Für die Staatsanwaltschaft hat sich auch nach 13 Prozesstagen vor dem Landgericht Schweinfurt, gefüllt mit hitzigen Diskussionen und unzähligen Anträgen, nichts zu dem verändert, was sie schon in ihrer Anklageschrift formuliert hatte: "Die drei Angeklagten sind verantwortlich", sagte Oberstaatsanwalt Reinhold Emmert in seinem Plädoyer am Dienstag.
Sie alle seien schuldig der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in 14 Fällen. Sie seien verantwortlich, dass ein Teil der Talbrücke Schraudenbach auf der A7 bei Werneck (Lkr. Schweinfurt) am 15. Juni 2016 bei Betonierarbeiten einstürzte. Ein Bauarbeiter starb damals, 14 wurden schwer verletzt.
Für Emmert und seine Kollegin Melanie Roth steht fest: Die drei Ingenieure – 49, 59 und 64 Jahre alt – hätten die Mängel in den statischen Berechnungen für das Traggerüst für die verwendeten Doppeljoche und Einzeljoche erkennen müssen. "Ein globaler Stabilitätsnachweis ist nicht vorhanden und es hätte auch keiner erbracht werden können", sagte Staatsanwältin Roth. "Eine andere Einsturzursache gibt es nicht."
Die Verteidigerinnen und Verteidiger der drei übrigen Angeklagten – das Verfahren gegen den ursprünglich mitangeklagten Statiker wurde abgetrennt, weil seine Verteidigerin länger erkrankte – hatten immer wieder versucht, die Kammer mit Beweisanträgen von der Unschuld ihrer Mandanten zu überzeugen. Sie wiesen unter anderem auf etwaige Ausführungsfehler im Aufbau des Traggerüstes als Einsturzursache hin. Ein Verteidiger brachte seine Sicht so auf den Punkt: "Das war Pfusch am Bau."
Insgesamt zwölf Beweisanträge der Verteidigungen werden abgelehnt
Alleine am 2. Mai wurden fünf neue Beweisanträge gestellt und gefordert, neue Gutachter zu bestellen. Sie sollten beweisen, dass nicht die Planung des eingestürzten Gerüsts falsch war, sondern der Aufbau so fehlerhaft, dass es einstürzte. Wie mehrfach zuvor zeigte sich: Der Wiener Gutachter und seine klaren Schlussfolgerungen sind eine Art rotes Tuch für die Verteidiger.
Deren teils über eine Stunde dauernden Ausführungen sorgten für hörbaren Missmut bei der Staatsanwaltschaft und vor allem der Vorsitzenden Richterin Claudia Guba, für die manche Erläuterungen einer "Frechheit" gleich kamen.
Schlussendlich beschied die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt insgesamt zwölf Beweisanträge der Verteidigung, die im laufenden Prozess gestellt wurden, negativ. Insbesondere sah die Kammer weder Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit des Gutachters aus Wien zu zweifeln, noch dessen Erklärungen für die Einsturzursache in Zweifel zu ziehen.
Staatsanwaltschaft sieht "keine andere Einsturzursache" des Traggerüsts
Der Gutachter, so führte es nun auch die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer aus, sei zu dem Ergebnis gekommen, dass es zwar Ausführungsfehler gegeben haben, diese jedoch nicht ursächlich für den Einsturz gewesen seien. Staatsanwalt Emmert sagte: "Das Traggerüst wäre auch zusammengebrochen, wenn der Plan 1:1 umgesetzt worden wäre."
Er betonte: "Es gibt keine andere Einsturzursache". Die drei Angeklagten hätten die gravierenden Fehler in der Statik zwingend bei ihrer Prüfung erkennen müssen.
Die Verantwortung beurteilte die Staatsanwaltschaft unterschiedlich. Der 59-jährige Angeklagte hatte ursprünglich den Prüfauftrag der Statik des Traggerüstes von der Autobahndirektion bekommen. Da sein dafür zuständiger Mitarbeiter aber zu dem Zeitpunkt auf Weltreise war, kontaktierte er den 64-jährigen Angeklagten, einen alten Bekannten. Der übergab den Auftrag an seinen 49 Jahre alten Mitarbeiter.
Dieser wiederum erkannte die Fehler der Statik laut Staatsanwaltschaft nicht, wurde aber weder von seinem Chef noch vom ursprünglichen Auftragnehmer überprüft - weswegen für Staatsanwalt Emmert deren Verantwortung auch höher wog, da sie dazu verpflichtet gewesen wären. Es sei "unbegreiflich, wie so ein entscheidender Punkt von allen drei hochangesehenen Angeklagten übersehen werden konnte".
Die Staatsanwaltschaft forderte für den 49-Jährigen eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, für die beiden Prüfingenieure eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. "Sie können von Glück reden, dass das so lange her ist", sagte Oberstaatsanwalt Emmert zu den Angeklagten. Nur so könne man vertreten, eine Strafe auszusprechen, die bewährungsfähig sei.
Verletzter kämpft in Schweinfurt mit den Tränen und hätte sich Entschuldigung gewünscht
Sehr emotional wurde es im Gericht, als die beiden Vertreter der Nebenklage plädierten und einer der Verletzten zu Wort kam. Einer der wichtigsten Punkte, der auch der Staatsanwaltschaft am Herzen lag: Die Sicht der Geschädigten, die teilweise seit sieben Jahren nicht mehr arbeiten können, unter den gravierenden Folgen des Unfalls leiden.
Sich immer wieder die Tränen aus dem Gesicht wischend, erklärte der Mann, der bis heute unter Albträumen, Schmerzen und schweren Depressionen leidet: "Wir Geschädigten hätten uns eine Entschuldigung gewünscht, anstatt die Schuld von einem zum anderen zu schieben. Das wäre viel wert gewesen. Wir leiden."
Die Nebenklage-Anwälte betonten, bis heute habe es "keine Entschädigung, keine Entschuldigung und keinen Täter-Opfer-Ausgleich" gegeben. Einmal sein "einfaches Bedauern als Mensch zum Ausdruck zu bringen" wäre von Seiten der Angeklagten angebracht gewesen.
danke für den wichtigen Hinweis. Wir haben das fehlende geforderte Strafmaß der Staatsanwaltschaft im Artikel ergänzt.
Freundliche Grüße
Lisa Marie Waschbusch