Am Klinikum Würzburg Mitte (KWM) steigt der Druck: Im zweiten Jahr hintereinander klafft vor allem inflationsbedingt ein Millionenloch. Die Stiftung Juliusspital als Hauptgesellschafterin muss dafür herhalten. Die Frage ist: Wie lange lassen sich die Löcher noch stopfen?
Immer mehr Kliniken in Bayern werden zum Notfall. Mehr als 70 Prozent haben laut Bayerischer Krankenhausgesellschaft (BKG) 2022 rote Zahlen geschrieben, für das laufende Jahr rechnen fast 90 Prozent damit. Die "Defizit-Uhr" der Krankenhausgesellschaft steht aktuell bei über 1,2 Milliarden Euro, stündlich kommen bayernweit rund 100.000 Euro hinzu. Die BKG sieht ein "Krankenhaussterben" – mit schwerwiegenden Folgen für Patientinnen und Patienten.
Neun Millionen Euro Defizit im Jahr 2022
In Würzburg fusionierten 2017 die Missionsärztliche Klinik und das Juliusspital-Krankenhaus zum KWM. Sie sortierten und bereinigten Fachgebiete, wirtschaftlich schien man auf einem guten Weg. Dann kam die Pandemie. Die Corona-Krise habe man durch staatliche Ausgleichszahlungen noch überstanden, sagt Walter Herberth, als Oberpflegamtsdirektor verantwortlich für die Stiftung Juliusspital.
Die Stiftung hält als Hauptgesellschafterin gut zwei Drittel der Anteile am KWM, das 675 Betten und rund 2400 Beschäftige hat. Knapp 25 Prozent der Gesellschaftsanteile hat derzeit noch das Missionsärztliche Institut inne, sieben Prozent der Verein Kinderklinik am Mönchberg.
Seit 2022 reiße die Inflation gewaltige Löcher in die Bilanz, sagt Herberth. Kliniken könnten nicht einfach ihre Preise erhöhen, sie würden auf hohen Kosten sitzenbleiben. "Die Steigerungen sind aus eigener Kraft nicht mehr zu bewältigen", schreibt der Oberpflegamtsdirektor in einer aktuellen Protestnote mit dem Titel "Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not".
Im Gespräch macht der Oberpflegamtsdirektor sich Luft: "Ich weiß nicht, was wir noch tun sollen. In der Pandemie wurden wir als systemrelevant bezeichnet und beklatscht – jetzt schaut die Politik einfach weg!" Man werde vertröstet auf die beschlossene Krankenhausreform. Die gehe zwar in die richtige Richtung. Bis sie greife, werde es aber Jahre dauern. "Dann wird es etliche Krankenhäuser nicht mehr geben", sagt Herberth.
Stinksauer ist auch Dominik Landeck, einer von zwei KWM-Geschäftsführern, über die Passivität der Politik. Beide sprechen von "unterlassener Hilfeleistung". Herberth und Landeck sind überzeugt, dass die Verluste des Klinikums Würzburg Mitte nicht selbstverschuldet sind. Die Fusion habe funktioniert, "bis 2021 waren wir im grünen Bereich". Da stand im Jahresabschluss ein sechsstelliger Überschuss.
2022 explodierten inflationsbedingt die Kosten – ohne, dass man sie refinanzieren konnte. Die Finanzhilfen des Bundes? Aus Sicht von Geschäftsführer Landeck sind sie bei einem Jahresumsatz von rund 155 Millionen bisher nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Rund neun Millionen Euro betrage das Defizit des KWM für 2022. Für das laufende Jahr 2023 sehe es nicht besser aus.
Die Stiftung habe den Verlust 2022 ausgeglichen und werde dies wohl auch in diesem Jahr tun. Dafür müssen Rücklagen herhalten. "So etwas habe ich in 25 Jahren nicht erlebt, das kann kein Dauerzustand sein", warnt Herberth. Perspektivisch müsse sich der Krankenhausbetrieb wieder selbst tragen, damit die Stiftung nicht größere Schäden erleide. Die Regierung von Unterfranken als Stiftungsaufsicht sei über die Problematik informiert, sie muss dem Griff der Stiftung in die Rücklagen zustimmen.
Die Existenz beider Kliniken unter dem KWM-Dach stellen Herberth und Landeck trotz der Probleme nicht in Frage, "wir haben ja einen Versorgungsauftrag in Würzburg". Er reicht Jahrhunderte zurück und ist auch in der aktuellen Stiftungsverfassung verankert: "Die Stiftung unterhält und betreibt ein Krankenhaus mit Apotheke und erfüllt dabei überörtliche Schwerpunktaufgaben im Sinne des Bayerischen Krankenhausgesetzes", heißt es hier.
Dabei dürften sich die Kräfteverhältnisse im fusionierten Klinikum noch mehr Richtung Juliusspital verschieben. Denn weder das Missionsärztliche Institut, noch der Verein Kinderklinik sind offenbar finanziell in der Lage, Defizite auszugleichen. Selbst eine komplette Übernahme durch die Stiftung scheint nicht mehr ausgeschlossen.
Was den regionalen Versorgungsauftrag angeht, übernimmt das Juliusspital eine Aufgabe, die in anderen Städten der Kommune zufällt. Heißt für den bis dato theoretischen Fall: Sollte sich die Stiftung aus dem Klinikbetrieb zurückziehen, wäre die Stadt Würzburg in der Pflicht.
Finanzhilfen durch die Stiftung Juliusspital sind nicht unbegrenzt möglich
Der in der Stiftungsverfassung verankerte Krankenhausbetrieb wird seit 2017 durch das KWM abgedeckt. Insofern ist dessen Finanzierung durch die Stiftung Juliusspital zwar rechtlich möglich, allerdings nicht unbegrenzt: Das so genannte Grundstockvermögen aus Gebäuden, Grundstücken und Kapital muss laut Verfassung "ungeschmälert" erhalten bleiben und darf nicht für laufende Aufgaben verwendet werden.
Gewirtschaftet werden muss also mit den Erträgen oder bei Bedarf mit freien Rücklagen. Dass die Politik auf die Notsituation nicht reagiert, macht Stiftungsleiter Herberth wütend: "Die Verluste sind durch das Versagen des Bundesgesundheitsministeriums entstanden. Um sie auszugleichen, gehen der Stiftung nun mühsam erwirtschaftete Mittel endgültig verloren. Das ist ein Skandal".
Fakt ist: Ein Einzelfall ist das KWM nicht. Auch in Schweinfurt wird gerade um die Zukunft der Krankenhäuser gerungen, auch hier soll durch die Fusion des Leopoldina-Krankenhauses und des Krankenhauses St. Josef ein zukunftsfähiges Klinikum entstehen. Noch ist unklar, wer in diesem "Schweinfurter Modell" die Trägerschaft übernimmt – und damit die Aufgabe, finanzielle Löcher zu stopfen.