Die Überraschung hatte sich Wolf-Henning Scheider bis zum Ende seines Vortrages aufgehoben. Der Vorstandsvorsitzende der ZF Friedrichshafen AG wird seinen Vertrag nicht verlängern und zum Jahresende bei dem Autozulieferer ausscheiden. Er nannte dafür rein persönliche Gründe.
Scheider wird demnächst 60 Jahre alt und will sich Aufgaben außerhalb der Automobilindustrie zuwenden. Der Vorstandschef hat sein Amt am 1. Februar 2018 angetreten. Die Zusammenarbeit mit der Belegschaft und dem Aufsichtsrat nannte er sehr gut.
Der Rückzug kommt nach einem Jahr, in dem ZF trotz der Corona-Krise und des Kriegs in der Ukraine den Umsatz um 17,5 Prozent auf 38,3 Milliarden Euro steigern und damit auch die Werte vor Beginn der Pandemie übertreffen konnte. Der Operative Gewinn (Ebit) stieg von 1,1 auf 1,9 Milliarden Euro.
Wie sich ZF entwickelt hat
Damit hat sich ZF deutlich besser als der Automobilmarkt entwickelt, betonte Finanzchef Konstantin Sauer. Während im ersten Halbjahr das Umsatzplus noch 38 Prozent betragen hatte, gab es wegen fehlender Halbleiter in den vergangenen sechs Monaten einen Einbruch auf -2,6 Prozent.
Dadurch, so Sauer, seien dem Unternehmen 2,7 Milliarden an Umsatz entgangen. Weitere Belastungen gab es durch höhere Material-, Energie- und Transportpreise. Diese erwartet Sauer auch für dieses Jahr. ZF hat in Schweinfurt Werke mit zusammen etwa 9000 Beschäftigten.
ZF: Verschuldung hat sich verringert
Das Ergebnis des Konzerns nach Steuern lag bei 883 Millionen Euro, nach einem Minus von 741 Millionen im Jahr 2020. Die Verschuldung wurde um 725 Millionen auf 12,5 Milliarden Euro zurückgeführt. Die Eigenkapitalquote lag bei 18,6 Prozent (Vorjahr: 12,1).
Scheider verwies in seinem Rückblick darauf, dass im vergangenen Jahr aufgrund der Krisen zehn Millionen Fahrzeuge nicht gebaut werden konnten. Man habe sich dem angepasst und somit die gesteckten Ziele erreicht. "Wir sind flexibler geworden."
Forschung und Entwicklung bei ZF auf Rekordniveau
Für die drei Schwerpunkte Elektromobilität, autonomes Fahren und Softwareentwicklung habe man Kundenaufträge "weit über die Dekade hinaus gewonnen". Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung wurden im Vorjahr auf 3,1 Milliarden gesteigert. Das bedeutet Rekordniveau für ZF, nämlich acht Prozent vom Umsatz.
Schon im Jahr 2028 rechnet ZF damit, dass sich konventionell und elektrisch getriebene Fahrzeuge die Waage halten. Weiter ausgebaut wurde die konzerneigene Cloud, der Baukasten für Leistungselektronik werde weiter schnell wachsen. Mit Transformationsvereinbarungen an den einzelnen Standorten werde dieser Entwicklung Rechnung getragen.
Nachhaltigkeit: Bis 2040 klimaneutral?
Mit der Integration des US-Herstellers Wabco in der neuen Division "Commercial Vehicle Solutions", die über 25.000 Mitarbeiter verfügt und einen Umsatz von sieben Milliarden Euro erzielt, sei ZF auf dem Weg zum globalen Champion im Bereich Nutzfahrzeuge und werde ein Stück unabhängiger vom Pkw-Geschäft.
An seinen Nachhaltigkeitszielen halte ZF fest, betonte der Vorstandschef. Bis 2030 stellt der Konzern zu 100 Prozent auf Grünstrom um, bis 2040 will er klimaneutral arbeiten.
Zu Ukraine und Russland betonte Scheider, dass die Sicherheit für die Mitarbeiter und ihre Familien an erster Stelle stehe. Löhne würden trotz der Einstellung von Produktion weitergezahlt. Flüchtenden werde geholfen. Das Joint-Venture mit dem russischen Nutzfahrzeughersteller Kamaz ruht, nachdem von ZF keine Teile mehr geliefert werden.
Beim Ausblick zeigte sich Scheider zurückhaltend. Dennoch kündigte er ein Umsatzplus auf über 40 Milliarden Euro an.