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Gerolzhofen
Rechnungsprüfer in Gerolzhofen: Jede Stadtratssitzung kostet 5000 Euro. Aber warum gibt's Geld für Besamungen?
Sieben besondere Erkenntnisse förderte die Überprüfung der Jahresrechnung 2022 zutage. Der Ausschuss sieht die Stadt auf einem gesunden Weg, aber auch Probleme.
Sehr genau unter die Lupe genommen hat die Rechnungsprüfung die Einnahmen und Ausgaben der Stadt. Selbst vor den Kosten des Stadtrates machte sie nicht halt. Im Bild der Sitzungssaal im Alten Rathaus in Gerolzhofen.
Foto: Stefan Pfister | Sehr genau unter die Lupe genommen hat die Rechnungsprüfung die Einnahmen und Ausgaben der Stadt. Selbst vor den Kosten des Stadtrates machte sie nicht halt. Im Bild der Sitzungssaal im Alten Rathaus in Gerolzhofen.
Stefan Pfister
 |  aktualisiert: 30.09.2024 02:34 Uhr

Wenn es ums Geld geht, wird meist genau hingeschaut. So ist es auch bei den Finanzen der Stadt. Jedes Jahr nimmt der Rechnungsprüfungsausschuss die Einnahmen und Ausgaben unter die Lupe. Das alles zu prüfen, wäre bei dem 23-Millionen-Euro-Zahlenwerk kaum möglich. Der fünfköpfige Ausschuss pickte sich deshalb einzelne Posten der Jahresrechnung 2022 heraus, besonders da, wo es offene Fragen gab, und überprüfte diese auf Ungereimtheiten.

Ausschuss-Vorsitzender Arnulf Koch (CSU) präsentierte im Stadtrat nun das Ergebnis der gut zwölfstündigen Durchsicht. Dem Kämmerer René Borchardt sprach er ein großes Lob aus. Der wiederum war positiv überrascht von der Tiefe der Prüfung, was er so nicht kenne. Gleichwohl sparte Koch nicht mit Appellen und kritischen Hinweisen. Aus dem Bericht ergeben sich sieben wichtige und stellenweise außergewöhnliche Erkenntnisse.

1. Schulden werden weniger

Die Schulden der Stadt sind 2022 um mehr als eine halbe Million Euro auf 7,1 Millionen Euro gesunken. Neue Kredite wurden nicht aufgenommen. Für Koch ist das ein erfreulicher Trend, auch weil gleichzeitig die Verschuldung der bayerischen Kommunen gestiegen ist.

Das "aber" folgte sogleich: Die Pro-Kopf-Verschuldung pro Einwohner liegt in Gerolzhofen weiter auf hohem Niveau und mit 1034 Euro fast 200 Euro über dem Landesdurchschnitt. Laut Koch wäre demnach ein Schuldenstand von maximal 5,8 Millionen Euro akzeptabel. Im Vergleich mit den im Umkreis liegenden Mittelzentren verfügt die Stadt zwar über eine recht gute Finanzkraft mit 756 Euro pro Einwohner, doch bei der Steuerkraft befindet man sich auf einem der hinteren Plätze. Sein Appell: Es lohne sich, diese Kennziffer zu optimieren.

2. Sorgen wegen vieler Investitionen

Eigentlich, so Arnulf Koch, sei die Stadt auf einem "gesunden Weg". Denn nicht nur die Schulden sinken, sondern auch die freie Finanzspanne ist "gigantisch hoch" – also jene Kennziffer, die angibt, wie viel Geld eine Kommune ausgeben darf. Im Jahr 2022 wuchs sie von 1,5 auf 2,4 Millionen Euro. Wenn man so weitermachen, sei alles so weit in Ordnung.

Einen Neubau der Grund- und Mittelschule hält der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Arnulf Koch, nicht für leistbar. Er befürchtet eine Gefährdung der städtischen Handlungsfähigkeit vor allem wegen der zugleich hohen finanziellen Belastung durch das Geomaris-Freizeitbad.
Foto: Michael Mößlein (Archivbild) | Einen Neubau der Grund- und Mittelschule hält der Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Arnulf Koch, nicht für leistbar.

Auch hier folgte ein "aber": Es sei ein schmaler Grat, den die Stadt beschreite. Damit meinte er vor allem die vielen Investitionen, die in nächster Zeit die Stadtkasse teils erheblich belasten werden: Schulsanierung oder Neubau, zusätzlicher Kindergarten, neue Wohn- und Gewerbegebiete samt Grunderwerb, Erneuerung von Straßen, Kanälen und Kläranlage. Angesichts dieser Vorhaben glaubt Koch nicht daran, dass ein Schuldenstand im Landesdurchschnitt binnen zehn Jahren erreicht werde.

3. Wenn das Geomaris nicht wäre

Der Ausschuss-Vorsitzende kritisierte nicht zum ersten Mal das Freizeitbad Geomaris. Ohne dessen Zehn-Millionen-Euro-Modernisierung 2012/2013 wäre die Stadt jetzt mit nur 4,4 Millionen Euro verschuldet und man hätte seitdem eine zusätzliche Rücklage von bis zu sieben Millionen Euro anhäufen können.

"Das wäre etwa unser halber Anteil am Schulneubau", sagte Koch. Er ist überzeugt, dass Gerolzhofen sich beides, also "Schwimmen" (Geomaris) und "Lernen" (gemeint ist der Schulneubau) nicht leisten könne. Nur wenn man keine Schule baue, dann hätte die Stadt künftig kein Problem.

4. An die freiwilligen Leistungen geht es als Erstes ran

In diesem Fall droht nach Ansicht von Koch die Handlungsunfähigkeit. Dann würde die Rechtsaufsicht den Haushalt übernehmen und „als Erstes wären die freiwilligen Leistungen weg“, so seine Mahnung. Die Stadt bezuschusst beispielsweise Vereine, Museen, Kultur, Bildung oder Weinfest. Fast 1,6 Millionen Euro gab sie 2022 dafür aus.

Die Top-5-Empfänger waren Geomaris (880.000 Euro), Bibliothek (261.000 Euro), Tourismus (165.000 Euro), Vhs (88.000 Euro) und Jugendzentrum (65.000 Euro). In den vergangenen zehn Jahren, seit der Modernisierung des Bades, hat die Stadt rund 15 Millionen Euro dafür bereitgestellt – und davon 8,8 Millionen Euro ins Geomaris. Bürgermeister Thorsten Wozniak (CSU) weist nach der Sitzung die Redaktion darauf hin, dass der "tatsächliche Geldfluss" ans Geomaris weitaus geringer als 880.000 Euro in 2022 ausgefallen sei, weil in der Summe rund eine halbe Million Euro an Abschreibungen einberechnet sind.

5. Was kostet eigentlich eine Stadtratssitzung?

In der Rechnungsprüfung wurde auch der Posten „Aufwendungen für ehrenamtliche Tätigkeit – sonstiges Personal“ betrachtet. Angesetzt war für diese Haushaltsstelle 49.000 Euro, abgerechnet wurden aber rund 60.000 Euro. Darunter, so klärte Arnulf Koch auf, sind Sitzungsgelder und Personalkosten für die Vor- und Nachbereitung des Stadtrates angesetzt.

Pro Stadtratssitzung fallen seinen Berechnungen zufolge für 20 Stadträte (je 70 Euro Sitzungsgeld) Kosten von rund 1400 Euro an, zudem etwa 60 Verwaltungsstunden (je 60 Euro), was zu einer Gesamtsumme von 5000 Euro führt. Interessant: Jede Vertagung erzeugt neuen Arbeitsaufwand und damit weitere Kosten. Kochs Rat deshalb: Idealer wären weniger Vertagungen, außerdem weniger Sitzungen mit mehr Tagesordnungspunkten. Das würde unnötige Kosten einsparen.

6. Keine Existenzberechtigung für Stadtmuseum?

Aus Sicht der Rechnungsprüfer verursacht das Stadtmuseum zu hohe Kosten bei sehr wenigen Besuchern. Arnulf Koch empfahl die Schließung der Einrichtung, in der auch das erste bayerische Schulmuseum (im Bild) untergebracht ist.
Foto: Beate Glotzmann (Archivbild) | Aus Sicht der Rechnungsprüfer verursacht das Stadtmuseum zu hohe Kosten bei sehr wenigen Besuchern. Arnulf Koch empfahl die Schließung der Einrichtung, in der auch das erste bayerische Schulmuseum (im Bild) ...

Kritisch äußerte Koch sich zum Stadtmuseum. Einnahmen von 556 Euro (160 Besucher) stehen Ausgaben für Reinigung, Wartung, Löhne und Energie von über 22.000 Euro gegenüber. Es produziere das „45-fache an Kosten“, was dem Vorsitzenden zu folgendem Schluss kommen lässt: „Solche Einrichtungen haben keine Existenzberechtigung. Früher oder später werden wir sie schließen müssen.“

7. Fällt der Zuschuss für Besamungen weg?

Die Stadt zahlt seit Jahren freiwillige Zuschüsse für jede Besamung von Zuchtbullen in Gerolzhofen. Zwei Landwirte erhielten für diese Leistungen im Jahr 2022 insgesamt 940 Euro.
Foto: Hendrik Schmidt, dpa (Symbolbild) | Die Stadt zahlt seit Jahren freiwillige Zuschüsse für jede Besamung von Zuchtbullen in Gerolzhofen. Zwei Landwirte erhielten für diese Leistungen im Jahr 2022 insgesamt 940 Euro.

Einen außergewöhnlichen Posten hatte die Rechnungsprüfung diesmal in Augenschein genommen: den Zuschuss für die Besamung in der Rinderhaltung (jeweils 1,71 Euro) und Schweinehaltung (je 0,21 Euro). Zwei Landwirte hatten Mittel beantragt und erhalten, insgesamt 940 Euro.

Bis 2006 war dies eine verpflichtende Aufgabe der Stadt, die früher eine Zuchtstation in der Dreimühlenstraße betrieb und Zuchtbullen auf den Flächen der Bullenäcker hielt. Danach entschied der Stadtrat, freiwillig einen solchen Zuschuss weiterzuzahlen. Der Ausschuss bezweifelt aber, dass diese Praxis noch zeitgemäß ist. „Das könnte man streichen“, so Koch.

Der Stadtrat stimmte der Feststellung der Jahresrechnung für 2022 ohne Gegenstimme zu und erteilte die Entlastung.

 
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Kommentare
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  • Thorsten Wozniak
    Sehr geehrter Herr Dressel,

    bei aller Meinungsunterschied zu Marktplatzgestaltungen etc., so sollten dennoch die Zahlen korrekt genannt werden.

    Der Schuldenstand der Stadt Gerolzhofen beträgt heute, 27.9.2024, 4.865.316 Euro (gerundet: 4,9 Mio. Euro), was einer Pro-Kopf-Verschuldung von ca. 698 Eur entspricht.

    Mit freundlichen Grüßen
    Thorsten Wozniak
    Erster Bürgermeister
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  • Peter Dressel
    Sehr geehrter Bürgermeister Wozniak,

    Diese von mir genanten Zahlen kann man im Artikel vom 14.05.2024, Quelle Stadt Gerolzhofen, nachlesen!? Sind diese also nicht richtig?

    https://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/gerolzhoefer-stadtrat-verabschiedet-haushalt-2024-fuenf-erkenntnisse-zur-finanzlage-der-stadt-art-11493159

    Mit freundlichen Grüßen

    Peter Dreßel
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  • Peter Dressel
    aber
    2024 : pro Kopf 1526 € und Schulden 10,5 Millionen !?
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  • Peter Dressel
    Kann man die Aussage von Herrn Koch so interpretieren, dass wenn die Stadt Gerolzhofen ihren Pflichtaufgaben, also Bau eines Kindergartens, einer Schule mit einer ordentlichen Turnhalle, die dringende Sanierung von Straßen wie Dr. Georg Schäfer und Spitalstraße nachkommt, die Handlungsunfähigkeit droht und die Rechtsaufsicht übernimmt?
    Als Erstes wären die freiwilligen Leistungen (1,6 Millionen) weg“, so seine Mahnung.
    Das bei der Marktplatzgestaltung freiwillige Leistungen in doppelter bis dreifacher Höhe ausgegeben werden (Planungswettbewerb, Platanendach, Wasserspiel, Themenpark, Beleuchtung, Beseitigung der vier vorhandenen Platanen, Neue Bäume, Beschaffung von Ersatzparkplätzen) wird in dem Artikel nicht erwähnt!
    Hier wären sinnvolle Einsparungen möglich, die sich auch viele Bürger aus der VG wünschen.
    Noch so ein Punkt:
    Wie kommt man zu dieser Aussage: Die Stadt sei auf einem "gesunden Weg", denn die Schulden sinken??
    2022 : pro Kopf 1034 € und Schulden 7,1 Millionen
    aber
    2024 :
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  • Klaus Krug
    Wenn man annimmt, dass sich die 940 Euro Besamungszuschuss je zur Hälfte auf Rinder und Schweine verteilen, wären 275 Rinder und 2.238 Schweine besamt worden. Da hat Gerolzhofen ganz schön viel Schwein gehabt.
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