corona-Krise eingebrochen?
Ja und Nein. 2018 lagen die Gewerbesteuereinnahmen bei 74 Millionen Euro. Ein Jahr später sackten sie auf 48 Millionen Euro ab. "Vorboten der Transformation", sagt Keck. Doch das schlimmste Jahr stand Schweinfurt noch bevor. 2020 kam die Corona-Pandemie. Kurzarbeit, Ausfälle, Einnahmeverluste waren die Folge. Die Gewerbesteuer in Schweinfurt fiel ins Bodenlose auf rund 28 Millionen Euro. Nur der Rettungsschirm, den Bund und Länder aufspannten, half aus dem Desaster. Auch wenn es danach aufwärts ging, Gewerbesteuereinnahmen wie 2018 wird Schweinfurt so bald nicht mehr erreichen.
Wie wirkt sich die gesunkene Einnahme aus der Gewerbesteuer aus?
Enorm. Immer wieder muss Schweinfurt in seine Rücklagen greifen, um Ausgaben finanzieren zu können. 120 Millionen Euro hatte die Stadt im Jahr 2018 auf der hohen Kante; bis 2023 hat sich dieses finanzielle Polster halbiert. Inzwischen muss Schweinfurt Kredite aufnehmen: 45 Millionen Euro sind in diesem Jahr geplant. Trotzdem bleibt ein Defizit von 22,8 Millionen, das aus der Rücklage ausgeglichen werden muss. Die Krux, so Keck: Während die Einnahmen sinken, sind die Ausgaben gestiegen; auch durch mehr Aufgaben, die Freistaat und Bund an die Kommunen geben, ohne das wirklich finanziell auszugleichen. Die Folge: Schweinfurt muss sparen und gleichzeitig Großprojekte wie die laufende Theatersanierung stemmen, später einmal den Neubau der Maxbrücke. Dafür wurde einiges aufs Eis gelegt, wie das Kulturforum, anderes komplett gestrichen. Stichwort: Landesgartenschau.
Kleine, mittlere und große Unternehmen in Schweinfurt: Wer zahlt was?
Nochmal ins Jahr 2018: Von den 74 Millionen Euro Gewerbesteuer zahlten kleine und mittlere Unternehmen etwa 45 Prozent. Der Rest, rund 34 Millionen Euro, kam von den großen Gewerbesteuerzahlern, also der Industrie. So wie es lange war in Schweinfurt. Wer diese Unternehmen sind beziehungsweise waren, darf die Finanzreferentin nicht sagen. Steuergeheimnis. Allerdings liegt es auf der Hand: Die fünf größten Unternehmen in Schweinfurt sind ZF, Schaeffler, SKF, Bosch Rexroth und Fresenius Medical Care.
Hat sich die Aufteilung inzwischen geändert?
Absolut. Von den 48 Millionen Euro, die Schweinfurt im Jahr 2019 an Gewerbesteuer einnahm, kamen von den großen Zahlern nur noch 13,8 Millionen Euro. Dieses Jahr, so Keck, werden es etwa vier Millionen Euro sein. Nur noch ein großes Unternehmen und eine Sparte eines großen Unternehmens zahlten überhaupt noch Gewerbesteuer. "Alle anderen seit März 2020 null", so Keck. Dabei wird es vielleicht nicht bleiben, hofft sie. Wenn es mit der Wirtschaft in Deutschland aufwärts gehe, die Großindustrie möglicherweise auch gestärkt aus der Transformation herausgehe, könnte der Anteil der einst großen Steuerzahler in Schweinfurt wieder steigen.
Wer sind die Unternehmen, die jetzt die meisten Steuern zahlen?
Viele. In Schweinfurt gibt es laut Keck fast 1000 Betriebe, die Gewerbesteuer zahlen. Klein- und Mittelständler aus den verschiedensten Branchen – von Dienstleistern bis zur Bau- oder auch E-Bike-Branche. Sie alle zahlen inzwischen insgesamt so viel Gewerbesteuer, dass die Finanzreferentin für dieses Jahr auf Gewerbesteuereinnahmen von rund 60 Millionen Euro hofft. Im vergangenen Jahr flossen 56 Millionen Euro an Gewerbesteuer an die Stadt Schweinfurt.
Warum kommt von den einst großen Gewerbesteuerzahlern nur noch wenig?
Wer das erklären will, muss darauf schauen, wie die Unternehmen wirtschaftlich da stehen. Letztendlich sind sie Teil globaler Konzerne, die ihre Investitionen gegenrechnen. Dass die nicht unbedingt in Deutschland gemacht werden, ist bekannt. Und nicht jeder Branche geht es gut. Die Unternehmen stehen unter Druck, nicht nur die Automobilzulieferer, die in Schweinfurt bedeutend sind, sondern auch Hersteller wie SKF, denen die Flaute beim Ausbau der Windkraft zu schaffen macht. Die Einnahmen sinken, "die Gewinne werden woanders gemacht", sagt Keck. Auch Entscheidungen würden heute längst nicht mehr am Standort Schweinfurt getroffen.
Was kann die Stadt Schweinfurt tun?
Nicht viel, sagt die Finanzreferentin. Zumindest nicht, was die ganz großen Player betrifft. Man kann und muss die Softskills ausbauen. Was damit gemeint ist, sind die Rahmenbedingungen: gute Schulen, genug Kita-Plätze, eine lebenswerte Stadt, Kultur, eine gute Infrastruktur. Potenzial hat in Schweinfurt auch der Mittelstand, sagt Keck, die weitere Pläne der Stadt andeutet: gemeinsam mit der THWS Startups und Gründer noch stärker an den Standort zu holen.
Würde einige Probleme lösen und Verwaltungskosten sparen.
Frank Duckstein, Lohr.