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Schweinfurt
"Entscheidende Managementfehler bei den Erlöserschwestern": Belegarzt Dr. Schwind entsetzt über St.-Josef-Schließung
Das Josefs-Krankenhaus gliedert sich in verschiedene Abteilungen und kooperiert mit externen Praxen. Welche Folgen die Schließung für Ärzte und Patienten hat.
Belegarzt Dr. Stefan Schwind aus Schweinfurt ist entsetzt über die Schließung von St. Josef und findet klare Worte.
Foto: Silvia Gralla | Belegarzt Dr. Stefan Schwind aus Schweinfurt ist entsetzt über die Schließung von St. Josef und findet klare Worte.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 31.08.2024 02:36 Uhr

Seit gut vier Wochen ist bekannt, dass die Kongregation der Schwestern des Erlösers das Krankenhaus St. Josef Ende 2024 schließt. Die Folgen sind erheblich und die Verunsicherung bei Patientinnen und Patienten groß. Aber auch die Kritik an dem Orden, insbesondere bei den Medizinerinnen und Medizinern, die von der Entscheidung direkt betroffen sind.

Zu ihnen gehört der Schweinfurter Gynäkologe Dr. Stefan Schwind, der als Belegarzt am Josefs-Krankenhaus tätig ist. Er versichert: "Wir werden das System so lange aufrechterhalten, wie es das Krankenhaus gibt." Doch für ihn bedeutet die Schließung zum 31. Dezember, dass er dann die Infrastruktur des Josefs-Krankenhauses nicht mehr nutzen kann.

Die Stadt Schweinfurt hat als Träger des Leopoldina-Krankenhauses angekündigt, "alles zu tun, um keine spürbaren Versorgungslücken entstehen zu lassen", wie Leopoldina-Geschäftsführer Jürgen Winter erklärte. Winter hatte auch gesagt, das Leopoldina führe insbesondere mit den Belegärzten am Josefs-Krankenhaus Gespräche, um auszuloten, ob es am Leopoldina-Krankenhaus Möglichkeiten zur Kooperation gibt.

Besondere Struktur am Krankenhaus St. Josef

Um zu verstehen, wie das Krankenhaus St. Josef aufgestellt ist, muss man auf seine Struktur schauen. Die Klinik lässt sich in vier Bereiche einteilen. Die Hauptabteilung, bestehend aus der Inneren Medizin, Chirurgie, Anästhesie, Notaufnahme und Intensivmedizin sowie Akutgeriatrie und Palliativstation, bilden das Herz der Klinik. Dann gibt es Praxen mit Kooperationseinrichtungen wie die Radiologie, die Neurochirurgen, das Dialysezentrum und das Herz- und Gefäßzentrum. Einen weiteren Bereich bilden Praxen, die ohne gesonderte Verträge mit der Klinik in das Gebäude eingemietet sind.

Dazu kommen die sogenannten Belegärzte. Diese betreiben eigenständige Praxen und operieren ihre Patienten auch. Hierfür greifen die Ärzte auf stationäre Betten im Krankenhaus zurück. Im St. Josef zählen hierzu unter anderem die Hals-Nasen-Ohren-Ärzte sowie Frauenarztpraxen. Die Belegärzte sind auf das Haus angewiesen, weil viele Eingriffe stationär behandelt werden müssen. Mit der Schließung des Krankenhauses fällt dieser Anteil weg und damit auch der Rückgriff der Praxen auf vorhandene Betten und ein Teil des Umsatzes der Ärzte.

"Für die Frauenmedizin in Schweinfurt wird es sehr schwierig."
Dr. Stefan Schwind

Stefan Schwind ist seit Jahrzehnten als Belegarzt am Josefs-Krankenhaus tätig. Die nun entstandene Situation beurteilt er sehr kritisch: "Für die Frauenmedizin in Schweinfurt wird es sehr schwierig." Nicht nur er und seine Kolleginnen und Kollegen aus der Gynäkologie seien betroffen, sondern auch der Bereich Hals-Nasen-Ohren, Handchirurgie, Neurochirurgie oder Orthopäden. Es seien alles "gute Operateure, die ihre Patienten aus den Praxen außerdem mit ins Krankenhaus gebracht haben", so Schwind. Er schätzt, dass bis zu 100 Operationen pro Woche in allen Fachbereichen durchgeführt worden seien.

Als in St. Josef Ende 2023 die Geburtshilfe geschlossen wurde, weil aus Sicht der Krankenhaus-Leitung zu wenige Belegärzte vor Ort waren, sah Stefan Schwind diese Entscheidung schon als kritisch an. Er habe damals in den Gesprächen mit der Klinikleitung und dem Orden gemerkt, "dass es schwierig ist mit den Nonnen". Aus seiner Sicht hätte es durchaus Möglichkeiten gegeben, die Geburtshilfe zu erhalten, insbesondere wenn man das Hebammen-System gestärkt hätte.

Lob für Mitarbeitende, Kritik an Führungsebene des Josefs-Krankenhauses

Schwind steht der Belegschaft des St. Josef positiv gegenüber: "Die Klinik hatte sehr kurze Wege, es war extrem familiär und das Personal ist Gold wert." Das Problem liege woanders: Aus seiner Sicht seien Entscheidungen nicht oder zu spät getroffen worden, um das Krankenhaus effizienter und kostendeckender zu führen.

Bei einer Kundgebung der Gewerkschaft verdi am 15. August gab es deutliche Kritik von Mitarbeitenden im Krankenhaus St. Josef an der Kongregation der Schwestern des Erlösers.
Foto: Heiko Becker | Bei einer Kundgebung der Gewerkschaft verdi am 15. August gab es deutliche Kritik von Mitarbeitenden im Krankenhaus St. Josef an der Kongregation der Schwestern des Erlösers.

Er findet in diesem Zusammenhang sehr deutliche Worte: "Es gibt entscheidende Managementfehler bei den Erlöserschwestern in der Vergangenheit." Die Entscheidung des Ordens, das Krankenhaus nicht mehr weiterzuführen, ist zwar nach Aussage von Kongregations-Geschäftsführer Martin Stapper unumstößlich. Dennoch sieht Stefan Schwind durchaus Wege, das Krankenhaus weiterzubetreiben.

Einer wäre, einen Pool an Investoren zu finden, die das Krankenhaus kaufen und in der Struktur vor allem mit Belegärzten sowie den angeschlossenen Praxen betreiben. "Ein Zusammenschluss von Kollegen, die wissen, wie es geht", so Schwind. Aufgrund der finanziellen Unwägbarkeiten durch die noch nicht umgesetzte, aber geplante Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), sei es derzeit zwar schwierig, Investoren zu finden, so Schwind.

Er habe den Vorschlag mit einem Konzept aber auch schon Monate vor der Entscheidung zu schließen der Kongregation unterbreitet, erklärt er. Damals sei ihm mitgeteilt worden, er solle sich zuerst bei der Klinikleitung mit seinem Ansinnen melden. Eine Antwort habe er aber nie bekommen.

 
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  • Georg Metzger
    Das wirtschaftliche Risiko eines Krankenhausbetriebes hat der Träger. Der niedergelassene Arzt generiert als Belegarzt zusätzlichen Umsatz, Einkommen und Gewinn. Fällt die Belegarzttätigkeit weg, entsteht ihm ein wirtschaftlicher Schaden. So gesehen sind die Trägerentscheidung wie die Stellungnahme des Arztes nachvollziehbar.
    Kritischer zu werten ist:
    Die Einstellung zu Abteibungen veranlasst den katholischen Träger die Kooperation mit dem kommunalen Träger zu verweigern und die Schließung des Krankenhauses vorzuziehen.
    Unterschiedliche Maßstäbe beim menschlichen Leben angesichts der bekannten und im Verborgenen schlummernden Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche anzulegen, das missfällt mir. Ideologen wie die nationalistisch, klerikal-konservativ, polnische PIS Partei und der demokratiefeindliche Orban machen damit Politik.
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  • Kurt Beyer
    Frau Weber, die Erlöserschwestern haben ja auch schon andere "Schwarz Peter", wie Sie es köstlich faktenfrei definieren. Lülsfeld... Grombühl... jetzt Schweinfurt...
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  • Edith Kram
    Klingt doch nach einer guten Idee. Sollen die das Krankenhaus als GmbH o.ä. weiterführen, die sich auskennen. Oder am besten gleich die, die das Joseph's seit Jahren g(b)enutzt haben.

    Personal ist da und einen Kredit für die Einlage in die GmbH sollten auch alle bekommen.

    Apropos "Lauterbach" - in einem Jahr sind Wahlen, dann sollte sich dieses "Problem" von selbst erledigen.

    Gerhard Fleischmann
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  • Gerhard Zwierlein
    Leute die hier Managementfehler vorwerfen und fordern, dass man mit einem wie auch immer gearteten System die Klinik weiterbetreiben kann, dann sind diese auf gefordert, die hier Mängel anführen: "sieht Stefan Schwind durchaus Wege, das Krankenhaus weiterzubetreiben." Na also, dann los Herr Schwind! ...Ein Zusammenschluss von Kollegen, die wissen, wie es geht", so Schwind. " Dann schauen wir nun positiv in die Zukunft. Denn er und seine Kollegen, die wissen wie es geht, führen das dann weiter. Problem gelöst! Aber halt...da ist noch die Ampel! Der Lauterbach! Die Gesundheitspolitik! Die große, nicht die kleine in Schweinfurt! - Hmm...also lags doch nicht an den Schwestern? Aber die Kollegen, die wissens wie es geht, werden das doch schaffen...einfach mal an Herrn Schwind wenden.
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  • Dietmar Eberth
    "Aber halt...da ist noch die Ampel! Der Lauterbach! Die Gesundheitspolitik! Die große, nicht die kleine in Schweinfurt!"

    Sie scheinen auch einer der Besserwisser zu sein. Also los, engagieren Sie sich in der Politik und zeigen sie uns wie es geht.
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  • Marion Both
    Im angekündigten überparteilichen Koordinierungskreis sollten Vertreter der Belegärzte und der angeschlossenen Praxen unbedingt beteiligt werden. Sie kennen die Situation der Schweinfurter Gesundheitsversorgung und die Risiken für die Patientinnen und Patienten am besten. Ich zähle eher auf deren Expertise als auf die der politisch Verantwortlichen. Herzlichen Dank an Herrn Dr. Schwind für diesen Bericht.
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  • Gerald Effertz
    Herr Dr. Schwind: ich hatte direkt an die Kongregation der Erlöserschwestern geschrieben: bis heute keine Antwort. Leider.
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  • Peter Koch
    Die Erlöserschwestern wollten keine Fusion mit der Leopoldina weil dann im St. Josef auch Abtreibungen stattfinden hätten können. Das wäre wohl mit allen nicht fundamentalistsch religiösen Inverstoren auch der Fall. Also muss kompromisslos geschlossen werden.
    Abgesehen davon sterben die Erlöserschwestern eh aus, in paar Jahren hätte das St. Josef somit keinen Träger mehr gehabt.
    https://www.br.de/nachrichten/bayern/schliessung-krankenhaus-st-josef-orden-weist-kritik-zurueck,UMAh3vo
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  • Auf eigenen Wunsch hin entfernt.
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  • Kurt Beyer
    Vielen Dank Herr Koch für Ihren Hinweis auf den BR-Beitrag.
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