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Schraudenbach
Prozess um Einsturz der Talbrücke Schraudenbach: Was das Schweinfurter Landgericht nun plant
Der Bundesgerichtshof hat überraschend ein Urteil gegen einen Prüfingenieur aufgehoben. Was die Gründe waren. Ein neuer Prozess ist noch nicht terminiert.
Die Luftaufnahme zeigt die Unfallstelle am Ersatzneubau der Talbrücke Schraudenbach der Autobahn 7 bei Werneck. Dort war bei dem Einsturz eines Brückenneubaus ein Arbeiter getötet worden, mehrere wurden schwer verletzt. Am 15. Juni jährt sich das Unglück zum achten Mal.
Foto: Hajo Dietz | Die Luftaufnahme zeigt die Unfallstelle am Ersatzneubau der Talbrücke Schraudenbach der Autobahn 7 bei Werneck. Dort war bei dem Einsturz eines Brückenneubaus ein Arbeiter getötet worden, mehrere wurden schwer verletzt.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 07.06.2024 02:41 Uhr

In rund zwei Wochen jährt sich eines der schlimmsten Unglücke in der Region zum achten Mal: Der Einsturz eines Traggerüstes für ein Teilstück der Talbrücke Schraudenbach auf der A7 während Betonierarbeiten. Damals, am 15. Juni 2016, wurden 14 Bauarbeiter teils so schwer verletzt, dass sie bis heute nicht arbeiten können. Ein Mensch starb.

Im Mai 2023 endete der bereits zweite Prozess zu dem Unglück vor dem Landgericht Schweinfurt mit Schuldsprüchen für zwei angeklagte Ingenieure. Doch nun geht es zumindest in einem Fall wieder von vorne los.

Am 17. April 2024 hat der Bundesgerichtshof nämlich sein Urteil zur Revision veröffentlicht. Im Fall des Hauptangeklagten, ein 60 Jahre alter Prüfingenieur, wurde die von der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt verhängte Strafe von einem Jahr und sechs Monaten Haft auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in 14 Fällen bestätigt und die Revision verworfen. Doch der Prozess gegen einen 50-Jährigen, der für einen weiteren angeklagten, aber letztlich freigesprochenen Ingenieur gearbeitet hatte und zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde, wird neu aufgerollt.

2023 gab es den zweiten Prozess gegen die mutmaßlich Verantwortlichen des Einsturzes der Talbrücke Schraudenbach im Jahr 2016. In der Schweinfurter Stadthalle tagte das Landgericht. Im Bild die vier Angeklagten und ihre Anwälte. In den nächsten Monaten wird erneut gegen zwei der Angeklagten verhandelt.
Foto: Josef Lamber | 2023 gab es den zweiten Prozess gegen die mutmaßlich Verantwortlichen des Einsturzes der Talbrücke Schraudenbach im Jahr 2016. In der Schweinfurter Stadthalle tagte das Landgericht.

Der Grund: ein Formfehler. Allerdings ein schwerwiegender. Denn der Bundesgerichtshof stellte fest, dass dem Angeklagten offenbar nicht, wie in Paragraf 258 der Strafprozessordnung festgelegt, das letzte Wort erteilt wurde. So ist es in der Abschrift des Urteils vom 17. April unter dem Aktenzeichen 1 KLs 11 Js 8070/17 nachzulesen, das der BGH auf seiner Internetseite veröffentlicht hat.

Der Angeklagte hätte erneut die Möglichkeit zum letzten Wort bekommen müssen

Nach einem sich über mehrere Wochen erstreckenden Prozess, der zum Großteil in der Stadthalle in Schweinfurt stattfand, war das Gericht an den letzten Tagen wieder in die Räume in der Theresienstraße zurückgekehrt. Das Protokoll des Prozesses zeige, so der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seiner Begründung, klar den Fehler.

Nachdem die Beweisaufnahme geschlossen worden war, hatten zunächst die Vertreter der Staatsanwaltschaft plädiert, außerdem sprach der Vertreter der Nebenklage. Am nächsten Prozesstag plädierte zuerst der Verteidiger des 50-Jährigen, er hatte einen Freispruch gefordert. Sein Mandant hatte sich ihm in seinem letzten Wort angeschlossen.

Doch nachdem die Verteidiger der anderen Angeklagten ihre Plädoyers gehalten hatten und diesen Angeklagten durch das Gericht jeweils die Möglichkeit des letzten Wortes gegeben wurde, hätte nach der Strafprozessordnung und der Rechtssprechung des BGH aus den Jahren 2003 und 2016 erneut der 50-Jährige Gelegenheit zum letzten Wort bekommen müssen.

Das geschah nicht, wie dem Protokoll zu entnehmen ist, der Angeklagte selbst hat sich auch nicht selbst zu Wort gemeldet oder eigenständig auf das letzte Wort verzichtet. Für den Bundesgerichtshof ist dieser Fehler der 1. Großen Strafkammer verfahrensrelevant, auch in Bezug auf den Schuldspruch.

Verfahren wird vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts neu verhandelt

Zum Revisionsurteil selbst gibt es vonseiten der 1. Großen Strafkammer auf Nachfrage bei Thomas Fenner, Pressesprecher am Landgericht Schweinfurt, keine Auskunft. Nachdem das Verfahren zur Neuverhandlung an das Landgericht zurückverwiesen wurde, ist nun nicht mehr die 1. Große Strafkammer zuständig, sondern die 4. Strafkammer. "Es steht noch nicht fest, wann das Verfahren dort verhandelt wird", so Fenner.

Einen Streit gab es im Prozess im vergangenen Jahr zwischen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft über das Ergebnis des Gutachtens des Wiener Professors Johann Kollegger. Die Verteidigung hatte in mehrere Tage dauernden Befragungen Glaubwürdigkeit und Schlussfolgerungen des Gutachters in Zweifel gezogen. Kollegger hatte erklärt, dass aus seiner Sicht der Fehler nicht in der Ausführung des Gerüsts lag, sondern in der Planung und mangelhaften Statik desselben. Diese Fehler wiederum hätten die angeklagten Prüfingenieure erkennen müssen.

Im Juni 2022 erinnerten diese Kerzen unterhalb der neuen Talbrücke Schraudenbach an die Opfer des Unglücks vom 15. Juni 2016. 
Foto: Josef Schäfer | Im Juni 2022 erinnerten diese Kerzen unterhalb der neuen Talbrücke Schraudenbach an die Opfer des Unglücks vom 15. Juni 2016. 

Da der Bundesgerichtshof im Fall des 60-Jährigen die Revision verworfen hat, sind damit auch das Gutachten und seine Schlussfolgerungen bestätigt. Das wiederum könnte Auswirkungen auf einen ebenfalls anstehenden, anderen neuen Prozess in der Causa Einsturz der Talbrücke Schraudenbach haben. Ursprünglich saß nämlich 2023 auch der Statiker auf der Anklagebank. Sein Prozess musste aber kurz vor Ostern 2023 abgetrennt werden, da seine Verteidigerin für längere Zeit erkrankte. "Auch in dem abgetrennten Verfahren steht noch nicht fest, wann es terminiert wird", erklärt Landgerichtssprecher Thomas Fenner.

Er betont aber auch, dass "der Beschluss des Bundesgerichtshofs keine rechtlich zwingenden Auswirkungen auf das abgetrennte Verfahren" hat. In beiden neuen Prozessen "wird durch die jeweilige Strafkammer eigenständig zu entscheiden sein, welche Beweise zu erheben sind. Hierzu gehört auch die Frage, welcher Sachverständiger ggf. beauftragt wird."

 
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