Der ZF-Konzern, einer der größten Autozulieferer in Deutschland, ächzt unter der Kehrtwende weg vom Verbrenner hin zum Elektroauto. Das Unternehmen aus Friedrichshafen am Bodensee hat elf Milliarden Euro Schulden, Standorte wie im nordrhein-westfälischen Eitorf stehen auf der Kippe. Außerdem bremst der neue Vorstandsvorsitzende Holger Klein bei den Kosten.
Auch in Schweinfurt, einem der größten ZF-Standorte in Deutschland, herrscht deshalb offenbar Unruhe. Angst müssten die 9000 Beschäftigten dort aber – im Moment – nicht haben, meint Betriebsratsvorsitzender Oliver Moll. Warum er davon ausgeht, dass der Standort schrumpfen wird, erklärt Moll im Interview.
Oliver Moll: Sehr durchwachsen. Das liegt daran, dass – gefühlt – die Menschen sehr viel zu arbeiten haben, gleichzeitig aber das Unternehmen permanent die Sparhebel wo immer möglich ansetzt. Das geht für die Menschen im Kopf nicht zusammen.
Moll: Vor 2025 niemand. Das ist unsere Beschäftigungssicherung. Hier in Schweinfurt müssen wir uns Gedanken darüber machen, welche Einflüsse die Transformation vom Antriebsstrang des Verbrennermotors hin zur Elektromobilität noch haben wird. Das wird kommen. Es heute schon zu beziffern, wäre allerdings unseriös. Das muss man abwarten. Ich glaube, wir haben uns ganz gut aufgestellt. Wir haben ein gehöriges Maß an Elektromobilität am Standort Schweinfurt. Wir sind am Anfang des Weges.
Moll: Sie ist ein Weg in die Zukunft. Er führt dazu, dass wir Beschäftigung in einem bestimmten Umfang erhalten können, der uns verloren gehen würde, wenn wir keine Elektromobilität hätten.
Moll: Sollte es ganz dick kommen und die Konjunktur aus irgendwelchen Gründen zusammenbrechen, dann ist sie der letzte Rettungsanker. Mein persönliches Ziel ist natürlich, mit so vielen Beschäftigten und Qualifikationen wie möglich so breit wie möglich aufgestellt zu sein.
Moll: Nach 2025 werden wir erleben, wie sich hoffentlich der Markt dahingehend entwickelt, dass wir mit unseren Produkten noch besser bei den Kunden ankommen, gerade hinsichtlich der Elektromobilität. Und dass diese Produkte auch wirtschaftlicher werden. Nur ein erfolgreiches Unternehmen ist ein zuverlässiger Arbeitgeber.
Moll: Aus heutiger Sicht nicht. Ich will das aber auch nicht ausschließen. Es wird davon abhängig sein, was wir Ende 2025 vorfinden werden in der Welt, wie die Konkurrenzsituation auf den Märkten ist.
Moll: Ja. Wir haben am Standort Schweinfurt und ZF-weit sogenannte Zielbildprozesse vom Zaun gebrochen. Das bedeutet: Wir haben uns Gedanken gemacht, wie der Standort Schweinfurt im Jahr 2030 aussehen muss. Mit welchen Produkten, mit welchen Technologien, aber auch mit welchen Menschen? Also: Mit welchen Qualifikationsprofilen müssen diese Menschen ausgestattet sein, um auch 2030 noch ein wirklich namhaftes Unternehmen und ein namhafter Arbeitgeber in der Region zu sein?
Moll: Das ist die größte Herausforderung, die wir haben. Alle Arbeitgeber hier im Raum Schweinfurt haben in den vergangenen Jahrzehnten den Arbeitsmarkt abgegrast.
Moll: Ich glaube, da ginge mehr.
Moll: Ich halte es für unprofessionell, auf irgendwelche Pizzakartons zu schreiben: Ich habe eine Stelle zu vergeben. Wie müssten in den lokalen Medien präsenter sein. Wir müssten uns auch mehr direkt zu den Menschen begeben, an Schulen beispielsweise.
Moll: Ich finde, Schweinfurt ist eine großartige Stadt. Wir haben in der Belegschaft heute schon einen Einzugsbereich von 120 Kilometern einfache Fahrt. Das ist enorm. Stadt und Landkreis Schweinfurt könnten aber gerade beim Öffentlichen Nahverkehr noch einiges tun. Wenn man zum Beispiel von unserem Werk Nord ins Werk Süd mit dem Bus fahren will, dann wird das eine kleine Odyssee. Vor allem dann, wenn man Schicht arbeitet. Anderes Beispiel: Vom Hauptbahnhof Schweinfurt führt ein Fußgängersteg über die Gleise ins Werksgelände. Dieser Steg ist nun baufällig. Leider passiert seitens der Stadt nichts, dass man den Steg wieder begehen kann. Das führt dazu, dass viele Leute von der Bahn wieder aufs Auto umsteigen. Das ist schade.
Moll: Ich kenne Herrn Klein schon seit mehreren Jahren. Er hat ein Erbe angetreten, das er als Vorstandsmitglied kommen sah. Also wusste er, auf was er sich als Vorstandsvorsitzender einlässt. Jetzt nutzt er die Werkzeuge, die ihm zur Verfügung stehen. Das ist nicht ganz ohne, denn nun spricht man das offen aus, was vorher ein Tabuthema war: Standorte in Deutschland schließen zu wollen. Herr Klein versucht, konsequent zu bleiben. Er sagt, dass es keine Alternative zu diesen Konsolidierungsplänen und Sparzwängen gibt. Damit endet mein Verständnis aber auch. Es gibt eben Dinge, die gehen so nicht.
Moll: Wir hatten früher mal ein Management, das gesagt hat: In der Krise geht niemand von Bord, wir stehen das gemeinsam durch. Natürlich haben wir einen Umbau vor uns. Aber der ist nicht nur einer Krise geschuldet, sondern der gesamten Situation. Gesellschaftspolitisch, marktpolitisch.
Moll: ZF hat sich beim Thema Elektromobilität auf das Hochpreissegment versteift. Also auf Autos, die wir, wie wir hier sitzen, uns wahrscheinlich nie leisten werden können. Die Chinesen rollen den Markt von unten auf. Daraus müsste man eigentlich schließen können: Wir müssen aus diesem Hochpreissegment auch in die anderen Segmente vorstoßen. Also: kleine und preisgünstige Elektroautos. ZF hat Spitzenprodukte, die in der Spitzenklasse der Autohersteller eingesetzt werden. Das war in der Vergangenheit sehr, sehr erfolgreich. Jetzt muss man aber feststellen, dass wir einen ganz anderen Markt haben. Dem kann man sich nicht mit denselben Ansätzen nähern wie in der Vergangenheit.
Moll: Für Aftermarket wird es immer was zu tun geben. Dort wird der Umsatz eher steigen, das läuft profitabel. Bei Aftermarket haben wir mit zum Teil großen Kunden Lieferverpflichtungen, die sich über Jahrzehnte erstrecken. Race Engineering ist eine kleine Perle. Rennsport spricht Herz und Bauch an. Das hat weniger mit Vernunft zu tun. Ich bin glücklich, dass sich ZF das leistet. Das ist nicht immer profitabel.
Moll: Ich schätze, etwa 7000. Es wird weniger sein, weil normale Fluktuation und mehr Rentenabgänge greifen. Und auch, weil wir nicht mehr so viele Nachwuchskräfte finden werden.