Der Saisonstart in der Formula E hätte für ZF Race Engineering am Wochenende sicher besser ausfallen können. Bei den ersten beiden Starts in Saudi-Arabien ging der indische Rennstall Mahindra erstmals mit dem völlig neuentwickelten Antriebsstrang von ZF an den Start. E-Motor, Getriebe und die auf Siliziumkarbid basierende Leistungselektronik kamen aus einer Hand. Das im letzten Jahr entwickelte System kam erstmals unter Rennbedingungen auf die Straße. Dabei wurde der gute sechste Platz im zweiten Rennen durch Alexander Smith, vom Totalschaden, den Alex Lynn erlitt, überschattet.
Für Sascha Ricanek, der im Herbst die Führung von ZF Race von Norbert Odendahl übernommen hat, waren die Rennen der sportliche Auftakt in der neuen Position. Der 44-Jährige kam von Daimler. 14 Jahre lang war er für den Konzern vor allem in Asien unterwegs, hat dort mehrere Gesellschaften aufgebaut. Er hat Sportmanagement studiert und in der Formel 1 und der DTM unter Sportchef Norbert Hauck einiges an Erfahrung gesammelt.
Dass den elektrischen Antrieben die Zukunft im Rennsport gehört, davon ist Ricanek überzeugt. Dies hat auch Konzernchef Wolf-Henning Scheider vorgegeben. Ihm ist ZF Race künftig nicht mehr direkt unterstellt, sondern der zentralen Entwicklung zugeordnet. Damit könne man die Bandbreite des Konzerns besser nutzen, ihn weltweit stärker präsentieren, sagt der Race-Chef und verweist auf das Know-how von 4500 Entwicklungsingenieuren weltweit.
Zu Kupplungen und Dämpfern gesellen sich beispielsweis die aktive Hinterachse oder das elektronische Bremssystem und die Lenkung. "Das eröffnet Wachstumsmöglichkeiten", sagt Ricanek. Dabei gehe es nicht nur um die Sicherung von 330 Arbeitsplätzen (die eine Hälfte davon in Schweinfurt, die andere in Großbritannien in der Nähe von Birmingham, resultierend aus der Übernahme des amerikanischen Zulieferers TRW).
Rennsport soll der Großserie dienen
In allen Serien soll der Rennsport der Großserie dienen. Bei der Entwicklung des völlig neuen Antriebsstrangs zusammen mit den Ingenieuren von Mahindra sei es trotz der Erschwernisse durch die Pandemie gelungen, die Komponenten zusammenzuführen und Gewicht und Effizienz zu stärken.
Mahindra ist ein Mischkonzern mit 240 000 Mitarbeitern und 18 Milliarden Euro Umsatz. Er gilt als der größte Traktorhersteller weltweit und stellt eigene Pkw her. Die Inder sind kürzlich als erstes Formel-E-Team von einem namhaften Zertifizierer für ihre ausgeglichene Klimabilanz ausgezeichnet worden.
Die Formel E, die in dieser, ihrer siebten Saison erstmal unter dem Dachverband der FIA (Weltmotorsportverband) antritt, ist natürlich nur ein Teilbereich. Nach wie vor ist ZF Race auf allen wichtigen Rennstrecken weltweit unterwegs. "Mit Erfolg", wie Pressesprecher Moritz Nöding mit Blick auf die vergangene Saison feststellt. "Überall wo Rennen gefahren werden, sind wir dabei." Die Formel E auf den engen Stadtkursen von Rom, Paris, Berlin oder Monaco spricht nach Beobachtung Nödings ein jüngeres Publikum an. Mit Angeboten in den sozialen Medien reagiert ZF seit Jahren auf diesen Trend.
Auch in dieser Saison engagiert sich das Unternehmen weiter in der Deutschen Tourenwagen Meisterschaft (DTM) und in der Formel 1. Wenngleich die Zahl der Kunden in der Königsklasse des Rennsports zuletzt rückläufig war, soll wieder auf fünf Rennställe aufgestockt werden. Die Serie startet am 26. März in Bahrein. Zwei Teams sind mit Dämpfern von ZF ausgerüstet.
Noch sind viele Fragen offen
In der DTM, die am 20. Juni in Monza startet und über acht Wochenenden läuft, sind jedoch noch viele Fragen offen. Vor allem die OEM, die Erstausrüster, haben sich noch nicht festgelegt. Es werden jedoch Teams unter den Logos von Audi, BMW, Mercedes und Ferrari an den Start gehen. Überhaupt zeichnet sich in der DTM ab, dass künftig Kundenteams die Serie bestimmen. Und mit ihnen ist ZF Race seit Jahren eng verbunden.
Darüber hinaus kommen zur klassischen DTM weitere Rennen hinzu, beispielsweise mit Traditionsfahrzeugen. So geht ein Aston Martin (James Bond) an den Start, für den ZF Race ein 32 Jahre altes Getriebe neu aufgebaut hat.
Ein weiteres großes Thema für ZF Race ist das Zweirad, für das der Konzern eine Reihe von Komponenten im Programm hat. Nun wird ein Systemhaus entwickelt. Dabei geht es nicht nur um den Rennsport, sondern auch um den normalen Straßenverkehr. Trotz der starken japanischen Präsenz sieht Ricanek im asiatischen Raum gute Chancen. Mahindra könnte dort ein guter Türöffner sein.