Wenn hierzulande Schüler, Eltern und Lehrer mit den Corona-Umständen hadern, zeigt ein Blick nach Südamerika, wie schwierig dort das Leben ist. Der Schweinfurter Frank Weber engagiert sich seit 35 Jahren für soziale Gerechtigkeit, speziell für Bildungschancen von Kindern. Seine Schule, die Richard-von-Weizsäcker-Schule im bolivianischen Cochabamba, gerät nun aber wegen Corona in Existenznot.
Es ist ein intensiver und eindringlicher Brief, den der 60-jährige Träger des Bundesverdienstkreuzes zum Jahresende aus Cochabamba an seine Freunde und Unterstützer in Schweinfurt schreibt. Realistisch schildert er die schwierigen politischen Rahmenbedingungen, aber auch das viele Leid, das mit der Corona-Pandemie zusätzlich über die Bevölkerung Boliviens kam.
Verhängt wurden strenge, monatelange Ausgangsbeschränkungen, die die Familien in ihrem knappen Wohnraum aufs äußerste belasteten. Die Pandemie offenbarte, dass es kein funktionierendes Gesundheitssystem gibt, Menschen starben, weil sie keine ärztliche Hilfe erhielten. Die finanzielle Unterstützung des Staates beschränkte sich auf einmalig umgerechnet 60 Euro. Das Leid ist in zahlreichen Familien groß, es herrscht Zukunftsangst. Deutlich wurde auch, wie ungenügend das Bildungssystem des Landes ist.
Keine soziale Gerechtigkeit ohne Bildung
Gerade die Schulausbildung für Kinder aus benachteiligten Familien treibt Frank Weber seit jeher um. Denn er ist überzeugt, dass es soziale Gerechtigkeit ohne Bildung nicht geben wird. Wobei er darunter nicht nur die Vermittlung von Wissen versteht, sondern vor allem die Ausbildung von sozialer Kompetenz, Empathie und Solidarität. "Unser sozialer Zusammenhalt hängt von diesen Haltungen ebenso ab wie vom allgemeinen Wissensstand", schreibt der 60-Jährige.
Als damals 25-jähriger Theologiestudent hatte Weber bei einem Studienaufenthalt 1985 in Bolivien das Schicksal der Straßenkinder erlebt. Von seinen Ersparnissen kaufte er eine alte Hausruine am Stadtrand Cochabambas, um den Heranwachsenden ohne Bleibe ein neues Zuhause zu geben. Aus diesem Engagement entwickelte sich ein großes Sozialwerk, dessen Kernstück seit 1988 die Richard-von-Weizsäcker-Schule ist, für die der damalige Bundespräsident Pate stand.
Derzeit werden dort etwa 600 Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Familien von 42 Lehrern bis zum Abitur unterrichtet – virtuell. Denn seit dem 12. März, kurz nach Beginn des neuen Schuljahres in Bolivien, ist der Unterricht im Klassenzimmer wegen Corona eingestellt. "Seither waren die Schülerinnen und Schüler nicht mehr an der Schule. Eigentlich ein unvorstellbarer Zustand", schreibt Weber.
Digitales Lehren und Lernen ist eine große Herausforderung
Für seine Privatschule, die ohne Schulgeld und finanziell unabhängig von Staat, Kirche und NGOs (Nichtregierungsorganisationen) auskommt, zahlt es sich jetzt aus, dass sie in den letzten Jahren in die Digitalisierung der Klassenzimmer investierte. Dabei ging es nicht nur um die Ausstattung, sondern vielmehr um die didaktischen Konzepte für den selbstverständlichen Umgang mit Computern und Tablets im Schulalltag.
Eine Basisausstattung ist also vorhanden, was jetzt beim virtuellen Unterricht hilfreich ist. Dennoch ist das Lehren und Lernen eine große Herausforderung, zumal nicht jeder Schüler ein Endgerät oder ordentliches Internet hat, zumal die Lehrer ihre fachlichen Inhalte methodisch-didaktisch anders vorbereiten müssen, zumal Familie mit mehreren Kindern auf engem Raum leben.
Seit August haben zahlreiche Schulen in Bolivien ihren Betrieb ganz eingestellt, an der Richard-von-Weizsäcker-Schule aber wurde weiter unterrichtet. Der Stundenplan wurde auch im virtuellen Unterricht eingehalten, inklusive der Pausen. "So garantieren wir weiterhin den so wichtigen gewohnten Tagesablauf", weiß Frank Weber.
Schule ist in großer finanzieller Not
Was ihm aber richtige Sorgen bereitet, ist die finanzielle Situation seiner Schule, die er als existenzbedrohend bezeichnet. Normalerweise finanziert sich die Schule zum einen mit Spenden eines Freundeskreises in Deutschland, die etwa ein Viertel des Bedarfs ausmachen.
75 Prozent aber werden durch zahlreiche Veranstaltungen erwirtschaftet: durch Musiktheater, Bühnenstücke, Lesungen und Vorträge. In Bolivien und in Deutschland, oft in Schweinfurt, sind Weber und seine jungen Künstler immer beeindruckende Gäste. "Dass dies über mehr als drei Jahrzehnte so gelingt, ist sicherlich einmalig", meint der 60-Jährige. Weil aber ausnahmslos alle Veranstaltungen gestrichen wurden, kann Weber nun keine Einnahmen für die Schule erzielen.
Als die Eltern der Kinder im Mai davon erfuhren, begannen sie mit der Sammlung von Geld, halfen sich untereinander mit Lebensmitteln aus, um das Eingesparte an die Elternvertreter zu geben. Das rettet zwar noch nicht die Schule, weiß Weber, aber es bestätigt seine Überzeugung, dass Solidarität die einzig solide Basis für den sozialen Zusammenhalt ist.
Wer Unterstützung für die Richard-von-Weizsäcker-Schule in Cochabamba leisten will, kann sich an den Schweinfurter Verein Straßenkinderhilfe wenden (www.strassenkinderhilfe.de) oder spenden. Spendenkonto: Sparkasse Schweinfurt-Haßberge, IBAN: DE35 7935 0101 0000 0233 33, BIC: BYLADEM1KSW