Schweinfurts Bürgermeisterin Sorya Lippert muss man vom Sinn einer Städtepartnerschaft nicht erst überzeugen. Sie ist eine Verfechterin des Austausches, der Zusammenarbeit, gerade in diesen Zeiten mit russischem Angriffskrieg in der Ukraine, Corona-Pandemie, den Herausforderungen des Klimawandels und der Energiekrise. "In Krisenzeiten wie diesen können wir es uns nicht leisten, nur auf unseren kleinen Orbit zu schauen, uns nicht mit anderen auszutauschen", erklärte Lippert kürzlich im Hauptausschuss, als sie von ihrer Reise nach Frankreich und Schottland berichtete.
Partnerschaften hat Schweinfurt seit Jahrzehnten mit dem schottischen Motherwell, dem französischen Châteaudun und der Stadt Seinäjoki in Finnland. Nun gibt es auch eine Solidaritäts-Partnerschaft mit der ukrainischen Großstadt Luzk, in die in den kommenden Wochen Hilfsgüter im Wert von 250.000 Euro geliefert werden sollen. Jetzt wird auch ein weiteres Projekt intensiviert: eine Klimapartnerschaft mit der bolivianischen Stadt Tarija.
Sorya Lippert erklärt im Gespräch mit dieser Redaktion, die Stadt überlege seit einiger Zeit, sich bei Städtepartnerschaften "breiter aufzustellen". Bei diesen Überlegungen spielte auch der Blick nach Südamerika eine Rolle, das in vielerlei Hinsicht interessant ist. Finanzreferentin Anna Barbara Keck sagt, der Stadt gehe es auch darum, "wie man Partnerschaften in die Zukunft bringen kann, inhaltlich Themen entwickelt, gerade im Hinblick auf die Klimakrise."
Verbindungen von Schweinfurt nach Bolivien auf vielen Kanälen
Bolivien als Partnerland ist im übrigen gar nicht so weit hergeholt, zumal es dort eine größere Gruppe deutschsprachiger Auswanderer gibt: Die Kirchengemeinde St. Peter und Paul hat seit Jahrzehnten Kontakte, die Fachhochschule war mehrfach auf Messen dort. Der Schweinfurter Frank Weber baute 1985 die „Casa Nuovo Amanecer“, das „Haus Neue Zeit“, das Straßenkinder in Chochabamba aufnahm. Die Schule, die den Namen des einstigen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker trägt, zählt mehrere hundert Schüler. Sie ist die einzige Privatschule im Land und führt zum Abitur.
Weber wurde vom bolivianischen Parlament zum „Ciudadano meritório“, zum „verdienstvollen Staatsbürger“ erklärt. Zu Beginn der Corona-Pandemie schickte er einen eindringlichen Hilfsappell nach Schweinfurt, der dafür sorgte, dass die Schule trotz der Corona-Pandemie weiter geführt werden kann.
Schweinfurt wird bei der vom Stadtrat bereits genehmigten so genannten Klimapartnerschaft auch vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit unterstützt – inhaltlich und finanziell, um Reisen und Begegnungen zu ermöglichen. In Sachen Klimaschutz gibt es tatsächlich gleiche Interessen, unter anderem die Frage wie überhitzte Städte lebenswert bleiben können und der Umgang mit Trinkwasser, das gerade auf der fränkischen Trockenplatte ein rares Gut ist. Durchaus interessant für Tarija ist das Projekt "Brauchwasseraufbereitung", das derzeit in der Schweinfurter Kläranlage läuft.
Tarijas Bürgermeister hat großes Interesse am Austausch mit Schweinfurt
Sorya Lippert hat vor einigen Monaten auch den Bürgermeister von Tarija getroffen, als Johnny Marcel Torres Terzo Augsburg besuchte. Sein Vorgänger Rodrigo Paz Pereira ist der Sohn des früheren Präsidenten Jaime Paz Zamora, der Bolivien von 1989 bis 1993 regierte. Von dem Gespräch war die Bürgermeisterin beeindruckt, ihr Kollege habe großes Interesse an der Partnerschaft und viele Ideen, wie man voneinander profitieren könnte. Bereits auf der Homepage der bolivianischen Stadt geht es unter dem Motto "Meine Stadt, meine Verantwortung" darum, wie sich die Bürger möglichst klimafreundlich verhalten können. Man hat sich auch den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen verpflichtet.
Tarija ist mit knapp 180.000 Einwohnern deutlich größer als die 53.000-Einwohnerstadt Schweinfurt und liegt im Süden Boliviens, in Richtung der argentinischen Grenze. Die bekannte Straße Panamericana verläuft hier. Gegründet wurde Tarija im 16. Jahrhundert, in den vergangenen 45 Jahren wuchs die am Rande der Anden auf 1900 Metern über dem Meer liegende Stadt enorm – von knapp 39.000 auf heute 180.000 Einwohner. Es gibt Universitäten, viel Handel und Dienstleister, wenig Industrie, dafür im Umland Wein- und Obstanbau.
Seit 2003 hat Tarija eine Städtepartnerschaft mit dem belgischen Brasschaat in der Nähe von Antwerpen, deren Fokus auf Jugend und Sport liegt. Mit Schweinfurt soll es nun um die konkrete Umsetzung von Klimaschutz-Projekten gehen, im Winter ist auch eine erste Reise von Vertretern aus Schweinfurt nach Bolivien denkbar.