Erst die Würzburger Theresienklinik, dann das Schweinfurter Krankenhaus St. Josef: Das Kliniksterben hat Unterfranken erreicht. Andere Häuser müssen nun einspringen und die Versorgung sichern - obwohl sie selbst mit Millionendefiziten kämpfen.
Denn bayernweit sind Krankenhaus-Träger gefordert, finanzielle Löcher zu stopfen. Doch wie lange können sie das? Wie hoch sind die Defizite bei den Kliniken in Unterfranken wirklich? Und wie sieht die Prognose für 2025?
Eine stichprobenartige Nachfrage bei sieben großen und kleineren Krankenhäusern in der Region:
1. Leopoldina-Krankenhaus Schweinfurt mit 711 Betten
Defizit 2023: etwa 1 bis 2 Millionen Euro
Defizit 2024: Defizit im "mittleren einstelligen Millionenbereich" erwartet
Ursachen: Die Ursachen liegen laut Krankenhaussprecher Veit Oertel in den geringeren Fallzahlen seit der Corona-Pandemie, höheren Kosten durch nicht ausgeglichene Tarifsteigerungen sowie der Inflation.
Ausgleich: Bisher erfolgt laut Oertel "kein Defizitausgleich zwischen dem Krankenhaus und dem Träger", man stehe aber mit der Stadt Schweinfurt im Dialog. So habe man für 2024 "einen Investitionskostenzuschuss" vereinbart. Doch für einen "dauerhaften Defizitausgleich" hätten weder das Krankenhaus noch die Kommune die finanziellen Mittel, sagt der Sprecher.
Prognose: Auch für 2025 erwartet die Klinik ein "negatives Ergebnis im einstelligen Millionenbereich".
2. Klinikum Würzburg Mitte (KWM) mit 675 Betten
Defizit 2023: rund 13,7 Millionen Euro
Defizit 2024: zwischen 5 und 8 Millionen Euro erwartet
Ursachen: Grund für die roten Zahlen ist laut KWM-Geschäftsführer Dominik Landeck "eine vom Bundesgesundheitsministerium verursachte massive Unterfinanzierung der erbrachten Leistungen". Krankenhäuser hätten keine Möglichkeit, ihre Einnahmen zu steigern und an die gestiegenen Ausgaben anzupassen. Der Abrechnungspreis müsse deshalb "dringend" erhöht werden.
Ausgleich: Ausgeglichen werden die Verluste aktuell durch den Hauptgesellschafter des KWM, die Stiftung Juliusspital Würzburg. "Langfristig wird die Stiftung derart große Verlustausgleiche nicht stemmen können, ohne selbst in Schieflage zu geraten", warnt Landeck.
Prognose: Für 2025 könne noch keine Prognose abgegeben werden. Aber, sagt der Geschäftsführer: "Derzeit ist eine Verbesserung der finanziellen Situation der Kliniken nicht absehbar."
3. Klinik Kitzinger Land mit 200 Betten
Defizit 2023: rund 2,5 Millionen
Defizit 2024: prognostiziert 5,5 Millionen
Ursachen: Die Kosten für Personal, Energie oder Material seien rasant gestiegen – die Preise für Krankenhausleistungen jedoch kaum, sagt Dr. Uwe Pfeiffle, stellvertretender Vorstand und kaufmännischer Leiter der Klinik Kitzinger Land. "Das kann kein Krankenhaus abfedern." Hinzu kämen "immer rigidere Gesetze" wie etwa strenge Personalschlüssel sowie zahlreiche Krankheitsausfälle.
Ausgleich: "Wir verrechnen das Defizit buchhalterisch mit Überschüssen der Vergangenheit", sagt der kaufmännische Leiter. Dennoch sei die Klinik, die ein Kommunalunternehmen des Landkreises Kitzingen ist, auf "Zuschüsse des Trägers und Kredite" angewiesen.
Prognose 2025: "Wir sehen keine Signale aus Berlin, die uns Hoffnung geben", sagt Pfeiffle. "Wir können auch für 2025 keine schwarze Null schreiben."
4. Haßberg-Kliniken mit 200 Betten
Defizit 2023: unter 6 Millionen Euro (vorläufig)
Defizit 2024: leichte Verbesserung im Vergleich zu 2023 erwartet
Ursachen: Grund für das Defizit sind laut Regina Steenbeek-Schacht, Vorständin Kommunalunternehmen Haßberg-Kliniken, die "erschwerten Rahmenbedingungen im Krankenhaus-System", besonders die gestiegenen Personal- und Sachkosten.
Ausgleich: Bisher gleicht der Landkreis das Defizit der Haßberg-Kliniken über Betriebskostenzuschüsse aus. Nach der Landkreisordnung, so Steenbeek-Schacht, sei er verpflichtet, die flächendeckende stationäre medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Das werde er weiterhin tun, "im Rahmen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit".
Prognose: Weil rund um die Krankenhausreform noch viele Fragen offen sind, "können wir die wirtschaftliche Entwicklung aus heutiger Sicht nicht seriös vorhersagen", sagt Steenbeek-Schacht.
5. Universitätsklinik Würzburg (UKW) mit 1438 Betten
Defizit 2023: Das Uniklinikum nennt keine konkreten Zahlen. Man habe 2023 mit "einem ausgeglichenen Jahresergebnis" abgeschlossen.
Defizit 2024: Ziel laut UKW ist für das laufende Jahr ein ausgeglichenes Ergebnis.
Ursachen: Die gestiegenen Sach- und Personalkosten bleiben "eine große Herausforderung", sagt UKW-Sprecher Stefan Dreising. Eine ausreichende Finanzierung der Betriebskosten sei "dringend nötig", auch müsse der Aufwand für die Dokumentation reduziert werden.
Ausgleich: Gewährträger der Uniklinik ist der Freistaat Bayern.
Prognose: Die Jahresplanung für 2025 werde noch erstellt, so Dreising. Die "aktuelle ungesteuerte Schließung" von umgebenden Krankenhäusern betrachte man "mit großer Sorge".
6. Klinikum Main-Spessart mit 264 Akut- und Geriatriebetten
Defizit 2023: rund 4,5 Millionen Euro
Defizit 2024: laut Wirtschaftsplan rund 5,6 Millionen Euro
Ursachen: Kostensteigerungen seien ein Hauptgrund für die Probleme der Kliniken, aber auch ein "Investitionsstau", sagt Sprecherin Susanne Theis. "Strukturvoraussetzungen werden jährlich erhöht, sodass teils nicht nachvollziehbare Vorhaltekosten entstehen". Generell seien "weniger Krankenhäuser in der Tat ein Teil der Lösung", sagt Theis. Doch dafür brauche es den Dialog und die Aufhebung der strikten Trennung zwischen ambulant und stationär.
Ausgleich: Das Klinikum ist ein Eigenbetrieb des Landkreises Main-Spessart, der laut Theis das Betriebskostendefizit ausgleicht. Theoretisch sei das unbegrenzt möglich – praktisch lasse sich die Kreisumlage aber nicht nach Belieben erhöhen. "Man muss sich vor Augen führen, dass bei kommunalen Kliniken letztendlich der Steuerzahler das zahlt, was die Krankenkassen und der Bund nicht zahlen."
Prognose: Noch nicht möglich.
7. Geomed-Kreisklinik Gerolzhofen mit 95 Betten
Defizit 2023: rund 730.000 Euro
Defizit 2024: rund 2 Millionen Euro erwartet
Ursachen: Auf die steigenden Betriebskosten reagiere der Bund "nicht ausreichend", sagt Geschäftsführer Wolfgang Schirmer. Die Politik schaue einem "planlosen und kalten Strukturwandel" tatenlos zu.
Ausgleich: Alleiniger Gesellschafter der Geomed-Kreisklinik GmbH ist der Landkreis Schweinfurt, der das Defizit - noch - trägt. Mittel- und langfristig, so der Geschäftsführer, sei auch der Landkreis auf "Strukturen für eine auskömmliche Betriebskostenfinanzierung" angewiesen.
Prognose: Derzeit keine verlässliche Prognose möglich. Es sei keine "Verbesserung der wirtschaftlichen Situation" in Sicht, sagt Schirmer. Daran ändere auch die "Finanzierungssystematik der Krankenhausreform" nichts.
https://www.mainpost.de/regional/main-spessart/70-millionen-mehrkosten-zentralklinikum-main-spessart-in-lohr-wird-erheblich-teurer-art-11375499
Die Sprecherin sagt noch: "Das Klinikum ist ein Eigenbetrieb des Landkreises Main-Spessart, der laut Theis das Betriebskostendefizit ausgleicht. Theoretisch sei das unbegrenzt möglich".
Der dumme Steuerzahler zahlt und geht noch WÜ in eine Klinik.
Die dysfunktionalen Strukturen in und ausserhalb der Kliniken müssen weg! Konsequente Digitalisierung statt Rumgetrage von Patientenakten und Ausdrucke von Blutwerten, die der Arzt zur Kenntnis abzeichnen muss, damit sie anschließend vom Pflegepersonal(!) abgeheftet werden, das ist in deutschen Kliniken Alltag. An solchen Zuständen haben weder Krankenhausmanager noch Pflegedirektionen in den letzten 20 Jahren viel geändert.
Die Versager sitzen nicht nur im Gesundheitsministerium. Sie sitzen in den Führungsetagen der Kliniken und deren Vertreter-organisationen.
Die Kliniken kommen mit ihrem Geld nicht aus? Wissen Sie, wieviele Medikamente von den Stationen weggeworfen werden müssen, weil ein effektives internes Medikamentenmanagement fehlt? Mir fallen noch hundert andere Sachen ein ...
Für solche Versäumnisse will ich keine Steuern zahlen und auch nicht für gutdotierte Posten in den Krankenhaus-Organisationen
auch die Krankenhäuser selbst, die ja seit Jahrzehnten um ihre finanziellen Schwierigkeiten wissen, haben reichlich dazu beigetragen, ihre dysfunktionalen inneren und äusseren Strukturen zu kultivieren. Man braucht sich ja nur die katastrophale Situation bei der Digitalisierung anschauen. Fast genauso schlecht haben sie sich um die Bindung ihres Personals gekümmert. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Personalkürzungen -auch im Pflegebereich- zur Kostenreduzierung diskutiert worden sind. Nicht besser sieht es bei Massnahmen aus, um die überbordende Bürokratie in den Griff zu bekommen.
Versagt haben auch Organisationen wie die Krankenhausgesellschaften, Vereinigungen von KH-Direktoren, von Pflegedirektoren und leitenden Medizinern. Das alles war in den letzten Jahrzehnten nicht wirklich zukunftsorientiert ausgerichtet, obwohl man das Menetekel an der Wand sehr wohl gesehen hat, man hat es ja immer wieder selbst beklagt.
Fazit: Mehr Personal: ausgeglichene Mitarbeiter, keine Überstundenbelastung, harmonisches Familienleben (der Besuch bei Oma fällt aus, ich muss einspringen), niedriger Krankenstand - physisch wie psychisch. Die Ausgeglichenheit überträgt sich auch auf Patienten: Weniger Schlaf- und Beruhigungsmittel, frühere Genesung, uvam.
Ich habe nie verstanden, wie und warum man am Personal spart: Wer sägt den Ast ab, auf dem man sitzt?
Ihrem Beitrag, Herr Kemmer, stimme ich vollumfänglich zu! Auf Herrn BM Lauterbach schlage ich nicht ein - ich hoffe, dass er baldmöglichst eine zukunftsfähige, demoskopisch und wirtschaftlich angemessene Transformation der Gesundheitsstruktur schafft. Sein jetziges Vorgehen überzeugt mich nicht.
Insofern wird BM Lauterbach "erfolgreich" sein und die Kliniklandschaft "ausdünnen".
Also, wer ist der nächste Kandidat auf der Liste? Aber alles halb so wild, denn wir haben ja sowieso zu viele Kliniken, braucht ja keiner!
Politisch nicht gewollt? Niemals!
*Irony off*
M. Lerm