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Schweinfurt
Falsche Planung oder falsche Ausführung? Das sagt der Gutachter im Prozess um die eingestürzte Talbrücke Schraudenbach
Im Jahr 2019 setzte das Landgericht Schweinfurt den Prozess aus, weil ein neues Gutachten her musste. Jetzt liegt es vor – und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.
Gegen vier Ingenieure wird vor dem Landgericht Schweinfurt derzeit wegen fahrlässiger Tötung sowie fahrlässiger Körperverletzung im Zusammenhang mit dem Einsturz der Talbrücke Schraudenbach auf der A7 bei Werneck 2016 verhandelt. Am sechsten Prozesstag wurde der Gutachter gehört. 
Foto: Daniel Karmann, dpa | Gegen vier Ingenieure wird vor dem Landgericht Schweinfurt derzeit wegen fahrlässiger Tötung sowie fahrlässiger Körperverletzung im Zusammenhang mit dem Einsturz der Talbrücke Schraudenbach auf der A7 bei Werneck ...
Lisa Marie Waschbusch
 und  Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:34 Uhr

Es war ein ewiges Hin und Her, bis der neue Gutachter aus Wien am sechsten Verhandlungstag im Prozess gegen vier Ingenieure vor dem Landgericht Schweinfurt das Ergebnis seiner Arbeit präsentieren konnte. Die vier Männer sollen verantwortlich für den Einsturz eines Teils der Talbrücke Schraudenbach bei Werneck (Lkr. Schweinfurt) auf der A 7 im Juni 2016 sein.

Erst hatten die Verteidigerinnen und Verteidiger der Angeklagten massives Misstrauen gegenüber dem Sachverständigen geäußert, sowohl was seine Neutralität als auch Fachkompetenz angeht. Dann gab es Kritik in Richtung der Vorsitzenden Richterin, dass man dem neuen Gutachten nur einen einzigen Verhandlungstag einräume. 

Selbst der geplante Termin für das Gutachten an diesem Mittwoch startet mit einer längeren Diskussion: Es sei noch zu früh, den Sachverständigen zu vernehmen, mahnt ein Verteidiger an. Die Beweisaufnahme sei noch nicht abgeschlossen. Und ohnehin habe die Staatsanwaltschaft von Anfang an "in die falsche Richtung" ermittelt. Er spricht von eklatantem "Pfusch am Bau".

Bis sich die Gemüter der Anwälte beruhigt haben, ist mehr als eine Stunde vergangen. Schließlich trägt der Gutachter aus Österreich seine Erkenntnisse vor – detailliert, mehrere Stunden lang. Er sehe seine Aufgabe darin, einen "Beitrag zu leisten, dass wir uns der Wahrheit nähern". Sein Ergebnis ist klar: "Der Einsturz des Traggerüstes wurde nicht durch Mängel an der Bauausführung verursacht." Sondern aufgrund eines "globalen Stabilitätsversagens" dreier Joche.

Gutachter sieht nicht nur Statiker, sondern auch Prüfer in der Pflicht

Aus Sicht des Gutachters machte der 51-jährige Statiker bei seinen Berechnungen keinen Fehler. Vielmehr habe er "globale Stabilitätsnachweise" nicht vorgenommen. "Die gefährlichen Sachen sind die, die nicht in der Statik drin sind", erklärt er. "Das ist das wirklich Gefährliche, wenn etwas nicht berechnet ist." Seiner Analyse zufolge waren "wesentliche Nachweise in der statischen Berechnung" nicht vorhanden.

Am 15. Juni 2016 stürzte ein Teil der Talbrücke Schraudenbach bei Werneck ein. Bei dem Unglück starb ein Mann, 14 Bauarbeiter wurden verletzt.
Foto: Hajo Dietz, dpa | Am 15. Juni 2016 stürzte ein Teil der Talbrücke Schraudenbach bei Werneck ein. Bei dem Unglück starb ein Mann, 14 Bauarbeiter wurden verletzt.

Nicht nur der Statiker habe in der Pflicht gestanden, so der Gutachter. Er verweist auch auf die Prüfung der Statik sowie des Aufbaus des Gerüsts – mit Verweis auf DIN-Normen und einschlägige Vorschriften, die offenbar nicht eingehalten wurden.  

Man hätte eine Verformung des Traggerüsts beim Betonieren "erkennen können, nicht müssen", erklärt der Gutachter. Gleichwohl sei niemand zur Überwachung – ein fachkundiger Ingenieur etwa – abgestellt gewesen. Mehrere Zeugen hatten zuvor im Prozess berichtet, dass es keine Geräusche im Vorfeld des Einsturzes gegeben habe: "Kein Knarren, nichts."

Gutachter: Falsche Einstufung der Brücke und fehlende Vermessung des Traggerüsts

In die Pflicht genommen werden vom Gutachter vor allem die angeklagten Prüfingenieure. Die 59 und 64 Jahre alten Männer hätten die globalen Stabilitätsnachweise für die Joche sieben, acht und neun im fraglichen dritten Bauabschnitt von dem Sachbearbeiter – dem 49-jährigen Angeklagten – nicht eingefordert. "Es gibt das Vier-Augen-Prinzip", sagt der Sachverständige. Aus seiner Sicht hätten die Prüfer bemerken müssen, dass mit der plangemäßen Ausführung und der normgemäßen "Exzentrizität", der seitlichen Auslenkung der Jochstiele, die Joche nur ein Drittel der normgemäßen Belastung aufnehmen konnten.

Es hätte zwar Abweichungen von den Plänen und dem letztlich gebauten Gerüst gegeben, fehlende Schrauben und Verbindungen etwa hätten aber keinen Einfluss auf die Traglast des Stahlgerüstes gehabt, so der Gutachter.

Eine weitere Erkenntnis des Gutachters: Die Einstufung der Brücke in Bemessungsklasse 1 war falsch. Sie hätte - wie 98 Prozent der in Deutschland gebauten Brücke - in die Klasse 2 eingeordnet werden müssen. Demnach hätte das Traggerüst nach dem Aufbau zwingend vermessen werden müssen.

Es sei "davon auszugehen, dass das Gerüst entgegen der eindeutigen Vorschriftenlage während der Betonage nicht überwacht und vermessen wurde und damit eine rechtzeitige Warnung der Personen auf der Brücke verunmöglicht wurde", so der Gutachter. Der Prüfingenieur, der vom Freistaat Bayern beauftragt worden war, stellt vor Gericht indes klar, dass "der entwerfende Ingenieur entscheidet, welche Bemessungsklasse es ist, nicht der Prüfingenieur". 

Gutachter noch einmal geladen - längere Verhandlung deutet sich an

Die große Fragerunde durch die Verteidigung bleibt am Ende aus. Es gebe einige Dinge, "die der Klarstellung und Erwiderung bedürfen", sagt der Verteidiger des 49-Jährigen. Auch die weiteren Verteidiger verschieben ihr Fragerecht auf Anfang April, wenn der Gutachter erneut am Prozess teilnehmen wird.

Schon jetzt deutet sich an, dass das Verfahren über den 5. April, der ursprünglich als Ende geplant war, hinausgehen wird.

 
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