Die Stimmung ist angespannt – bei Unternehmen, bei von Stellenabbau betroffenen Belegschaften, und auch bei jenen, deren Arbeitgeber bisher noch nicht von Stellenabbau sprechen. Nach der offiziellen und deutlichen Warnung der IG Metall Anfang März, "tausende Arbeitsplätze" könnten "unwiederbringlich verschwinden", wenn "wir jetzt nicht gegenhalten", reihen sich schlechte Nachrichten aneinander.
Bosch Rexroth kündigte an, 240 Arbeitsplätze bis Ende 2028 abbauen zu wollen. SKF sprach auf Nachfrage der Redaktion davon, bis Ende 2025 weitere 400 Stellen abbauen zu wollen; nachdem bereits in den vergangenen 18 Monaten rund 500 Jobs gestrichen wurden. Und für ZF sehen Arbeitnehmervertreter mittelfristig rund 2000 Stellen in Gefahr.
Das Thema ist ein großes, gerade in einer Industriestadt, die schließlich von der Industrie lebt. Direkt trifft es die Stadt, die am Tropf der Industrie hängt. Die Gewerbesteuer ist die Haupteinnahmequelle Schweinfurts. Seit 2019 ist sie gewaltig gesunken. Von ehemals über 70 Millionen Euro auf 55 Millionen Euro. Wird Schweinfurts Industrie schwächer, senkt das nicht nur die Einnahmen der Stadtverwaltung, sondern stellt auch andere Betriebe, die von ihr abhängen, vor massive Probleme.
All das hat weder Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé noch den Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing, Thomas Herrmann, bisher dazu bewogen, öffentlich auf den angekündigten Stellenabbau zu reagieren. Keine Stellungnahme, kein offizielles Plädoyer für den Standort, keine mahnenden Worte. Nichts.
Remelé: "Schweinfurt ist eine Industriestadt, und darauf sind wir sehr stolz"
Fast nichts. Zumindest bei einer Gelegenheit hat Remelé etwas zum Standort Schweinfurt gesagt: bei der Eröffnung der Tagung der Landeselternvereinigung am Wochenende in Schweinfurt. "Schweinfurt ist eine Industriestadt, und darauf sind wir sehr stolz", erklärte der Oberbürgermeister vor Elternbeiräten aus ganz Bayern. Und wies engagiert darauf hin, dass man vor großen Herausforderungen stehe. "Wir müssen uns verdammt anstrengen, wenn wir das Erreichte bewahren wollen." Ob damit Schweinfurt im Speziellen gemeint war oder nicht, bleibt unklar.
Wie steht der Oberbürgermeister zu der aktuellen Entwicklung, wie der Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung, wie ernst sehen sie die Situation und was kann beziehungsweise wird die Stadt tun? Das wollte die Redaktion in einer Anfrage an das Rathaus wissen, nachdem von dort bisher keine Reaktion auf die aktuelle Diskussion um den Industriestandort Schweinfurt gekommen war.
Wobei die Stadt Schweinfurt verstärkt unterstützen will
Die Antwort gibt die Pressestelle der Stadt. "Wir sehen natürlich auch strukturelle Veränderungen aufgrund der Mobilitätswende auf die Stadt Schweinfurt zukommen. Ob und in welchem Ausmaß dies mittelfristig Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben wird, ist unklar. Die aktuelle Studie der PROGNOS AG 'Zukünftige Beschäftigungssituation der Automobilwirtschaft in Bayern' sieht einen Rückgang der Arbeitsplatzanzahl bis 2040, allerdings auch erhebliche Chancen durch einen notwendigen Transformationsprozess hin zur Elektromobilität", so die Antwort. Den notwendigen Rahmen, "insbesondere die Intensivierung der Qualifizierung der für diesen Prozess notwendigen Arbeitskräfte", werde die Stadt "verstärkt unterstützen". Dabei sei der Ausbau und die Stärkung Schweinfurts als Hochschulstandort ein Standbein.
Aktuell ist die Wirtschaftsförderung der Stadt schmal aufgestellt. Geleitet wird sie von Thomas Herrmann, der gleichzeitig auch für das Stadtmarketing zuständig ist. Schon 2023 hatten sechs Stadtratsfraktionen dies angemahnt und eine Neuaufstellung beantragt. Wie sie aussehen kann und muss, soll ein Gutachten zeigen. Noch wird daran gearbeitet, heißt es auf Nachfrage. Mit dem Gutachten beauftragt ist die Beratungsfirma CIMA. Noch vor August soll es dem Stadtrat vorgestellt werden, heißt es auf Nachfrage.
"Die Entscheidungen werden schon lange nicht mehr in Schweinfurt getroffen"
Kann die Wirtschaftsförderung so, wie sie aktuell aufgestellt ist, einer Industriestadt wie Schweinfurt in Zeiten der Transformation gerecht werden, hatte die Redaktion als Frage an das Rathaus formuliert. Die Antwort, eher ernüchternd: "Die städtische Wirtschaftsförderung hat neben den Aufgaben der Innenstadtbelebung natürlich auch das Ziel, den Industriestandort Schweinfurt zu sichern und zu stärken." Dazu würden regelmäßige Gespräche mit den Vertretern der Großindustrie, aber auch der mittelständischen Unternehmen geführt. "Leider werden aber die strategischen Konzernentscheidungen schon lange nicht mehr in Schweinfurt getroffen; die Globalisierung der Wirtschaft nimmt nur sehr bedingt Rücksicht auf lokale Interessen bei der Entscheidungsfindung konzernweiter Entwicklungen."
Sieht man unseren Jahrgang 63 an, haben hier die wenigsten studiert, die meisten sind Handwerker oder Fabrikarbeiter geworden. Diese haben von Anfang an Wertschöpfung betrieben. Die Handwerker haben die besten ausgesiebt, viele sind in die Buden gegangen und haben dort ihr Glück gemacht. Heute bezahlen sie das Nichtstun ihres Nachwuchses, manche schon in der zweiten Generation...
Was die Frage nach der Tätigkeit der Stadt SW soll, erschliesst sich mir nicht. Ausser Gewerbesteuer ausgeben wurde noch nie was gescheites geplant...
Die Diskussion um den Fachkräftemangel diente m. E. überwiegend
- um billigste, kontrollierbare Arbeitskräfte aus dem Ausland zu holen,
- arbeitgeberfreundliche Forderungen in Berlin und Brüssel durchzupressen und
- auf breiter Front Arbeitsplätze durch KI und digitale Prozesse zu ersetzen und dadurch künftig Lohnnebenkosten (wie z. B. Sozialversicherungsbeiträge) sich von der Backe zu halten und sich am Sozialstaat nicht beteiligen zu müssen.
Auch in diesem MP-Artikel kein Wort davon, dass in vielen Unternehmen Millionen EURO in KI investiert wird, währen gleichzeitig Stellen abgebaut werden. Es wird dringest Zeit, dass in der Gesellschaft und ins besonders von den Gewerkschaften die Diskussion um Steuer und Sozialabgaben auf KI und digitale Prozesse entfacht wird!
Was hier passiert ist ein normaler Vorgang in einer wachstumsorientierten Ökonomie. Durch die Entscheidungsfreiheit der Unternehmen ist Rationalisierung und damit Kostensenkung in der Arbeit (z.B. KI) das Ziel und ein kontinuierlicher Prozess. Die steigende Automation braucht weniger Personal. Damit sinkt übrigens auch die Relevanz der Personalkosten.
Deshalb braucht es Innovation und neue Produkte, um neue Märkte zu erschließen und dort wieder neue Arbeitsplätze zu schaffen, weil für die alten Produkte immer weniger gebraucht werden.
Schauen Sie sich die industrielle Revolution an. Unser Wohlstand ist nur durch Automatisierung und Rationalisierung entstanden.
Unser deutsches Problem ist die grassierende Innovationsfeindlichkeit und Ablehnung jeglicher Veränderung, sowohl seitens der Politik als auch großen Teilen der Bevölkerung. Alles soll so bleiben wie es ist. Genau das bringt das System zum kippen. Es kommt nicht mehr genug nach.
Der Eindruck dürfte aber gewiss unzutreffend sein. Der Gestaltungswille und die Gestaltungskraft kommen in den ausgewählten Antworten des Rathaus einfach nicht so richtig zur Geltung und bleiben dem unbedarften Leser einfach verschlossen.
Es kann ja auch gar nicht anders sein, denn wo sollte man denn sonst Konzepte für die Zukunft der Stadt entwickeln, wenn nicht im Rathaus. Würde man dort diesbezüglich ratlos oder intätig sein, müsste man sich ja Sorgen machen...
https://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/knapp-eine-million-euro-vom-bund-wie-das-fabulous-konzept-die-schweinfurter-innenstadt-beleben-soll-art-11034469
https://schweinfurt-fabulous.de/schweinfurt-fabulous/stadtfabrik
https://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/wir-fuehlen-uns-von-der-stadt-im-stich-gelassen-das-montana-in-schweinfurt-schliesst-nach-36-jahren-art-11424082