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Gochsheim/Güntersleben
"Ich erkenne meinen Laden nicht mehr wieder": Warum Daniel Schäffler seinen Job bei Edeka in Gochsheim gekündigt hat
Der Tarifstreit im Großhandel ist festgefahren. Ein langjähriger Lkw-Fahrer bei Edeka hat davon genug und zieht jetzt Konsequenzen. Der Konzern dementiert die Vorwürfe.
Hat genug vom Streiken und von Edeka: Der Berufskraftfahrer Daniel Schäffler möchte künftig nicht mehr für den Lebensmittelkonzern in Gochsheim arbeiten.
Foto: Johannes Kiefer | Hat genug vom Streiken und von Edeka: Der Berufskraftfahrer Daniel Schäffler möchte künftig nicht mehr für den Lebensmittelkonzern in Gochsheim arbeiten.
Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 03.11.2023 02:55 Uhr

Eigentlich liebt er seinen Job, sagt Daniel Schäffler. Wenn man mit dem Berufskraftfahrer über seine Arbeit spricht, ist seine Überzeugung kaum zu überhören. Seit zwölf Jahren fährt er als Lkw-Fahrer Waren aus dem Zentrallager von Edeka in Gochsheim (Lkr. Schweinfurt) an Lebensmittelmärkte in ganz Unterfranken aus, berichtet Schäffler. Jahrelang habe er unbequeme Arbeitszeiten, Wechselschichten und Plackereien dafür in Kauf genommen. Doch in diesem Jahr hat sich für den 43-Jährigen aus Güntersleben (Lkr. Würzburg) im Berufsalltag einiges gedreht.

Seit Mai befindet sich Daniel Schäffler zusammen mit zahlreichen anderen Kolleginnen und Kollegen aus der Logistik bei Edeka im Streik. Sieben Verhandlungsrunden liegen bereits hinter dem Arbeitgeberverband des Groß- und Außenhandels und der Gewerkschaft Verdi. Siebenmal konnten sich beide Seiten auf kein Ergebnis einigen.

Job bei Edeka: Früher "ein Privileg" und gut bezahlt

"Mir geht es nicht primär nur ums Geld, sondern auch darum, darauf aufmerksam zu machen, was bei uns teilweise schief läuft", sagt Schäffler. Er sei schon seit längerem unzufrieden über die Entwicklung in der Logistik-Branche. Der Einstieg bei Edeka in Gochsheim sei ein lang ersehnter Schritt für ihn gewesen: Sein Vater hat 39 Jahre lange bei der Firma gearbeitet, er selbst dann zunächst als Lagerist, später als Berufskraftfahrer.

"Es galt damals als Privileg für Edeka zu arbeiten", sagt Schäffler. Warum? "Weil man für harte Arbeit gutes Geld bekommen hat."

Nicht der beliebteste beim Chef

Was der 43-Jährige auch sagt: Es sei in den zurückliegenden zwölf Jahren nicht immer alles harmonisch gelaufen. "Ich bin nicht der beliebteste Mitarbeiter beim Chef." Schäffler ist seit 25 Jahren Gewerkschaftsmitglied, Entwicklungen im Betrieb begleitete er kritisch. Wenn ihm etwas nicht gepasst habe oder Vorschläge nicht ernst genommen worden seien, habe er schon mal die Berufsgenossenschaft gerufen.

Juni 2023 in Schweinfurt:  Teile der Belegschaft des Edeka-Lager streiken für mehr Lohn. Sie fordern 13 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, 250 Euro mehr für Azubis sowie allgemeinverbindliche Tarifverträge für alle Angestellten.
Foto: Steffen Krapf | Juni 2023 in Schweinfurt:  Teile der Belegschaft des Edeka-Lager streiken für mehr Lohn. Sie fordern 13 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, 250 Euro mehr für Azubis sowie ...

"Ich war früher manchmal ein Hallodri, aber ich mache meinen Job unheimlich gerne und gehe jeden Tag, egal unter welchen Umständen, mit einem Lächeln auf die Arbeit", sagt der Berufskraftfahrer. Irgendwann aber hätten Arbeitsbelastung und Überstunden zugenommen, vor allem in den Jahren der Corona-Pandemie: "Wir waren systemrelevant, aber gemerkt haben wir davon nichts."

Mit dem Aufflammen der Streiks in diesem Frühjahr habe das Betriebsklima einen Tiefpunkt erreicht. "Ich erkenne meinen Laden nicht mehr wieder", sagt Schäffler. Der Konzern übe Druck auf Angestellte aus, insbesondere die Fahrer, und drohe indirekt damit, den Fuhrpark abbauen zu wollen. "Sofort als wir angefangen haben zu streiken, ist Beschäftigten ein Hausverbot erteilt worden", sagt Schäffler.

Edeka weist Vorwürfe entschieden zurück

Edeka weist diese Darstellung auf Nachfrage entschieden zurück: "Alle geleisteten Überstunden fließen in ein sogenanntes Gleitzeitkonto und können in Form von Freizeit oder Vergütung ausgeglichen werden", teilt Stefanie Schmitt, Pressesprecherin von Edeka Nordbayern-Sachsen-Thüringen mit Sitz in Rottendorf (Lkr. Würzburg), mit.

Auch den Vorwurf, Druck auf die Belegschaft auszuüben, weist Schmitt in einer Stellungnahme zurück: "Es gibt weder einen Beschluss noch eine Kommunikation der zuständigen Entscheidungsträger, die eine Verkleinerung des Fuhrparks an die betreffenden Mitarbeitenden kommuniziert hätten." Für 2024 habe der Konzern sogar acht zusätzliche Lkw zur Vergrößerung der Flotte bestellt.

Unternehmenssprecherin: Verständnis für Streiks hat abgenommen

Auch weitere Anschuldigungen dementiert Edeka: "Alle Führungskräfte wurden mehrfach mündlich und schriftlich unterwiesen, sich ganz bewusst neutral zu positionieren, um den Betriebsfrieden nicht zu gefährden", sagt Schmitt. Das Verständnis für die Streikenden im Unternehmen habe mittlerweile deutlich abgenommen.

"Wir hören inzwischen sehr häufig von der absoluten Mehrheit unserer Beschäftigten, [...] dass die Dauer und Anzahl der Streikaufrufe als unverhältnismäßig empfunden wird und seitens Belegschaft das Verständnis hierfür fehlt, zumal wir bereits in Vorleistung gegangen sind", schreibt die Sprecherin.

Edeka habe seinen Mitarbeitenden im Rahmen einer "verbindlichen Gesamtzusage" eine Gehaltssteigerung von 10,5 Prozent für 2024 und 2025 nach Tarifabschluss fest zugesagt. "Bis dahin gehen wir seit dem Sommer mit einer Prämie von 300 Euro brutto pro Monat in Vorleistung." Die Gewerkschaft spricht indes von "Streikbrecherprämie".

Der Konzern wiederum sieht Druck von der anderer Seite: "Die Nicht-Streikenden Mitarbeitenden wurden teilweise verbal und in WhatsApp-Gruppen angegangen und unter Druck gesetzt, sich an den Streiks zu beteiligen." 

Härtester Konflikt im bayerischen Handel seit 30 Jahren

Nach Angaben von Verdi sind derzeit rund 100 Mitarbeitende bei Edeka in Gochsheim im Streik. Im Kauflandlager Donnersdorf (Lkr. Schweinfurt) streiken aktuell 270 Menschen bis 1. November. Auch im Rewe-Lager in Buttenheim (Lkr. Bamberg) sind die Streiks wieder angelaufen. Verdi-Gewerkschaftssekretär Peter König bezeichnet den Tarifstreit als den "härtesten Konflikt im Handel", den er in 30 Jahren erlebt habe.

Edeka widerspricht den Zahlen Verdis. Laut Sprecherin Stefanie Schmitt beteiligen sich noch zwischen 30 und 50 der insgesamt 800 Beschäftigten im Lager Gochsheim am Streik. Das entspreche rund 3,5 bis 4 Prozent der Belegschaft. Und, so Schmitt: "Keines unserer Betriebsratsmitglieder im Lager Gochsheim beteiligt sich an den Streiks." Der Rückhalt für Streikaufrufe sei nur noch schwach.  

"Ich verstehe, dass unsere Forderungen nach 13 Prozent mehr Lohn hoch sind", sagt Lkw-Fahrer Daniel Schäffler. Die Inflation mache dies nötig. Arbeitgeber und Gewerkschaft müssten endlich einen ordentlichen Vorschlag aushandeln.

Die nächste Tarifrunde im Groß- und Außenhandel findet am 21. November in München statt. Der Ausgang spielt für Schäffler keine große Rolle mehr. Er hat Konsequenzen gezogen, gekündigt und schaut sich jetzt nach einem neuen Arbeitsplatz um. "Ich habe unheimlich gerne bei Edeka gearbeitet und würde auch gerne wieder ein ordentliches Verhältnis zusammenkriegen", sagt Schäffler. "Aber nach allem was vorgefallen ist, ist es irgendwann auch mal gut."

Edeka: Kündigungsquote in der Logistik stabil 

Auf die Nachfrage, ob es in der Edeka-Logistik vermehrt Kündigungen gebe, sagt Unternehmenssprecherin Schmitt: "Die Quote an Kündigungen und Eigenkündigungen ist stabil. Im Gegenteil: Ein Wettbewerber in der Nähe hatte im Zuge seines Lagerneubaus Mitarbeitende von uns gewonnen, die nun teilweise wieder zu Edeka nach Gochsheim zurückkehren."

 
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  • Richard Baumann
    Neutral beobachtet ist die Forderung nach 13 % mehr an Gehalt wirklich nicht verhandelbar. Das Angebot von EDEKA hört sich sehr vernünftig an, zumal die schon jetzt gezahlten 300 Euro pro Monat auch nicht jeder Arbeitnehmer in Deutschland hat.
    Nach über 5 Monaten im Streik würde H. Schäffler bei dieser rel. geringen Streikquote bestimmt auch nicht als strahlender Held nach Streikende in den Betrieb zurückkommen.
    War vermutlich auch ein Grund zur Kündigung. Warum dann nicht schon früher, wenn er auch bislang schon unzufrieden und kein Freund des Chefs war?
    Die Aussage von EDEKA, dass Mitarbeiter nach ihrer Kündigung auch wieder zurückkommen, zeugt doch davon, dass es bei anderen Arbeitgebern wohl auch nicht besser ist.
    Streik in allen Ehren - ist schließlich auch ein hart erkämpftes Recht - aber man muss auch vernünftige Grenzen erkennen!
    Wer auf sicheren Gewerkschaftsstühlen ruht, hat schnell auch mal die Beziehung zur realen Arbeitswelt verloren.
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  • Oliver Seitz
    Auch andere Arbeitgeber habe hübsche Jobs. Jeder soll und darf da arbeiten wo er möchte. An Angeboten für Arbeitnehmer mangelt es momentan wohl kaum.
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  • Nicolai Probst
    Wenn das jeder so gemacht hätte, wäre in der Geschichte der Arbeitnehmer nicht erreicht worden.
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Da haben Sie Recht - @ Oliver Seitz -

    und weil einige Arbeitgeber "hübsche Jobs" haben, haben andere "Fachkräftemangel"...
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  • Stefan Köhler
    Immerhin bleibt Donnersdorf stabil.
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  • Hiltrud Erhard
    Sehr geehrter Herr Dinkel,
    Ihre Berichte zu den Streiks gehen immer in die selbe Richtung! Die Einseitigkeit fängt schon in der Schlagzeile an!

    Es ist nicht zu erkennen, wo Herr Schäffler persönlich betroffen ist!
    Er spricht von Angestellten, von allgemeinen Berufsbildern und dass er selbst ein unbequemer Geselle ist!
    Es geht um die Aussagen, die die Gewerkschaft seit Monaten kolportiert und die als Druckmittel im Streik eingesetzt werden.

    Die Realität sähe anders aus, wenn die Berichte objektiv und ausgewogen recherchiert wären!

    Es ist nicht Aufgabe der Zeitung als Presseorgan der Gewerkschaft zu fungieren sondern ausgewogen zu berichten!

    Leider, und da hat Herr Knahn recht, sind die jungen Redakteure linksgrün orientiert. Das macht eine Objektivität und Ausgewogenheit scheinbar unmöglich!

    Jedenfalls scheint es für Edeka in diesem Fall sogar besser zu sein, einen Unbequemen und querulierenden Mitarbeiter weniger zu haben.
    ... und einen weniger der streikt.
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  • Florian Evenbye
    auf mich wirkt der Artikel eher zu einseitig in Richtung Edeka. Edeka hat hier immer das letzte Wort und kann auf jeden Vorwurf ohne weitere Widerrede antworten. Ein Betroffener kommt unmittelbar zu Wort, die Gewerkschaft wird dagegen kaum zitiert. Insgesamt steht Aussage gegen Aussage. Mag sein, dass Edeka in vielen Punkten Recht hat. Für mich klingen die Aussagen der Pressestelle des Konzerns oft überzeugend. Das kann ich aber nicht beurteilen. Aber es ist schon eine ganz schön einseitige Sichtweise zu behaupten, der Artikel sei einseitig in Richtung Gewerkschaft. Das kann ich nicht erkennen. Tatsache ist für mich, dass die Logistikbranche in Deutschland ein Billigbereich ist auf Kosten der Allgemeinheit: Kaputtgefahrere und zu volle Autobahnen, schlecht bezahlte Beschäftigte (mit viel Verantwortung im Straßenverkehr), Umweltverschmutzung durch Diesel-LKW, Lärmbelastung für Anwohner v.a. an Bundesstraßen, uvm. Wären die Transportpreise teurer würde auch mehr Regionales konsumiert.
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  • Walter Seubert
    Der Großhandel im allgemeinen ist doch eine Billigbranche. Wie viele der Betriebe sind gewerkschaftlich organisiert?
    Viele "Großhändler" verhindern immer noch erfolgreich die Gründung von Betriebsräten und pressen ihre Mitarbeiter aus wie Zitronen.
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  • Nicolai Probst
    Also ich muss schon mal sagen, dass verbale Auswürfe wie „linksgrün orientiert“ einen selbst einfach nur als peinlichen Besserwisser mit verkrustetem Mindset outen.
    Meist Menschen, die das Wort „reflektieren“ nur im Bezug auf Spiegel kennen. Aber schön noch „linksgrün“ als Killerargument in eine Debatte gebracht…

    Die Schlagzeile zitiert einfach nur aus dem Interview, das ist nicht tendenziös sondern schlichtweg das, was er gesagt hat.
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  • Marcel Dinkel
    Sehr geehrte Frau Erhard,

    zunächst einmal möchte ich Ihnen für ihr ausgeprägtes Interesse danken! Lassen Sie mich rasch auf den von Ihnen hervorgebrachten Vorwurf der Unausgewogenheit reagieren.

    Bei diesem Artikel handelt es sich um einen klassischen Bericht. Journalistische Berichte zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass in ihnen - wie im Falle der hervorgebrachten Vorwürfe von Herrn Schäffler gegenüber Edeka – beide Seiten die Möglichkeit haben, Stellung zu beziehen. In den journalistischen Leitlinien der Main-Post heißt es dazu: "Wird Nachteiliges über eine Person, eine Unternehmung, ein Amt oder eine Organisation verbreitet, müssen sich die Betroffenen im selben Kontext dazu äußern können. Dabei werden sie mit ihren besten Argumenten zitiert. Eine Ausgewogenheit im Sinne von gleich vielen oder gleich langen Statements ist nicht gefordert."

    Mit besten Grüßen
    Marcel Dinkel, Redakteur
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