Am 13. März begann die Wiederaufnahme des Prozesses um den Einsturz der Talbrücke Schraudenbach auf der Autobahn 7 zwischen Schweinfurt und Würzburg. Angeklagt sind vier Personen, unter anderem wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung. Was bisher geschah und warum es sieben Jahre bis zum zweiten Prozess dauerte.
15. Juni 2016: Die Meldung verbreitet sich kurz nach 16 Uhr wie ein Lauffeuer. Bei Betonierarbeiten für ein Teilstück der neuen Talbrücke Schraudenbach auf der A7 nahe dem Autobahndreieck Werneck gab es ein Unglück. Das Traggerüst hatte nicht standgehalten, ein Teil der Brücke stürzte ein, 13 Bauarbeiter wurden zum Teil schwer verletzt. Ein 38-Jähriger starb. Die Bauarbeiter fielen 22 Meter in die Tiefe, ein Anwohner sprach von einem "Knall wie von einem Überschallflugzeug".
Sommer 2016: Schon direkt nach dem Einsturz kommen Staatsanwaltschaft, Polizei, Vertreter der Baufirma und Planer an die Unglückstelle. Warum die Brücke eingestürzt ist, ist allen zum damaligen Zeitpunkt ein Rätsel. Von der Staatsanwaltschaft wird eine Gutachterin beauftragt, die Ursache herauszufinden. Die Aufräumarbeiten dauern mehrere Monate, an der Brücke wird ab Mitte August weitergebaut.
November 2017: Der südliche Brückenteil ist fertig, wird für den Verkehr freigegeben. Bereits im Frühjahr 2017 waren die Arbeiten weitergegangen. Die 236 Meter lange und 22 Meter hohe Talbrücke Schraudenbach war ursprünglich 1965 gebaut worden, hielt aber den heutigen Verkehrsbelastungen nicht mehr stand und wurde deshalb – wie viele andere Brücken entlang der A7 – abgebrochen und neu gebaut. Beginn der Arbeiten für das 17,5 Millionen Euro teure Projekt der Autobahndirektion Nordbayern war 2015, Ende 2019 wurde die neue Brücke freigegeben.
September 2018: Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt erhebt Anklage, nachdem die Ergebnisse des Gutachtens vorliegen. Laut Staatsanwaltschaft ist die Einsturz-Ursache ein Stabilitätsversagen einer Gerüststütze (sogenanntes Joch). Außerdem seien Verbindungselemente unterdimensioniert gewesen. Angeklagt waren und sind drei Männer: ein Statiker und zwei Prüfingenieure. Die Anklage lautet: fahrlässige Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in 14 Fällen.
6. November 2019: Auftakt des ersten Prozesses vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt. Die Angeklagten weisen die Schuld von sich. Nicht die Pläne seien falsch gewesen, sondern die bauausführende Firma hätte Fehler bei der Traggerüsterstellung sowie beim Betonieren gemacht und gegen die Vorgaben des Statikers verstoßen. Außerdem sei von der falschen Seite aus betoniert worden.
13. Dezember 2019: Eine spektakuläre Wende im Prozess. Nachdem sich an den vorherigen Prozesstagen Gutachter teilweise widersprochen hatten bzw. die schriftlich dargelegten und die mündlich vorgetragenen Aussagen teilweise voneinander abwichen, wird der Prozess nach fünf Verhandlungstagen durch das Gericht offiziell ausgesetzt. Ein neues Gutachten wird beauftragt.
Im Dezember 2019 scheint die Ursache des Unglücks zwar klar: Stabilitätsversagen von Gerüststützen. Doch ob der angeklagte Ingenieur, der die Traggerüstkonstruktion erstellt hat, und die beiden mit angeklagten Prüfingenieure, die die Statik überprüfen mussten und gegebenenfalls Änderungen hätten veranlassen müssen, für den Einsturz verantwortlich sind, ist weiter unklar.
13. März 2023: Auftakt des neuen Prozesses vor der Großen Strafkammer des Landgerichts, nachdem das neue Gutachten schon rund ein Jahr vorliegt. Dieses Mal sind nicht nur die drei bisherigen Angeklagten auf der Anklagebank, sondern noch ein vierter Mann, ein 64 Jahre alter Prüfingenieur. "Es besteht der Verdacht, dass der Angeschuldigte einer ihm obliegenden Pflicht zur Prüfung statischer Berechnungen nicht ausreichend nachgekommen ist", so Oberstaatsanwalt Reinhold Emmert im Vorfeld gegenüber dieser Redaktion. Anklage gegen den 64-Jährigen war schon Ende November 2021 erhoben worden, die beiden Verfahren waren später durch das Landgericht verbunden worden.