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Schweinfurt
Schock und Wut über Schließung von St. Josef: So war die große Verdi-Kundgebung
Über 500 Teilnehmende folgten dem Aufruf der Gewerkschaft. Appell an die Verantwortung der Erlöserschwestern und von Bischof Franz Jung.
Mehr als 500 Menschen kamen zur großen Kundgebung der Gewerkschaft Verdi auf dem Messeplatz, nahe der Kunsthalle, als Protest gegen die Schließung des Krankenhauses St. Josef in Schweinfurt durch die Kongregation der Schwestern des Erlösers.
Foto: Heiko Becker | Mehr als 500 Menschen kamen zur großen Kundgebung der Gewerkschaft Verdi auf dem Messeplatz, nahe der Kunsthalle, als Protest gegen die Schließung des Krankenhauses St.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 22.08.2024 02:42 Uhr

Trauer, Unverständnis, Schock und Wut – die Palette der Gefühle der Beschäftigten aus allen Bereichen des Krankenhauses St. Josef, von der Technik über die Pflege bis zum ärztlichen Personal, ist groß.

Die Entscheidung der Kongregation der Erlöserschwestern, das von ihnen 93 Jahre lang betriebene Krankenhaus St. Josef in Schweinfurt Ende 2024 zu schließen, ist auch knapp drei Wochen nach ihrer Verkündung noch nicht verdaut. Kein Wunder, dass zu der Verdi-Kundgebung am Feiertag auf dem Messeplatz direkt gegenüber dem Krankenhaus über 500 Menschen kamen.

Sie alle einte die Solidarität mit den Beschäftigten, die Sorge um die Patientinnen und Patienten, die Angst vor einer unsicheren Zukunft für die Gesundheitsversorgung und auch das Kopfschütteln und Gefühl des Verraten-worden-Seins durch die Entscheidung der Kongregation, das Haus zu schließen. Fast alle Teilnehmenden waren mit Stickern mit "Wir sind das Josef's!" unterwegs, die Unterschriftenlisten für die Petition waren schnell vollgeschrieben.

Deutliche Worte zur Entscheidung der Erlöserschwestern, das Krankenhaus St. Josef zu schließen, gab es auf zahlreichen Plakaten und Bannern bei der Kundgebung am 15. August.
Foto: Heiko Becker | Deutliche Worte zur Entscheidung der Erlöserschwestern, das Krankenhaus St. Josef zu schließen, gab es auf zahlreichen Plakaten und Bannern bei der Kundgebung am 15. August.

"Hingehalten, vertröstet, jetzt verarscht" stand auf einem von vielen Bannern, auf denen das Unverständnis über die Erlöserschwestern sich breit machte. In deren Namen versicherte Geschäftsführer Martin Stapper kürzlich in der Ferienausschusssitzung des Stadtrates zwar auch wieder, wie sehr die Kongregation die Schließung schmerze. Dennoch sei die Entscheidung unumstößlich.

Verdi sieht auch das Bistum Würzburg in der Verantwortung

Aus Sicht vieler Rednerinnen und Redner bei der Kundgebung sollte sie das aber nicht sein. Marietta Eder, Verdi-Bezirksgeschäftsführerin und Organisatorin der Kundgebung, betonte: "Wir alle sind das Josefs." Es seien noch sehr viele Fragen offen derzeit, ob es vielleicht doch eine Übernahme durch einen anderen Betreiber gibt bis hin zum Sozialplan oder eine Transfergesellschaft. "Wir erwarten gute Antworten", so Eder.  

Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Marietta Eder bei der Kundgebung aus Protest gegen die Schließung des Krankenhauses St. Josef zum Jahresende.
Foto: Heiko Becker | Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Marietta Eder bei der Kundgebung aus Protest gegen die Schließung des Krankenhauses St. Josef zum Jahresende.

Diese guten Antworten zu geben, ist nicht nur Aufgabe der Politik, wenngleich alle Rednerinnen und Redner Stadtpolitik, Landkreis, Freistaat Bayern wie den Bund in die Pflicht nahmen. Die guten Antworten erwartet man vor allem von der Kongregation und auch vom Bistum Würzburg, insbesondere von Bischof Franz Jung. Für das Bistum erklärte kürzlich Generalvikar Jürgen Vorndran auf Nachfrage dieser Zeitung zu dieser Frage: "Grundsätzlich sieht das Bistum Würzburg den Staat in der Pflicht, tragfähige Zukunftsperspektiven für das Krankenhauswesen zu entwickeln."

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Der bayerische Verdi-Gesundheitsexperte Heinz Neff erzählte außerdem von einem Brief Marietta Eders mit der Bitte um Gespräche und Kontaktaufnahme mit der Gewerkschaft an die Schwester Oberin der Erlöserschwestern, Monika Edinger. Die Antwort, laut Neff: Verhandlungen über einen Sozialplan gebe es nur mit der Mitarbeitendenvertretung, ansonsten verweise man auf die Rechtsanwaltskanzlei der Kongregation. Buhrufe und Pfiffe waren die Reaktion auf diese Mitteilung.

"Es fühlt sich an, als würde der Orden uns fallen lassen."
Simone Gude, St. Josef-Mitarbeiterin

Applaus hingegen für die Forderung, sich als Arbeitgeber an die Fürsorgepflicht zu halten. Ganz besonders, weil es sich um ein Haus mit christlichen Werten handelt. "Auch und gerade Bischof Franz Jung hat hier Verantwortung, setzen Sie sich mit uns an einen Tisch", so Heinz Neff, der keinen Zweifel daran ließ, dass es die Gewerkschaft nicht zulassen werde, "dass das Haus in aller Stille abgewickelt wird."

Nicht nur Bürgerinnen und Bürger waren bei der Kundgebung gegen die Schließung des Krankenhauses St. Josef, sondern auch viele Mitarbeitende aus dem Krankenhaus.
Foto: Heiko Becker | Nicht nur Bürgerinnen und Bürger waren bei der Kundgebung gegen die Schließung des Krankenhauses St. Josef, sondern auch viele Mitarbeitende aus dem Krankenhaus.

Mitarbeitende sind enttäuscht über den menschlichen Umgang der Kongregation

Die Enttäuschung über den menschlichen Umgang der Kongregations-Leitung mit den Mitarbeitenden in St. Josef sprach aus den Reden von Stephan Stuhr, der im Namen der Mitarbeitervertretung auf dem Podium stand, und Simone Gude, Krankenschwester in der Inneren.

Man wolle ein klares Zeichen gegen die Schließung setzen und auf die menschlichen Schicksale aufmerksam machen: "Lasst uns eine Welle der Solidarität entfachen, die nicht zu stoppen ist", so Stuhr unter dem Applaus der Anwesenden. In Wertheim, betonte er, hätte die Stadt nun doch die geschlossene Rot-Kreuz-Klinik gekauft, um die Gesundheitsversorgung zu sichern. "Vielleicht schafft es die Stadt ja auch in Schweinfurt". 

Simone Gude las Passagen aus dem Leitbild der Erlöserschwestern vor. Ein Leitbild, das alle Mitarbeitenden in ihren Arbeitsverträgen als verbindlich unterschrieben und gerne danach handelten. Aber auch ein Leitbild, dem das jetzige Vorgehen widerspreche. "Es fühlt sich an, als würde der Orden uns fallen lassen", so Gude. Ein Satz, der nachhallte, und wohl mit am treffendsten die derzeitige Gefühlslage der Betroffenen ausdrückte.

Frank Firsching fordert Wiederaufnahme von Kooperationsgesprächen

DGB-Regionsgeschäftsführer Frank Firsching betonte, die Kongregation habe nicht nur Verantwortung für den eigenen Orden, sondern auch für die Gesundheitsversorgung in Schweinfurt, von der in der Region gut 200.000 Menschen abhingen. Es sei nicht in Ordnung, die Verantwortung einfach "wie einen Schlüssel aus der Hand zu geben." Es liege an den Erlöserschwestern, für eine Zukunft von St. Josef Sorge zu tragen: "Die Bevölkerung", so Firsching, "erwartet, dass man dieser Verantwortung nachkommt."

St. Josef-Mitarbeiterin Simone Gude fand nachdenkliche Worte: 'Es fühlt sich an, als hätte der Orden uns fallen lassen.'
Foto: Heiko Becker | St. Josef-Mitarbeiterin Simone Gude fand nachdenkliche Worte: "Es fühlt sich an, als hätte der Orden uns fallen lassen."

Erwartung gibt es aber auch an die Politik vor Ort, im Freistaat und im Bund. Firsching, auch Stadtrat in Schweinfurt, fordert deshalb auch, dass die im vergangenen Jahr von der Kongregation aus weltanschaulichen Gründen beendeten Gespräche zu einer Kooperation mit dem Leopoldina-Krankenhaus von beiden Seiten "ernsthaft und ergebnisoffen wieder aufgenommen werden." Der bayerische Krankenhausplan weise für Schweinfurt 941 Betten aus. Wenn nun im St. Josef 272 wegfallen, "braucht es Antworten, wie es weitergehen soll, und die werden nicht gegeben", so Firsching.

 
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  • Gerald Effertz
    Noch ist es nicht zu spät. Um wieder Kooperationsverhandlungen aufzunehmen. Damit -wenn schon wahrscheinlich die ganze Klinik - zumindest ein Teil erhalten bleibt der das Leopoldina dann entlasten kann.
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  • Gabi Hofmann
    Ich denke, es dürfen "nicht nur" die Arbeitsplätze gesehn werden, was natürlich einen immens großen Verlust für die ganze Region bedeutet.

    Aber wir haben doch allmählich eine Unterversorgung im Bereich der Gesundheit der Maßnahme entlang!
    Ein Plakat finde ich sehr passend und nachdenkenswert, ...im RTW auf dem Weg nach Würzburg verstorben....

    Wie sieht es dann mit der Versorgung erst bei uns im nördlichen Landkreis Haßberge aus...?
    Wir sollten und müssen uns wohl mit den Kliniken in Thüringen anfreunden

    Aber ich verstehe nicht, daß eine so große Stadt da nichts machen kann!?
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  • Erich Spiegel
    Die Erlöserschwester können und wollen die Defizite nicht noch Jahre lang tragen. Mein Vorschlag: Die Gewerkschaft Verdi könnte doch einspringen und die Defizite übernehmen. Da sich Verdi vornehm zurück hält wird den Beschäftigten des Josefs nichts anderes übrig bleiben wie manch anderen z.b. den arbeitslosen Beschäftigten des Kaufhofs oder von ZF. Man muss sich aus der Komfortzone bewegen und um eine neue Stelle bewerben. Sollte auf Grund des Fachkräftemangels in der Pflege kein Problem sein. In der DDR hätten sie halt alle insolventen Betriebe und Krankenhäuser durch geschleppt bis nichts mehr geht. Am Ende war die DDR pleite. Zum Glück sind wir nicht in der DDR, sondern haben eine funktionierende Marktwirtschaft.
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  • Irmgard Engert
    1) DGB und Verdi nutzen den Moment um sich zu profilieren und in Szene zu setzen - mit dem Krankenhaus haben sie nämlich nichts zu tun! Im kirchlichen Bereich gibt es die MAV = MitArbeitendenVertretung - die ist hier der Ansprechpartner!
    2) Orden sind innerhalb der katholischen Kirche rechtlich eigenständig - und legen hier großen Wert darauf! Der Bischof und die Diözese haben damit nichts zu tun - hier nach dem Bistum zu rufen ist billigster Populismus - der von der Gewerkschaft bewusst praktiziert wird - in vollem Wissen, dass das zwei Paar Stiefel sind!
    3) ein Orden ist eine Vereinigung, die nur begrenzte Mittel zur Verfügung hat - und wenn die aufgebraucht sind, sind die eben aufgebraucht! Gerade die Erlöserschwestern sind eine sterbende Gemeinschaft, niemand tritt ein, jedes Jahr sterben viele, das Durchschnittsalter steigt. Es können keine Einnahmen erzielt werden - von Luft und Glauben kann man nicht leben - bei 4 Mio minus 23 und ähnlichem Ergebnis 24 ist einfach Ende Gelände!
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  • Barbara Fersch
    abgesehen von der Entscheidung der Erlöser Schwestern, muss man sich wirklich allmählich fragen, braucht eine Region einen Theaterumbau für 100 Millionen oder wäre es mit Abstand wichtiger krankenhäuser zu erhalten? Hier stehen 800 Mitarbeiter vor dem Aus. Noch dazu wurde dieses krankenhaus vor nicht allzu langer Zeit noch saniert !
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