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Schweinfurt/Lülsfeld
Laut Anklage wollte er einer Frau Dämonen austreiben: Ab Montag steht der "Go&Change"-Guru in Schweinfurt vor Gericht
Jetzt muss sich der Kopf der Gemeinschaft "Go&Change" aus Lülsfeld vor dem Landgericht verantworten. Ihm werden Vergewaltigung und schwere Körperverletzung vorgeworfen.
Dem Kopf der umstrittenen Gemeinschaft 'Go&Change' aus Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt) wird mehrfache Vergewaltigung und schwere Körperverletzung vorgeworfen. Am Montag beginnt der Prozess gegen ihn. 
Foto: Silvia Gralla, Getty Images/Montage: MP | Dem Kopf der umstrittenen Gemeinschaft "Go&Change" aus Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt) wird mehrfache Vergewaltigung und schwere Körperverletzung vorgeworfen. Am Montag beginnt der Prozess gegen ihn. 
Benjamin Stahl
 und  Christine Jeske
 |  aktualisiert: 25.02.2024 03:32 Uhr

Ab diesem Montag, 19. Februar, steht der Kopf der umstrittenen Gemeinschaft "Go&Change" in Schweinfurt vor Gericht. Laut Anklage soll Kai K. im Mai 2023 eine Frau mehrfach vergewaltigt und ihr schwere körperliche Verletzungen zugefügt haben. Den Ermittlungen zufolge hat der 42-Jährige seine frühere Verlobte mehrmals bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, es soll Lebensgefahr bestanden haben. Das Motiv laut Anklage: Kai K. wollte der Frau ihre Dämonen austreiben.

Redaktion recherchiert seit 2020 zu den Vorgängen bei "Go&Change"

Unter den Mitgliedern von "Go&Change" genießt Kai K. die Stellung eines Gurus. Seit 2017 lebt die Gemeinschaft in dem ehemaligen Kloster Maria Schnee in Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt). Vor vier Jahren hatte diese Redaktion erstmals zu den Vorgängen hinter den Klostermauern recherchiert. Aussteigerinnen und Aussteiger hatten sich damals an die Main-Post gewandt und wollten von ihren unheilvollen Erfahrungen berichten. 

Es folgten viele Gespräche: über Manipulation, Psychodruck, sexualisierte Gewalt. Die Frauen und Männer schilderten Einschüchterungen, Demütigungen – und schon damals heftige Vergewaltigungsszenen. In einem Interview, das die Redaktion 2020 mit Jürgen Lohmayer vom Bistum Würzburg sowie Matthias Pöhlmann von der evangelischen Landeskirche in Bayern führte, bezeichneten die beiden Weltanschauungsbeauftragten die Gemeinschaft als "konfliktträchtige Psychogruppe".

Angehörige von "Go&Change"-Mitgliedern erzählten von plötzlichem Kontaktabbruch ihrer erwachsenen Kinder, von Wesensveränderungen, von Anschuldigungen, was die Mitglieder falsch gemacht haben sollen.

Konfrontation mit negativen Eigenschaften in "Prozessarbeit"

Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang immer wieder fiel und fällt: "Schattenarbeit". Dazu gehören laut Aussage ehemaliger Mitglieder unter anderem "Prozesse", in denen eine Person im Zentrum steht, während sie von Kai K. und anderen Mitgliedern mit ihren negativen und gewaltvollen Eigenschaften konfrontiert wird. Pöhlmann bezeichnete dies als "eine ständige Tribunal-Situation". Auch Drogenmissbrauch soll dabei eine Rolle spielen. Ziel der Prozedur: Heilung von persönlichen Traumata, Erlangen von höheren Bewusstseinsebenen, Weltverbesserung.

Mehrere Todesfälle im Umfeld und bei "Go&Change"

Dass sich hinter "Go&Change" keine harmlosen Esoteriker verbergen, zeigte sich im Laufe der Jahre. Im August 2022 nahm sich Sophie, eine junge Frau, das Leben. Sie hatte zuvor mehrere Monate in Lülsfeld verbracht. Im Oktober 2022 starb Roland, ein Musiker aus der Schweiz, bei einer mehrtägigen Party mit "Prozessarbeit" an einem Drogencocktail.

Anfang 2019 war ein Säugling aus dem Umfeld von "Go&Change" gestorben - wohl bei einem nächtlichen "Besinnungsspaziergang". Laut Staatsanwaltschaft lag "eine natürliche Todesursache" vor. Kurz darauf ertrank ein Kleinkind in einem Löschteich nahe dem früheren Kloster. Gegen drei Personen wurde wegen fahrlässiger Tötung ermittelt, schließlich wurden Geldstrafen verhängt. 

Zudem wurde Anfang 2022 ein früheres "Go&Change"-Mitglied wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und des Besitzes kinderpornografischer Schriften verurteilt. Zu der Tat kam es 2018 in dem ehemaligen Kloster.

Viele Zeugenbefragungen und Razzien auf dem Klosterareal

Von diesem Vorfall abgesehen, konnten die Ermittlungsbehörden Mitgliedern der Gemeinschaft lange kein strafrechtlich relevantes Verhalten nachweisen – trotz vieler Zeugenbefragungen und mehrerer Razzien auf dem weitläufigen Areal in Lülsfeld. Auch, weil sich Betroffene freiwillig "Go&Change" anschlossen, dort lebten und sich den umstrittenen Praktiken aussetzten.

So wohl auch im aktuellen Fall: Die junge Frau, die von Kai K. schwer misshandelt worden sein soll und als Nebenklägerin auftritt, war laut Anklage schon Tage vor der angeklagten Vergewaltigung Opfer von Gewalt und Erniedrigung. Mehrfach verließ sie demnach das frühere Kloster, kehrte aber wieder zurück.

Kai K. bestreitet die Vorwürfe: Acht Verhandlungstage am Landgericht angesetzt

In der Nacht auf den 18. Mai 2023 wurde sie schließlich mit schwereren Verletzungen im Gesicht und am Oberkörper in ein Krankenhaus eingeliefert. Laut Staatsanwaltschaft bestätigten rechtsmedizinische Untersuchungen ihre Angaben, wonach sie vergewaltigt worden sei.

Kai K. wurde wenige Stunden später festgenommen und befindet sich seither "in amtlicher Verwahrung". Er bestreitet die Vorwürfe gegen ihn. Für den Prozess vor dem Landgericht Schweinfurt sind bis Anfang April insgesamt acht Verhandlungstage angesetzt.

 
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